Dienstag, 13. November 2018
Klante: Vom „Volksbeglücker“ zum Hasardeur
Der Mann wollte das große Geld seiner Kunden, versprach hohe Renditen, lebte kurz in Saus und Braus – und scheiterte dann doch kläglich. Verdienen wollte Max Klante das Geld auf der Pferderennbahn.

Eine schöne Geschichte im Spiegel und auch der Berliner Tagesspiegel widmete sich Klante – nur etwas früher. Der Rennsport zog schon immer eine besondere Klientel von Glücksrittern an. Leute, die beim Wetten das große Geld witterten. Heute mag das in Deutschland nicht mehr der Fall sein, aber die Geschichte des Max Klante spielt ja auch in den 20erJahren des vorigen Jahrhunderts.
Es waren unruhige Zeiten damals. 1920 war der erste Weltkrieg gerade mal zwei Jahren vorbei, die Weimarer Republik hatte die Monarchie abgelöst. Die Leute suchten nach dem Glück – und Pferderennen versprachen schnelles Geld und damit in den Augen vieler Glück. Denn in Sachen Turf war die deutsche Hauptstadt mit vier Rennbahnen führend: Mariendorf, Ruhleben, Karlshorst und natürlich Hoppegarten.
Klante war ein Mann von bescheidener Schulbildung, so der Tagesspiegel, aber er kommt an bei den Leuten. Auch in den höheren Kreisen – am liebsten ist er im mondänen Hoppegarten bei den Galoppern. Der Mann mit einer Vorliebe für weiße Anzüge arbeitet als „Tipster“ und gibt den Leuten gegen Geld Tipps. Das läuft offenbar hervorragend – von den Provisionen und Wettgewinnen kann er sich schnell ein eigenes Rennpferd kaufen, schreibt der Tagesspiegel. Warum das Geschäft dann nicht im Großen aufziehen?

Schnelles Geld
Klante war der Heilsbringer: Er wolle, so der Spiegel, die „Kredite“ seiner Einzahler verdoppeln, dann versechsfachen oder – sollte sich der Anleger gleich fürs „Klante-Sparbuch“ entscheiden – eine jährliche Dividende von 950 Prozent zahlen. Alles mit seinem „genialem, nahezu unfehlbarem System für Pferdewetten“. So könne man sich das „Glück dienstbar machen“, lässt er deutschlandweit in Anzeigen verkünden.
Seine Kunden kamen aus allen Gesellschaftsschichten. Anfangs geht es auch noch gut, Klante kann einige Dividenden auszahlen. Doch irgendwann stockt das Geschäft, die neuen Kunden bekommen kein Geld mehr.
Am 12. September 1921 meldet die Max Klante und Co. GmbH Konkurs an. Zu diesem Zeitpunkt, schreibt der Tagesspiegel, „hat das Unternehmen 80 000 Gläubiger mit Forderungen über 50 Millionen Mark. Die Berliner Polizei ermittelt bereits gegen 96 Wettkonzerne, keiner ist so groß wie der von Klante.“
Der Spiegel spricht von „Gesamtforderungen in Höhe von 90 Millionen Mark, nur zu einem Bruchteil gedeckt durch Vermögen in Form von Rennpferden, Autos, Häusern."
Klante wird verhaftet. Noch demonstrieren die Leute für den selbsternannten „Volksbeglücker“, doch die Stimmung wandelt sich. Anfang 1923 verurteilt ihn das Gericht zu drei Jahren Haft, 105.000 Mark Strafe, dazu kommen fünf Jahren Ehrverlust infolge Betruges, gewerbsmäßigen Glückspiels und Vergehens gegen die Konkursverordnung. Die vier Berliner Rennbahnen darf Klante nie wieder betreten. 1955 stirbt er verarmt.
Heute gibt es andere Scharlatane, die den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen. Strukturvertriebe wie der ehemalige AWD des Herrn Maschmeyer etwa. Nur dass dieser inzwischen mit seinen dubiosen Millionen ein schönes Leben führen darf.



