Der
kicker beschäftigt sich seit einigen Wochen mit sportlich abgestürzten Traditionsklubs. Nach Rot-Weiss Essen und Lokomotive Leipzig porträtierte das Fachblatt in dieser Woche Waldhof Mannheim. Inzwischen kickt der Klub nach einem „beispiellosen Selbstzerstörungsprozess mit Insolvenz (2003), zweimaligem Lizenzentzug (2003,2010) und mehrfachem Abstieg“ (
kicker) in der fünftklassigen Oberliga Baden-Württemberg. Gut, dass Sepp Herberger, der berühmteste Spross des Vereins aus dem Mannheimer Arbeiterviertel, diesen Absturz nicht mehr miterleben durfte. Der Alt-Bundestrainer spielte dort in den zwanzigen Jahren. In dieser Zeit stand der Waldhof laut kicker für „präzises Flachpassspiel auf hohem technischen Niveau“.
Jüngere erinnern sich eher an die Jahre 1983 bis 1990, als die Mannheimer in der Bundesliga kickten. Da ging es eher rustikal bei den Waldhof-Buben zu. Ich verbinde mit Waldhof Mannheim einige der ödesten Spiele, die ich je im Dortmunder Westfalenstadion gesehen habe. Zum Beispiel aus der Saison 1983/84 ein fürchterliches 0:0, das in der Saison danach von einem noch schlimmeren 0:0 getoppt wurde. Der Höhepunkt war allerdings ein trostlosen Nachmittag im Dezember 1987: Es regnete ununterbrochen, Waldhof hatte wie üblich richtig Beton angerührt, stand mit neun Mann am eigenen Strafraum und kam im ganzen Match einmal vor das Dortmunder Tor. Das reichte zu einem 1:0-Sieg – eine Begegnung, die mich noch lange verfolgt hat, weil sie so grauenhaft war.
Irgendwie war der Verein damals richtig unsympathisch. Schon der Trainer nervte mit seinem Gebrabbel, das man nur rund um Mannheim und Darmstadt verstand, und seinem albernen Pepita-Hut. Klaus Schlappner, kurz „Schlappi“ genannt, setzte auf Tugenden wie Kampf und Willen. Passend zum Zeitgeist, denn im deutschen Fußball dominierten in dieser Zeit die Renner und Kämpfer, Fußball wurde gearbeitet und „nicht gespielt“. Strikte Manndeckung lautete das Motto – zur Not folgten die Abwehrspieler ihren Gegenspielern noch auf die Toilette.
Bollwerk
„Schlappis“ Truppe baute auf eine kompakte Abwehr: Dort standen mit Dieter Schlindwein, Dimitrios Tsionanis und Roland Dickgießer kompromisslose Gesellen – wüste Grätscher, die nur das Spiel zerstörten und denen dabei jedes erlaubte und nicht erlaubte Mittel recht war. Technisch waren die Schlindwein, Tsionanis und Dickgießer eher einfach aufgestellt, offensive Fähigkeiten musste ein Manndecker aber damals auch nicht haben.
Überhaupt ist der SV Waldhof in den siebziger und achtziger Jahren die „Grätscher-Schule“ der Nation. Aus dem Klub kamen einige der kompromisslosesten Abwehrspieler Deutschlands, die allesamt zu Nationalspielern wurden – zweikampfstark, kampfkräftig, aber eben auch spielerisch limitiert. Es begann mit Karlheinz Förster, der in der Waldhofer Jugend spielte, bevor er dann beim VfB Stuttgart zum Nationalspieler avancierte. Auch sein älterer Bruder Bernd kickte ein Jahr bei den Mannheimern, bevor er dann ebenfalls zum VfB Stuttgart wechselte. Es folgte dann Paul Steiner, der später zum 1.FC Köln wechselte.
Die größte Karriere von allen machte wohl Jürgen Kohler, der in Waldhof seine fußballerische Ausbildung erhielt und dann in Köln, München, Turin und Dortmund Titel und Ruhm einheimste. Und auch Christian Wörns, sein späterer Mitspieler in der Nationalmannschaft und beim BVB, stammt aus der Waldhof-Schule. Mit einem Unterschied: Die Italiener brachten Kohler das Fußballspielen bei, in Dortmund war der „Fußballgott“ durchaus auch spielerisch gereift.
Wer noch immer nicht genug hat vom SV Waldhof:
Hier gibt es eine durchaus sehenswerte Reportage über den Verein, lief wohl in der ZDF-Sportreportage und ist viel bessser als das, was der Sender heute im Sport abliefert.