Donnerstag, 20. Januar 2011
Erinnerungen an die Zeit mit Sammer
Kommt er nun oder kommt er nicht? Wird Matthias Sammer, derzeit noch als Sportdirektor in Diensten des DFB, neuer Sportchef des Hamburger SV? Noch weiß das Sammer selbst noch nicht, schreibt der in Sachen DFB meist gut informierte kicker.
Dennoch ein willkommener Anlass für diese Kolumne, mal auf das Wirken von Matthias Sammer bei Borussia Dortmund zurückzublicken. Denn der gebürtige Dresdener prägte von 1993 bis 2004 als Spieler und später Trainer entscheidend die Entwicklung des BVB in dieser Zeit.
1993 kam Sammer nach einem eher missglückten Gastspiel bei Inter Mailand nach Dortmund. Dort entwickelte er sich schnell zu einem Führungsspieler, bestimmte als Libero maßgeblich das Spiel der Millionentruppe von Trainer Ottmar Hitzfeld. Der Nationalspieler wurde schnell einer der Macher im Team und glänzte durch herausragende Leistungen. Pflegeleicht war der überehrgeizige Sammer aber nicht: Gerne stauchte er schon mal - wenn es nicht so lief und oder seine Kollegen es etwas lässiger angehen wollten - seine Mitspieler wie Andy Möller auf dem Feld zusammen.
Auch Trainer Hitzfeld hatte es nicht immer leicht mit dem mündigen Spieler Matthias Sammer, der seinen Trainer häufig hinterfragte. Der Erfolg heilte jedoch lange Zeit alle Differenzen: 1995 und 1996 wurde Dortmund Deutscher Meister, 1997 folgte der Champions League-Triumph gegen Juventus Turin – ausgerechnet im Münchener Olympiastadion, der Heimat des damaligen Rivalen FC Bayern München.

Vom Retter zum Buhmann
Zum Schluss seiner aktiven Laufbahn war Sammer häufig verletzt. Als es dann als Spieler nicht mehr weiterging, wurde er – nicht gerade gewollt – Trainer. In der Saison 1999/2000 hatte die Borussia nach dem ersten Spieltag der Rückrunde Trainer Michael Skibbe entlassen und unter seinem Nachfolger Bernd Krauss schlitterte Borussias Millionenelf unaufhörlich Richtung Abstieg. Was nicht nur an Krauss lag: Die Mannschaft präsentierte sich als zerstrittener Haufen, viele Spieler hatte ihre beste Zeit hinter sich oder konnten ihre Leistung abrufen. Der BVB-Vorstand unter Präsident Gerd Niebaum zog die Notbremse; Sammer übernahm mit Altmeister Udo Lattek gemeinsam das Traineramt, zusammen schafften sie den Klassenerhalt.
Zu Beginn der Saison 2000/2001 rückte Sammer allein in die Verantwortung. Es ging wieder aufwärts, auch weil der BVB – auch wenn er es sich finanziell gar nicht mehr leisten konnte – die Mannschaft teuer verstärkte. Unter anderem kamen Jan Koller, Tomas Rosicky und Marcio Amoroso. 2002 wurde Dortmund dann Meister, profitierte davon, dass Bayer Leverkusen Nerven zeigte. Zudem war das ein Dortmunder Team, mit dem man Erfolg haben musste – so gut war dieses üersonell besetzt. Überspitzt formuliert: Auch der Zeugwart wäre mit dieser Truppe Meister geworden.
Danach ging es abwärts: Sammer wurde immer mehr zum Freund einer vorsichtigen Taktik. Das sah dann meist so aus: Langsamer Spielaufbau, die Mannschaft spielte mehr quer als nach vorne. Ziemlich ideenlos wurde das Mittelfeld überbrückt, in dem der Ball von hinten auf den langen Koller geschlagen wurde – trotz eines Tomas Rosicky im Mittelfeld, einem klassischen Spielmachertyp, dem Sammer mit Defensivaufgaben den Spaß am Spiel nahm. Folgerichtig verpasste Dortmund mit Rang 3 die direkte Qualifikation für die Champions League – der erste Rückschlag für den damals finanziell schon ziemlich angegriffenen BVB.
Die nächste Spielzeit begann mit einem Schock, als die Westfalen in der Champions League-Qualifikation am FC Brügge scheiterte. In der Bundesliga wurde es noch trostloser: Die Spiele wurden immer grauenhafter. Sammer, so der Eindruck, hatte der Mannschaft jegliche Spielfreude ausgetrieben, das Pfeifkonzert zur Halbzeitpause gehörte zum guten Ton im Westfalenstadion. Die Ehe Sammer – BVB war am Ende; Mit Platz 6 verpasste Dortmund das internationale Geschäft. Matthias Sammer ging als Trainer zum VfB Stuttgart und wurde dort nach einem Jahr entlassen. Grund: die wenige attraktive Spielweise, das schwäbische Publikum rebellierte angeblich. Doch die Herren Staudt und Hundt im VfB-Vorstand zeigten damals schon ihre „fachlichen“ Qualitäten: Als Nachfolger verpflichteten sie ausgerechnet Giovanni Trappatoni, den Defensivspezialisten aus Italien.