Mittwoch, 11. Oktober 2017
Ein Brief aus dem Jahr 1999
Was man nicht alles so auf seinem Computer findet: Dies ist ein Leserbrief aus dem Januar 1999, den ich per Fax an die Sport-Welt geschickt habe. Ob das Fachblatt den abgedruckt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls ging es damals um die Präsentation der Telewette auf dem Fernsehsender n-tv, die manchmal ziemlich dilettantisch daherkam. Aufmerksame Leser werden schnell erkennen, dass manche Kritikpunkte heute immer noch akut sind. Eigentlich hat sich gar nicht so viel verändert. Allerdings muss man sagen, dass viele Sendungen der Telewette auch völlig problemlos liefen. Und es war ein großen Fehler, das Format 2003 nicht mehr fortzuführen. Der Niedergang beschleunigte sich. Der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrte Sport-Welt-Redaktion,
natürlich sind alle dankbar, dass der Galopprennsport am Samstag regelmäßig in der n-tv-Telewette im Fernsehen zu sehen ist. Doch so langsam bin ich über die Art, wie der Turf dort präsentiert wird, mehr als verärgert. Was nicht an den Moderatoren liegt, die angesichts der zahllosen Pannen ihren Job noch erstaunlich gut verrichten und deren Gelassenheit ich nur bewundern kann.
Klassisches Beispiel war die Sendung am 9.1. aus Neuss: Nicht nur, dass es kurz nach Start des vierten Rennens wieder einmal den inzwischen fast schon obligatorischen Bildausfall gab.
Die Krönung geschah jedoch nach Start des 6. Rennens: Kurz nachdem die Pferde die Boxen verlassen hatten, verabschiedete sich n-tv. Und auf dem Bildschirm erschien nicht etwa ein Sprecher mit einer Nachricht, die die Welt in Atem hält - es kam Werbung!
Natürlich startete das Rennen durch diverse Verzögerungen an der Startstelle etwas später. Doch die n-tv-Verantwortlichen hätten sich wahrlich keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wenn sie die rund drei Minuten noch auf Sendung geblieben werden. Zumal die Nachrichtenlage an diesem Samstag eher flau war.
Zum schlechten Gesamteindruck passen auch zahlreiche kleine Pannen, die sich wie ein roter Faden durch die Sendung ziehen. Darunter fallen zum Beispiel die häufig falsch geschriebenen Pferdenamen auf der Quotentafel. Von den nervigen, aber offensichtlich unvermeidlichen Spots der Buchmacher (einmal pro Sendung würde vollkommen reichen) und der Telewette, die auf Kosten der Information in der so und so viel zu knappen Sendezeit gehen, ganz zu schweigen.

Laien-TV
Natürlich sind das nur Banalitäten, die aber zum teilweise dilettantischen Gesamteindruck passen. In dieser Form ist die Sendung kein Aushängeschild für den Galopprennsport. Im Gegenteil - es entsteht sogar ein Imageschaden. Und ob durch die Sendung in dieser Form neue Zielgruppen gewonnen werden, bezweifle ich sehr.
Denn woher sollen Außenstehende die für den Turf notwendigen Informationen erhalten? So ist die Sendung nur etwas für Insider, die an diesem Tag nicht auf der Rennbahn oder beim Buchmacher sein können und durch die Unzulänglichkeiten dann noch verärgert werden.
Leider wird das Niveau, das zum Beispiel Channel 4 in England in seinen Sendungen bietet, in Deutschland nur Utopie bleiben. Bedingt auch durch die unterschiedliche Bedeutung des Turfs in den beiden Ländern.
Dass es aber anders geht, zeigen diverse (aber leider viel zu seltene) Übertragungen des WDR. Und gab auch einmal ein „Rennen der Woche“ in SAT 1 und später DSF (heute Sport1). Warum versuchen die Verantwortlichen diese Sendung nicht wiederzubeleben?
Inzwischen laufen auch Sportfischen und Sumo-Ringen auf diversen Sportkanälen. Da sollte es doch möglich sein, den Galopprennsport, dessen Fangemeinde doch weitaus höher ist, in einem adäquaten Umfeld zu zeigen.
Aber ab April soll ja offensichtlich in der Telewette alles besser werden. Ich lasse mich gerne positiv überraschen - allein mir fehlt der Glauben.


Mit freundlichen Grüßen




Dienstag, 3. Oktober 2017
Rennsymphonie 1928


Tag der Deutschen Einheit - und zum 27. Mal gab es den Preis der Deutschen Einheit auf der Hauptstadtbahn in Berlin-Hoppegarten. Der Sieger hieß Matchwinner und wenn ich die Bilder so sehe, war die Rennbahn gut besucht. Wie es früher einmal war in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, vor DDR und BRD, zeigt dieses wunderbare Dokument aus dem Jahr 1928. Rennsymphonie 1928 nannte Filmer Hans Richter sein Werk, es ist ein schöner Ausflug in eine andere Epoche. Magie in schwarz-weißen Bildern, einfach nur genießen. Da verzeiht man die schlechte Tonqualität doch gerne.



Mittwoch, 20. April 2016
Als Andy Boschert meine Wette ruinierte
Es gibt Rennen, die vergisst man sein ganzes Leben nicht. Der Tod des Rennpferdes und Deckhengstes Piccolo brachte die Erinnerungen zurück. An einen Sonntag auf der Kölner Rennbahn im Mai 1994 mit den Hauptdarstellern Royal Abjar, Prince Firebird, Jockey Andreas Boschert und eben jenem Piccolo.

