Freitag, 17. Juni 2011
Giganten des Turf und ein heißer Kandidat für das deutsche Derby 2011
Das ist schon ganz großes Kino, was da derzeit im englischen Ascot abgeht. Drei Tage sind vorbei beim königlichen Rennfestival und an solchen Tagen möchte ich sogar Engländer sein (ansonsten spricht einiges dagegen): Denn wie diese so ein Festival feiern, das ist schon grandios. Natürlich spiegelt der „Karneval der englischen Oberschicht" (ZDF) nicht die Realität im englischen Turf wider, denn dort sind die Basisrennen ähnlich schlecht dotiert wie in Deutschland.
Es ist dennoch eine große Show, die da abläuft. Die Stars der Branche sind fast komplett anwesend. Vierbeinige Topathleten wie Goldikova, Frankel, So You Think oder Fame and Glory sind zwar kontraproduktiv beim Wetten, weil sie so niedrig stehen und scheinbar unverlierbar sind. Aber jeder freut sich auf ihren Auftritt. Die Geschichten der ersten drei Tage von Royal Ascot 2011.

Dämpfer für das Wunderpferd
Die Engländer haben ihn schon in den Turf-Olymp aufgenommen: Spätestens nach seinem Sieg in den englischen 2000 Guineas zählt Frankel zu den Großen des Turfs. Dabei ist er erst drei Jahre alt, hatte vor dem Start in den St. James’s Palace Stakes gerade mal vier Rennen bestritten. Diese alle jedoch mit dem berühmten „Finger in der Nase“ gewonnen. Alles andere als eine Deklassierung des gut klassigen Feldes galt da schon als Enttäuschung.
Nach dem Rennen war dann die Reaktion eher gemischt: Der Schützling von Henry Cecil hatte zwar gewonnen, das Feld aber nicht „zerstört“. Kurz sah es sogar so aus, als wenn ihn Zoffany aus dem Stall von Aiden O’Brien gefährden könnte. Denn Tom Queally hatte den Favoriten früh nach vorne beordert, weil sein Hengst stark nach vorne pullte und der Pacemaker eigentlich überflüssig war. Doch mit fortlaufender Distanz wurde Frankel kürzer; Queally hätte sich einiges anhören müssen, wenn die beiden das Rennen verloren hätten. Es blieb aber beim sicheren Sieg – und die Meile ist offensichtlich die beste Distanz für den Galileo-Sohn. Den deutschen Dreijährigenjahrgang wertete Excelebration, bekanntlich Sieger im Mehl-Mülhens-Rennen, mit seinem guten dritten Platz auf.
Das Rennen

Die Königin ist tot, es lebe der König
Sie ist schon eine lebende Legende: Goldikova, die sechsjährige Stute aus dem Stall von Freddie Head. Nur einmal in 23 Starts war sie nicht placiert, insgesamt 13 mal triumphierte sie in Gruppe 1-Rennen in Frankreich, England und den USA. Mehrfach schlug sie dabei Paco Boy. Goldikovas Serie ist nun zu Ende: Frankreichs erste Pferdedame verlor allerdings in allen Ehren gegen Canford Cliffs. Ein Pferd, das zu den besten Meilern Europas zählt, über einen bemerkenswerten Speed verfügt und vorher schon vier Gruppe 1- Rennen gewann. Dienstag folgte der Erfolg Nr. 5 in den Queen Anne Stakes. Jockey Richard Hughes machte das, was er am besten kann, aber manchmal übertreibt: Warten, Canford Cliffs im Hintergrund halten. Doch diesmal fand Hughes den richtigen Moment, gegen den Speed von Canford Cliffs war Goldikova chancenlos.
Für den Jockey und Trainer Richard Hannon war dieser Erfolg eine kleine Revanche. Denn Hannon trainierte auch Paco Boy, Hughes saß meist im Sattel. Altmeister Hannons Worte bewahrheiteten sich zudem: Er hatte Canford Cliffs immer etwas stärker eingeschätzt als Paco Boy.
Das Rennen

Ein moralischer Sieg
Frieden und Freude nach den King’s Stand Stakes am Dienstag: Weil ich den Sieger Prohibit gewettet hatte, der nach allen Formen diesen Erfolg längst verdient hatte. Ebenso dürften die Verantwortlichen von Overdose nach dem Rennen aufgeatmet haben. Die „Budapester Wasserpistole“ (Attheraces-Mann Matt Chapman vor dem Start) beeindruckte mit Platz 4, „blitzte“ das Feld von vorne und war am Ende in dieser Gruppe 1-Prüfung nicht weit geschlagen. Eine couragierte Leistung, die viele (ich auch) dem Hengst nach seiner schwachen Form aus Haydock nicht zugetraut hätten. Ungarns Liebling profitierte vom etwas weicheren Boden, aber die Form war schon fast so stark wie vor der Verletzungspause. Vielleicht rockt Overdose wirklich noch die Insel mit einem Gruppe 1-Erfolg.
Das Rennen

