Mittwoch, 21. März 2012
„In Europa kennt euch keine Sau“ – Greuther Fürth


Was für ein Drama im ersten Halbfinale des DFB-Pokals: Als alle schon mit einem Elfmeterschießen rechnete, schoss Borussia Dortmund doch noch das 1:0 in der Verlängerung gegen Greuther Fürth. Als Schwarz-Gelber freut das Ergebnis natürlich, dennoch verdient die starke Leistung der Fürther absoluten Respekt.
Die Begegnung weckte Erinnerungen. Denn von April 2006 bis Ende 2007 habe ich in Nürnberg gearbeitet. Wenn ich das Wochenende in Franken verbrachte, bin ich manchmal zum Ronhof ins benachbarte Fürth gefahren, um mir die Spiele der Spielvereinigung Greuther Fürth in der 2. Liga anzuschauen. Beim Nürnberger Club in der Bundesliga war allein schon deren Fanfreundschaft mit Schalke 04 ein K.o-Kriterium.
Arbeitskollegen aus Nürnberg, denen ich davon erzählt habe, schüttelten nur den Kopf. Fürth ist dort so etwas wie der kleine picklige Bruder, den man nicht für voll nimmt. Und auch zwischen dem Club und der Spielvereinigung herrscht große Rivalität. Schon zu Zeiten, als beide Vereine den deutschen Fußball prägten und die Meisterschaften untereinander ausspielten. Es gibt diese wunderschöne Geschichte, als beide Teams in den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts die Nationalmannschaft bildeten, aber in verschiedenen Eisenbahn-Waggons anreisten, weil man sich so spinnefeind war.
Meine ersten Erfahrungen mit dem Fürther Fußball machte ich an einem Montag Ende April 2006. Greuther Fürth traf in der 2. Liga auf Energie Cottbus und es war ein entscheidendes Spiel um den Aufstieg in die erste Liga. In Dortmund hätte man bei dieser Brisanz 100 000 Karten verkaufen können; in Fürth habe ich eine Karte zwei Stunden vor dem Spiel erworben und war fast alleine am Stadion. Ich hätte auch noch ein Ticket eine halbe Stunde vorher bekommen, das Playmobil-Stadion war nicht ausverkauft, obwohl es gerade mal 15 500 Plätze fasste.

Kleeblatt
Auch im Inneren war einiges anderes: „Kleeblatt“ skandierten die Fürther Fans immer, Greuther war eher ein Schimpfwort. Weil der wahre Fürther Fan immer noch die Fusion der einst ruhmreichen Spielvereinigung mit dem Dorfverein Vestenbergsgreuth ablehnte.
Sehr gewöhnungsbedürftig war der Stadionsprecher, im Hauptberuf offenbar Moderator bei irgendeiner Jugendwelle im Radio. „Auf geht’s Kleeblatt“, animierte er immer wieder die Fans der Fürther. Zumindest beim Fanblock fand er Anklang, ein Hexenkessel sieht allerdings anders aus. Aber der war/ist der Signal Iduna-Park/Westfalenstadion auch nicht immer.
Das Spiel war wenig attraktiv: Cottbus stellte sich hinten rein, Fürth setzte viel zu sehr auf lange Bälle auf den schnellen Roberto Hilbert. Dennoch stand es lange 1:0, ehe dann ein reichlich dubioser Foulelfmeter zum 1:1 führte. Cottbus stieg letztendlich als Dritter auf, Fürth wurde 5.
Neues Jahr, neues Glück: Noch war die Euphorie nach der Fußball-WM 2006 zu spüren. Zum Saisonauftakt gegen den bayerischen Rivalen 1860 München kamen immerhin 14 000 Zuschauer. Geschätzt die Hälfte waren Anhänger des Münchener Traditionsvereins und die Begegnung hatte durchaus Unterhaltungswert. Bei Fürth spielte mit Christian Timm immerhin ein ehemaliger Dortmunder (Timo Achenbach, den anderen Ex-BVBer, hatte Trainer Benno Möhlmann vorerst verbannt), bei 60 saß ein gewisser Sven Bender auf der Ersatzbank.
Eigentlich hat 60 doch eine richtig vielversprechende Mannschaft, mit der sie oben mitspielen müssten, dachte ich. Aber wie das so ist bei den Löwen: Auch in dieser Saison gab es Querelen ohne Ende, die Münchener landeten nur im Mittelfeld.
Ansonsten war ich in dieser Spielzeit aber wenig bei den Grün-Weißen. Irgendwie passte das mit den Terminen nicht so recht. Nur zwei Besuche gab es: Gegen den damaligen Tabellenletzten Braunschweig und gegen den 1.FC Köln in der Woche vor dem Wiedereinstieg von Christoph Daum. Die Zuschauer maulten über den wenig attraktiven Fußball von Trainer Benno Möhlmann, der 1.FC Köln zeichnete sich bei seinem Gastspiel nur durch übergroße Härte aus.

Fußballgott
In der Saison 2007/08 war es wie so häufig in Fürth: Leistungsträger gingen, unbekannte Spieler kamen. Doch unter dem neuen Trainer Bruno Labbadia machte das Kleeblatt auf einmal richtig Spaß, zumal der ehemalige Bundesliga-Stürmer im Gegensatz zum defensiveren Möhlmann offensiver spielen ließ. Es gab hochattraktive Heimspiele gegen St. Pauli, Mainz (mit Jürgen Klopp) und Aachen. „In Europa kennt Euch keine Sau“, skandierten die Alemannia-Fans, doch ihr Team war völlig chancenlos, zumal ihr damaliger Coach Guido Buchwald auf ein 6-4-0-System setzte.
Ein paar Wochen später schrien die Anhänger des SV Wehen immer „Ronny König Fußballgott“. Ich saß jetzt inmitten der Bedenkenträger, wo man zwar gut sehen konnte, die Stimmung aber eher kritisch war. Fürths Stürmer Stefan Maierhofer stand wegen seiner etwas ungelenken Spiel- und Laufweise im Fokus des Zuschauer-Genörgels. Die Stimmung kippte schon wieder, erstmals gab es Kritik an den Methoden des Herrn Labbadia. Und ich dachte: „Was mache ich hier?“
Die Zuschauerzahlen waren absolut enttäuschend: Mal 6000, mal 8000, fünfstellig nur äußerst selten. Der Verein erhielt einfach nicht die Aufmerksamkeit, die er verdient hätte.
So langsam bekam ich wieder richtig Sehnsucht nach BVB und erster Liga. Am Ende des Jahres war dann auch Schluss mit Nürnberg.