Der 15. Mai 1994 muss ein trockener Tag gewesen sein, denn sonst wäre ich nicht von Dortmund auf die Rennbahn nach Köln-Weidenpesch gefahren. Ich habe diese Renntage gerade in Köln immer gemocht: ein sportlich großartiges Programm, das neben dem üblichen Turf-Volk auch andere Besucher anzog. Und der Rheinländer, um mal ein wenig klischeehaft zu werden, war so und so für einen Spruch gut. Dazu war die Erbsensuppe auf der Bahn ganz hervorragend. Also viele Dinge, die einen Besuch zum Erlebnis werden ließen.
Totalisator-Umsätze von mehr als einer Millionen DM waren an solchen Renntagen die Norm. Die deutsche Wirtschaft schwächelte damals nach der beendeten Wiedervereinigungs-Euphorie gewaltig, aber im deutschen Galopprennsport schien es nur eine Richtung zu geben: aufwärts.
Höhepunkt der Karte an diesem Mai-Sonntag war das Mehl-Mülhens-Rennen, damals noch nicht mit den Zusatz Deutsche 2000 Guineas versehen, aber eben ein Klassiker, der die besten Hengste des Jahrgangs über die 1600 Meter anzog. Die Dreijährigen 1994 waren der Jahrgang nach der berühmten Klasse des deutschen Turfs von 1990 mit Könnern wie Lando, Monsun, Sternkönig oder Kornado. Letzterer hatte 1993 das Mehl-Mülhens-Rennen gewonnen.
Neu war 1994, dass die berühmte Maktoum-Familie aus Dubai ein paar Pferde nach Deutschland ins Training geschickt hatte. Die meisten trugen die blauen Farben von Jaber Abdullah und einige kamen zu Trainer Andreas Wöhler, damals noch in Bremen ansässig.


Die Klasse von 91
Es war ein internationales Feld, das sich im Mehl-Mülhens-Rennen 1994 traf. Mick Channon, ein ehemaliger Fußballprofi (der später auch viele Abdullah-Pferde trainierte), schickte Piccolo mit Jockey Wendyl Woods ins Rennen, zudem hatten prominente englisch-irische Trainer wie John Dunlop, Peter Chapple-Hyam und Dermot Weld Starter.
Aus Deutschland waren besonders die drei Wöhler-Pferde chancenreich: Royal Abjar und Dyhim standen im Besitz des oben erwähnten Herrn Abdullah, im Sattel von Prince Firebird aus dem Gestüt Wiedingen saß Stalljockey Andreas Boschert.
Ich weiß nicht mehr, wer als Favorit ins Rennen ging. Auf dem Papier sah die Prüfung sehr offen aus, der Kolumnist schrieb jedenfalls eine Zweierwette mit Royal Abjar und Prince Firebird für fünf DM, natürlich hin und zurück. Das war in dieser Zeit, als die Felder in Deutschland noch viel Raum für Spekulationen boten, in der Regel eine Wette mit lukrativen Quoten. Ein Treffer reichte meistens, um mit einem finanziellen Plus nach Hause zu fahren.
Das Rennen wurde zu einer Prozession für Royal Abjar. „Überlegen, sechs Längen“, lautete der Richterspruch. Eine beeindruckende Vorstellung, der Hengst war an diesem Tag einfach viel zu gut. Jockey Willie Ryan musste nicht viel tun.
Ein gutes Rennen bescherte auch Wendyl Woods Piccolo von der Spitze. Und auch wenn die 1600 Meter deutlich zu lang wurden, verteidigte der Channon-Schützling den zweiten Platz. Denn leider kam Prince Firebird viel zu spät angeflogen, 50 Meter weiter hätte es zu Platz 2 gereicht und mein Einlauf wäre drin gewesen. Ich war stocksauer auf Jockey Andreas Boschert, der den Prinzen meiner Meinung viel zu spät eingesetzt hatte. Der Reiter war für mich als Jockey erst einmal erledigt.
Vielleicht würde ich anders urteilen, wenn ich das Rennen heute noch mal sehen würde. Vielleicht war es gar nicht die Schuld von Andreas Boschert, der ansonsten ein sehr erfolgreicher Jockey in Deutschland war. Vielleicht habe ich ihn ja zu Unrecht getadelt.

Die Zeit danach
Allerdings wurden meinen Beobachtungen später bestätigt: Piccolo entwickelte sich in England zu einem Top-Sprinter, der unter anderem in den Gruppe 1-Nunthorpe Stakes in York über schnelle 1000 Meter triumphierte. Später wurde der Warning-Sohn zu einem sehr erfolgreichen Deckhengst auf der Insel, der bekannt war für schnelle Sprinter und frühreife Youngster.
Royal Abjar griff nach seinem Kölner Triumph in den St. James’s Palace Stakes (Gruppe 1) während Royal Ascot nach den Sternen, war aber gegen die internationale Meilen-Elite (Sieger Grand Lodge) letztlich chancenlos. Danach wurde er als Sieger in Hoppegarten (Gr.2) disqualifiziert, siegte als deutlicher Favorit im Oettingen-Rennen (Gruppe 3) und zeigte noch mal auf internationaler Ebene eine hervorragende Leistung, als er in Longchamp (Gruppe 2) guter Dritter hinter Missed Flight und Green Tune wurde. Später hatte das Pferd mit Verletzungen zu kämpfen, als Deckhengst war (und ist?) Royal Abjar lange in der Türkei aktiv.
Prince Firebird siegte danach im Großen Preis der Dortmunder Wirtschaft (Gruppe 3) über 1800 Meter und lief im Deutschen Derby über 2400 Meter unplatziert. Nach seiner aktiven Laufbahn wirkte der Alzao-Sohn als Deckhengst in Skandinavien.