Banker geputzt
Das war schon eine Ansage. „Das beste Pferd, das ich je trainiert habe“, soll Aidan O’Brien über See You Then gesagt haben. Dabei hat O’Brien in seiner illustren Karriere eine Vielzahl herausragender Vollblüter trainiert: Galileo, Rock of Gibraltar oder Henrythenavigator – um nur einige zu nennen. Und dieser Hengst aus Australien, der dort die Mitteldistanz-Szene ziemlich dominierte, soll noch besser sein? Sein Status lässt sich auch daran bemessen, dass ein sehr gutes Pferd wie Jan Vermeer für ihn in den Prince of Wales’s Stakes als Tempomacher agieren sollte.
Diese Taktik ging jedoch anfangs völlig in der Hose und es kam wie es kommen muss: Der hohe Favorit See You Then wurde kurz vor dem Ziel gestellt – nicht von meinem Tipp Planteur, sondern vom Godolphin-Schützling Rewilding. Der Tiger Hill-Sohn galt schon immer als hochtalentiertes, aber spätes Pferd, floppte allerdings als hoher Favorit im englischen St. Leger. Doch frisch ist er offenbar am besten: Nach einem perfekt abgestimmten Ritt von Frankie Dettori zog der Hengst noch an dem angeblich unverlierbaren Ballydoyle-Giganten vorbei. Frankies berühmter Sprung aus dem Sattel fiel noch euphorischer aus als sonst, doch die Ernüchterung folgte schnell: Wegen übertriebenem Peitscheneinsatz kassierte Dettori neun Tage Sperre. Godolphin machte dennoch mal wieder einen richtigen Prestigepunkt gegen den alten Rivalen Ballydoyle. Und so langsam stellt Mahmoud Al Zarooni seinen Trainerkollegen Saeed Bin Suroor ziemlich in den Schatten….
Das Rennen

Thronfolger
Fame and Glory hatte gerade im Ascot Gold Cup triumphiert und die Kameras schauten mal kurz auf Aidan O’Brien. Die Zuschauer sahen etwas seltenes: Fast schon euphorischer Jubel. Dem ansonsten so kontrolliert und unterkühlt wirkendem irischen Trainer war die Erleichterung trotz aller Verkleidung regelrecht anzusehen. Es ist ja auch ein besonderes Rennen für das irische Championquartier: Der einstige Stallgefährte Yeats hatte früher fast ein Dauer-Abo auf diese Steherprüfung, eine Statur des Cup-Helden weihte die ältere Dame in den Pastelltönen just an diesem Tag ein. Er könnte jetzt einen Nachfolger haben: Nach Klasse stand Fame and Glory so und so heraus, nur bei der langen Distanz gab es noch ein paar Fragezeichen. Am Ende nicht mehr…
Das Rennen

Derbysieger 2011?
„Das ist der deutsche Derbysieger 2011“ war mein erste Reaktion. Brown Panther gewann die King George V Stakes hoch überlegen, das Pferd von Trainer Tom Dascombe hat noch eine Nennung für das Deutsche Derby in Hamburg-Horn. Zu Deutschland passt, dass Brown Panther –wie einige andere Derbykandidaten – vom einstigen Horn-Triumphator Scirocco stammt. Für mich war der Hengst eine der besten Chancen des ganzen Festivals. Sein vorheriger Sieg in Haydock fiel schon eindrucksvoll aus: Wie er dort nach schlechtem Rennverlauf beschleunigte, das sah nach Rennpferd aus. Normalerweise sind Favoriten nichts für mich in solchen heißen Rennen, aber diesmal war eine Ausnahme fällig. 50:10 zahlte Brown Panther letztendlich, aber was ist die Form wert? Erst einmal war es „nur“ ein Handicap, aber eines der gehobenen Kategorie, das meist von einem potenziellen Gruppe-Pferd gewonnen wird? Die Klasse der Gegner? Schwer einzuschätzen, weil dreijährige Pferde am Start waren, von denen einige noch viel Potential haben dürften. Derzeit sind es aber noch Handicapper. Jedenfalls wäre es eine schöne Geschichte: Zumal sein Besitzer Michael Owen für zusätzliche Schlagzeilen sorgen dürfte.