Mittwoch, 3. Februar 2016
Arkle: Mehr als nur ein Rennpferd
Er war der erste Superstar des Hindernissports – Arkle (1957 bis 1970) gilt heute noch bei vielen als bestes Hindernispferd aller Zeiten. Der Wallach war der Stolz einer ganzen Nation. Irland liebte dieses Pferd – auch weil es die Engländer besiegte.



Viele sehen diese Form als Arkles Beste: Der Sieg im Sandown Gallaher Cup, einem Handicap, gegen Mill House

Das wird es leider nie geben, aber es wäre dennoch der absolute Hit. So eine Art Super Mega Cheltenham Gold Cup mit den besten Siegern der letzten 40,50 Jahre. Starter: Der markante Schimmel Desert Orchid etwa. Jodami, der Bulle aus dem kleinen Quartier von Peter Beaumont. The Fellow aus Frankreich. Best Mate, der behütete Seriensieger der 2000er Jahre. Selbstverständlich Kauto Star und Denman, die späteren Heroen von Paul Nicholls. Vielleicht auch Coneygree, der Sieger des letzten Jahres. Und natürlich Arkle, die Legende aus Irland.
Die Experten von Timeform, die sehr häufig Recht haben, stufen letzteren immer noch am höchsten ein und machen ihn zum besten Hindernispferd aller Zeiten. Und sind damit nicht allein. „Den Beste, den ich je gesehen habe“, sagt etwa die BBC-Rennkommentatoren-Legende Sir Peter O’Sullevan über Arkle. „Kauto Star hätte ihn geschlagen“, meint hingegen der heutige Top-Trainer Paul Nicholls.
Jedenfalls war es sehr eindrucksvoll, wie das „meistgeliebte Rennpferd des letzten Jahrhunderts“ das Gros seiner Starts siegreich gestaltete.
Die Rennbilanz ist fast tadellos:27 Erfolge bei 35 Starts, darunter drei Cheltenham Gold Cups (1964, 1965, 1966) und eine King George Chase. Dazu kommen bedeutende Handicaps wie das Hennessy in Newbury. Dabei sollte man wissen, dass Arkle teilweise mit absoluten Mammutgewichten in den Handicaps unterwegs war und seinen Rivalen oft zehn und mehr Kilos gab.
Der Archive-Sohn (geboren 1957) wuchs auf bei Züchterin Mary Baker in der Nähe von Dublin. 1960 zahlte Anne Grosvenor, auch bekannt als Duchess of Westminster, 1150 Guineas für das noch namenlose Pferd. Der Kauf war eine Empfehlung von Trainer Tom Dreaper. Arkles neue Heimat wurde das Quartier von Dreaper in Greenogue, Kilsallaghan, County Meath, Irland.

Spätentwickler
„Tom Dreaper hatte keine Hobbies, nur seine Rennpferde. Er liebte sie“, charakterisierte ihn seine Ehefrau Betty. Ihr Mann war der Top-Trainer in Irland und besonders für die Duchess of Westminster feierte er schöne Erfolge. Ein Erfolgsgeheimnis: Dreaper hatte viel Geduld und gab seinen Pferden reichlich Zeit zur Reife.
So muss das auch bei Arkle gewesen sein. Denn er war nicht unbedingt frühreif – erst mit fünf Jahren gab er sein Debüt im irischen Navan. Und Stalljockey Pat Taaffe entschied sich für ein anderes Pferd aus dem Stall
Doch Arkle gewann. „Da dämmerte mir erstmals, dass wir etwas Besonderes im Stall haben könnten“, erinnerte sich Draeper. Sein Schützling siegte weiter, triumphierte unter anderem hoch überlegen in der Broadway Chase während des Cheltenham Festivals. Taaffe saß jetzt im Sattel.
Der damalige Superstar der Hindernisszene hieß Mill House; Fulke Walwyn trainierte ihn in Lambourn. Viele Experten hielten Mill House für das beste Pferd, mit dem Walwyn je gearbeitet hatte.
Der Wallach war auch körperlich ein Gigant. „Ich hatte ein Bild von Mill House auf meinem Schulspind“, erzählt der heutige Erfolgstrainer Nicky Henderson, geboren 1950. Bei seinen Altersgenossen hingen da Marilyn Monroe oder Brigitte Bardot.
Die Duelle zwischen dem Champion Mill House und dem Herausforderer Arkle prägten in den nächsten Jahren die englische National Hunt-Szene. „Um ein Champion zu werden, braucht man immer einen guten Gegner“, meint der irische Broadcaster Eamon Dunphy. „Dieser war Mill House für Arkle.“

Rennen des Jahrhunderts
Das erste Duell gab es November 1963 im Hennessy Gold Cup in Newbury. Lange hielt Arkle gut mit gegen den Champion, doch dann machte er einen Fehler und wurde am Ende Dritter. Mill House gewann selbstverständlich.
Die große Revanche kam im Cheltenham Gold Cup 1964. „Das Rennen des Jahrhunderts“, titelten die Zeitungen. „Das Allerbeste aus England und Irland“. Die Prüfung wurde extra auf den Samstag gelegt, damit möglichst viele Menschen die TV-Übertragung sehen konnten.
Arkle hatte sich über den Winter noch einmal weiter entwickelt. Das hatten auch die Konkurrenten aus dem Mill House-Camp mitbekommen. „Ich traute meinen Augen nicht“, so Willie Robinson, der Jockey des Champions. „Arkle wirkte doppelt so groß wie in Newbury.“
Das Rennen wurde der erwartete Zweikampf, doch diesmal mit umgekehrtem Verlauf. Am letzten Hindernis übernahm Arkle das Kommando, der als unverlierbar geltende Mill House wehrte sich vergeblich. Der Sieger hieß Arkle und für Fulke Walwyn war es der „schlimmste Moment seiner Karriere“.



Der Erfolg gegen Mill House im Gold Cup 1964

Der neue Champion hingegen wurde zum irischen Nationalhelden. Der Underdog hatte gewonnen und viele Iren sahen es als eine Art Trost, „weil die Engländer immer die besten jungen irischen Pferde wegkauften“. (Dunphy). Auch Mill House wuchs auf der grünen Insel auf und wechselte dann ins Vereinigte Königreich.
Arkle jedoch gehörte jetzt zur irischen Volksseele. Es gibt diese wunderschöne Geschichte, dass seine Stärke daraus resultiere, dass er zweimal am Tag Guiness trinke.
Jedenfalls distanzierte das irische Wunderpferd Mill House im nächsten Gold Cup noch viel deutlicher. Insgesamt hatte er in vier von fünf Fällen die Nase vorn.

Superstar
Arkle wurde zu einer weltweiten Berühmtheit. Er war der erste Superstar des Sports – auch bedingt durch das Fernsehen, das in den sechziger Jahren populär wurde. Arkle kannte seinen besonderen Status.
„Wenn er im Paradering war, wusste er, dass die Leute nur wegen ihm da waren“, sagt der Journalist Donn Mc Clean von der Irish Sunday Times. Der Dreaper-Schützling siegte weiter, machte den 1966er Gold Cup zu einer einzigen Prozession. Oft lief er in Handicaps mit absolutem Höchstgewicht. Einer seiner besten Vorstellungen war der damalige Gallaher Gold Cup in Sandown, als Arkle seinem Erzrivalen Mill House 16 Pfund gibt und diesen dennoch locker besiegte.
Erst 1966 endete im Hennessy die Siegesserie, als er die gewaltigen Gewichtsvorgaben nicht mehr leisten konnte. Natürlich war Arkle klarer Favorit im folgenden King George in Kempton: Doch er verletzte sich an einem der Rails, wurde dennoch Zweiter. Ein Comeback-Versuch schlug fehl; 1970 starb Arkle im Alter von 13 Jahren. Eine Statur steht seit 2014 in Ashbourne, County Meath. Das Skelett ist zu sehen im staatlichen Irish Stud im County Kildare.

Quellen:
Dokumentation auf youtube

Wikipedia



Freitag, 25. September 2015
Die große Talentschau im Herbst
Es naht die große Zeit der Youngster im Turf. Denn wenn sich die Galoppsportsaison – zumindest die auf dem grünen Rasen – dem Ende nähert, rücken die Zweijährigen in den Mittelpunkt des Interesses. Wobei es schon traditionell große Unterschiede zwischen Deutschland und England gibt: In unserem Land spielen die Prüfungen für den Nachwuchs eine eher untergeordnete Rolle, auf der Insel laufen die jungen Vollblüter ab dem ersten Renntag der grünen Saison – und diese beginnt im März. Ein Blick auf die wichtigsten Rennen des Herbstes für den Nachwuchs in Deutschland und England.

Früher war Frühreife kein Merkmal der deutschen Zucht, Deckhengste wie Big Shuffle, Dashing Blade und einige hochdotierte Auktionsrennen haben das ein wenig verändert. Dennoch ist der Unterschied zu England allein von der Zahl der Rennen gewaltig.
So haben nur vier Prüfungen für diese Altersgruppe in Deutschland Gruppen-Status. Und dann auch noch die niedrigste Einstufung, also Gruppe 3. Eine davon, das Zukunfts-Rennen in Baden-Baden, ist schon wieder Geschichte. Wie so häufig, gewann ein Gast aus dem Ausland. Mark Johnston, in diesem Jahr bei den Jüngsten offenbar gut aufgestellt, trainierte die Siegerin. Die drei wichtigsten Prüfungen auf deutschen Bahnen:

Preis des Winterfavoriten, Köln, 11.10., 1600 Meter, Preisgeld 155 000 Euro, Gruppe 3: Die wichtigste deutsche Zweijährigen-Prüfung für die Hengste. Der Sieger dieses Rennens erobert traditionell eine Top-Position in der Jahrgangs-Hierarchie. Zumindest über Winter, allerdings waren die Gewinner der letzten Jahre wie Brisanto, Born to Run und Limario dreijährig nicht unbedingt Top-Pferde. Zuletzt schaffte Precious Boy 2007/2008 den Sprung zum klassischen Mehl-Mülhens-Sieger. Das Doppel Winterfavorit – Derby holte sich zuletzt 1994/1995 Lavirco, auch Lando hatte 1992/1993 die Nase in diesen beiden Prüfungen vorn. Aber oftmals gewannen Pferde, die zweijährig ihre beste Zeit hatten. In diesem Jahr heißt der Favorit Noor Al Hawa, der im Düsseldorfer Junioren-Preis den Gegner davon eilte.



Der unvergessene Adi Furler kommentiert den Winterfavoriten aus dem 1983. Es muss ein Samstag gewesen sein, denn am Ende stellt Furler auch noch die Starter für den Kölner Preis von Europa am Sonntag vor. Ich weiß nicht, ob der Beitrag in der Samstags-Sportschau oder „nur“ regional im WDR lief. Sicher ist aber, dass der überlegene Sieger Lagunas ein Jahr später auch das Deutsche Derby gewann.

Preis der Winterkönigin, Baden-Baden, 18.10., 1600 Meter, Preisgeld 105 000 Euro, Gruppe 3: Das Pendant zum Winterfavoriten für die Stuten. Seit 2004 wird es in Baden-Baden gelaufen, davor rückten die Pferde in Mülheim in die Boxen. Das Rennen gibt es erst seit 1959. In den letzten sechs Jahren siegten entweder Trainer Andreas Löwe oder Trainer Andreas Wöhler, beide waren jeweils dreimal erfolgreich. Obwohl oft gute Pferde die Winterkönigin gewonnen haben, ist die klassische Ausbeute der Siegerinnen erstaunlich gering. Das letzte Double Winterkönigin – 1000 Guineas schaffte 1992/1993 Quebrada, trainiert vom großen Heinz Jentzsch. 1990/1991 triumphierte Martessa sowohl in Winterkönigin als auch Diana – trainiert von einem gewissen Andreas Wöhler. Immerhin schafften die Winterköniginnen 2013 (Diamond Dove) und 2010 (Djumana) ein Jahr später zweite Plätze in der Diana.

Herzog von Ratibor-Rennen, Krefeld, 8.11., 1700 Meter, Preisgeld 55 000 Euro, Gruppe 3: Eine richtige Traditionsprüfung, seit 1949 in Krefeld beheimatet. Terminlich fast am Ende der Saison, zieht es häufig die etwas späteren Zweijährigen an. Wenn man durch die Liste der Sieger und Platzierten schaut, tauchten dort in letzter Zeit Namen auf, die später große Karriere machten: Protectionist (Zweiter 2012), der spätere Melbourne Cup-Sieger. Oder Pastorius, Gewinner 2012 und ein Jahr später Derby-Held in Hamburg. Noch ein paar gute Namen in der Siegerliste: Der beim Winterfavoriten schon erwähnte Precious Boy (1992), Alkalde (1987), Zampano (1986) oder Lirung (1984).

Die Top-Rennen in England
Middle Park Stakes, Newmarket, 26.9., 1207 Meter, Preisgeld 180.000 GBP, Gruppe 1: Die Gruppe 1-Prüfung für die schnelle Brigade der Zweijährigen. Klarer Favorit für das Rennen am Samstag ist Shalaa aus dem Stall von John Gosden, bereits ein Gruppe 1-Sieger in Deauville und davor ein leichter Gewinner in den Richmond Stakes (Gr. 2) in Goodwood. Klassische Hinweise sollte der Beobachter nicht erwarten, Rodrigo de Trianos Double mit den 2000 Guineas 1992 war eine Ausnahme. 1600 Meter sind für das Gros der Starter in der Regel viel zu weit. Viele Sieger der Middle Park Stakes waren später erfolgreiche Deckhengste, die besonders schnelle Zweijährige produzierten: Dark Angel, Dutch Art, Oasis Dream, Bahamian Bounty oder Diesis sind nur einige Beispiele. Letzterer gewann übrigens auch die Dewhurst Stakes.



Ein seltenes Doppel: Diesis war 1982 sowohl in den Middle Park Stakes als auch im Dewhurst (siehe Video) vorne

Dewhurst Stakes, Newmarket, 10.10, 1408 Meter, Preisgeld 360 000 GBP, Gruppe 1: Die Dewhurst Stakes auf der Rowley Mile in Newmarket sind das prestigereichste Rennen für Youngster auf der Insel. Die Siegerliste ist voller herausragender Pferde, die später in klassischen und Gruppe 1-Prüfungen vorne waren. Nur einige Namen der letzten 15 Jahre: Dawn Approach (2012), New Approach (2007), Teofilo (2006), Sir Percy (2005), Sharmardal (2007), Rock of Gibraltar (2001). Und natürlich Frankel (Erster 2010), das beste englische Vollblut der letzten Jahre. Für ihn war es der Auftakt zu noch größeren Taten.

Racing Post Trophy, Doncaster, 24.10., 1600 Meter, Preisgeld 200 000 GBP, Gruppe 1: Die Racing Post Trophy ist das zweite wichtige Rennen für Youngster mit klassischen Ambitionen. Im Gegensatz zu den Dewhurst Stakes fehlt jedoch die Tradition, erst 1961 wurde die erste Trophy gelaufen. Seit 1989 sponsert die bekannte englische Rennzeitung das Rennen. Ende Oktober kann in Doncaster der Boden schon mal ziemlich schwer sein, da wird von den Youngstern einiges an Stehvermögen verlangt. Immerhin fünf Pferde schafften das Doppel Racing Post Trophy – Epsom Derby, das wären Camelot, Authorized, Motivator, High Chaparral und als erster Reference Point. Der letztjährige Gewinner Elm Park enttäuschte allerdings dreijährig, der Boden für ihn war 2015 nie weich genug.

Quellen: Galopp-Sieger, Wikipedia, eigene Recherchen



Donnerstag, 27. August 2015
Nereide, ein deutsches Turfmythos
Sie gilt als Wunderstute und hielt bis 1993 den Rekord für die schnellste Zeit im Deutschen Derby: Nereide blieb in zehn Starts ohne Niederlage. 1936 war das große Jahr der 1933 geborenen Stute. Dabei siegte sie nicht nur in Diana und Derby, sondern schlug auch im damaligen „Braunen Band“ (es war die Zeit des Nationalsozialismus) die Ausnahmestute Corrida, die wenig später im Arc triumphierte.

Das mit der weißen Weste ist bei Rennpferden so eine Sache. Der große Frankel blieb ungeschlagen in seiner glanzvollen Karriere, doch meistens kommt es anders als man denkt. Oder wer hätte vorher einen Gedanken daran verschwendet, dass der aktuelle englische Derby-Sieger Golden Horn diesen Nimbus gegen die Stute Arabian Queen einbüßt?
Unbesiegte Vollblüter aus Deutschland sind einen Seltenheit: Könner wie Sea The Moon, Monsun, Lando, Acatenango, Nebos, Königsstuhl oder Surumu wurden irgendwann alle mal geschlagen. Man muss schon sehr weit zurückgehen, um so ein Pferd zu finden: Die Stute Nereide (geboren 1933, gestorben 1943) fand in zehn Starts keinen Bezwinger.
„Sie war das beste Pferd, das ich je trainiert habe“, bilanzierte später ihr Trainer Adrian von Borcke. Von Borcke war einer der großen Trainer-Namen im damaligen deutschen Turf. Sieben Derby-Sieger trainierte er für das Gestüt Erlenhof, darunter waren Ausnahmepferde wie Ticino und Orsini. Namen, die heute noch einen guten Klang im deutschen Turf haben.
Auch Nereide trug die blau-roten Farben und wurde in Erlenhof gezogen. Über den Vater Laland oder Graf Isolani gibt es nur spärliche Informationen, schon der Doppelname irritiert. In der Datenbank von Turf-Times taucht etwa nur ein zweiter Platz im Großen Preis von Berlin in Berlin-Grunewald als Rennleistung auf.
Mehr weiß die Turfwelt über den Großvater Fels, überlegener Derby-Sieger 1906 und Sohn der legendären Stute Festa aus dem Gestüt Waldfried.
Jedenfalls stammte Nereides Mutter Nella da Gubbio aus der Zucht des berühmten italienischen Züchters Federico Tesio. Ihr Vater Grand Parade siegte unter anderem im Epsom-Derby 1919 und brach dabei eine bemerkenswerte Serie: Nach 106 Jahren war der Hengst wieder das erste schwarze Pferd, das diesen Klassiker gewann.



Ohne Niederlage: Nereide mit ihrem ständigen Jockey Ernst Grabsch.

„Herrlich unkompliziert“
Nereide jedoch war eine Stute mit braunem Fell. „Ein damaliger Betrachter Nereides könnte nicht sagen, dass sie eine Schönheit gewesen sei. Eher war sie etwas grob und schlaksig“, schrieb die leider viel zu früh verstorbene Silvia Wächter, eine großartige Pferde-Kennerin aller Epochen. Aber Nereide sei herrlich unkompliziert gewesen, „brauchte kaum Arbeitseinheiten, kam ohne Führpferd aus, steckte die Rennen flott weg und war frisch und direkt wieder an der Krippe“.
Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Vollblütern war sie zudem eine sehr aktive und herausragende Zweijährige. Fünf Mal sattelte sie Trainer von Borcke, fünf Mal hatte die Erlenhoferin am Zielpfosten die Nase vorn, jedes Mal saß Ernst Grabsch im Sattel.
Am liebsten gewann Nereide Start-Ziel, der Richterspruch lautete in vier von fünf Fällen überlegen oder sehr leicht. Nur im Ratibor-Rennen, dem letzten Rennen zweijährig und damals in Hoppegarten gelaufen, musste die Stute laut Zielspruch ein wenig kämpfen: Auf dem weich bis schweren Boden hatte sie nur eine dreiviertel Länge Vorsprung gegenüber dem Röttgener Wahnfried.
Dreijährig setzte die Stute ihre Erfolgserie fort: Nach einem erfolgreichem Aufgalopp in Hoppegarten über 1600 Meter stand mit dem Preis der Diana der erste Klassiker auf dem Programm. Und Nereide erfüllte die Erwartungen mit einem sicheren Sieg gegen Alexandra und Abendstimmung.
Es folgte der Erfolg im Hamburger Nickel-Eintracht und dann kam das Deutsche Derby in Hamburg-Horn. Das Double Diana und Derby lockte. Es wurde auf Boden, der laut Galopp-Sieger „zur Härte neigend“ war, ein denkwürdiges Rennen. Wir zitieren Turf-Expertin Silvia Wächter, die den Verlauf wunderbar anschaulich beschrieben hat:
„Nach einem Fehlstart wurde der Schlenderhaner Periander, im Sattel Gerhard Streit, unruhig und aufgedreht. Als dann die Flagge zum regulären Start fiel, war Periander nicht mehr zu halten und tobte los. Der Hengst riss das Feld in Fetzen, Nereide folgte ihm fünf bis sechs Längen zurück, hinter ihr waren zwei weitere Pferde, die diese Pace einigermaßen mithalten konnten. Der Rest des Pulks lag hoffnungslos zurück. Aber Periander marschierte weiter Richtung Zielgerade, er brachte das Feld auch in den Einlauf. Rund 400 m vor dem Ziel aber mußte Periander seinem höllischen Tempo Tribut zollen, er wurde müde und kürzer. Nun setzte Ernst Grabsch Nereide ein, die Stute zog mühelos über Periander hinweg. Bis ungefähr 50 m vor dem Zielpfosten ritt Grabsch Nereide aus, dann nahm er die Hände herunter, ließ die Stute ins Ziel trudeln und trotzdem kam es zu dieser Rekordzeit.“
Dieser Derby-Rekord von 2:28,8 für die 2400 Meter war lange etwas für die Ewigkeit. Erst Lando war 1993 schneller, Athenagoras lief immerhin bei seinem Erfolg 1973 die gleiche Zeit wie die Stute.

Triumph über eine Arc-Siegerin
Es war die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und natürlich instrumentalisierten die Verbrecher in den braunen Uniformen auch den Rennsport. Mit dem Braunen Band von Deutschland wollten die NS-Initiatoren ein „hervorragendes rein deutsches Gegenstück zu dem englisch geprägten Derby und dem französisch beeinflussten 'Großen Preis von Baden' schaffen, den beiden traditionell bedeutendsten und höchstdotierten deutschen Galopprennen“.
Dort in München 1936 schlug in dieser mit 100 000 Reichsmark dotierten Prestige-Prüfung vielleicht die größte Stunde von Nereide: Die ein Jahr ältere französische Spitzenstute Corrida hatte nicht den Hauch einer Chance. Charles Elliot, der Jockey der Unterlegenen, lobte nach der Niederlage die Siegerin in höchsten Tönen. Es gebe in Europa wohl kein zweites Pferd, das so gegen Corrida gewinnen könne, sagte er. Er hatte Recht: Ohne Nereide triumphierte sein Pferd im Arc und wiederholte den Erfolg ein Jahr später.
Doch für die deutsche Ausnahme-Stute war die Gala-Vorstellung im Braunen Band der letzte Start. Ungeschlagen nahm das Gestüt Erlenhof sie in die Zucht. Dort starb Nereide 1943 bei der Geburt eines Fohlens. Leider verhinderten die Wirren des Zweiten Weltkriegs und viel Pech, dass die Stute einen großen Zuchteinfluss in Deutschland hatte. Schade bei einem Pferd dieser Klasse.

Weitere Quellen:
Wikipedia
Galopp-Sieger

Korrektur
Der Sieg in der Diana war nicht der erste Klassiker, den Nereide für sich entschied. Der erste Klassiker-Sieg war im Kisasszony-Rennen in Hoppegarten über 1600 Meter, den heutigen 1000 Guineas. Danke für den Hinweis.



Montag, 20. Juli 2015
Ormonde: Unschlagbar auf allen Distanzen
Im Jahr 1886 war der Stellenwert der Triple Crown noch ein anderer. Da war der Erfolg in den drei Klassikern 2000 Guineas, Derby und St. Leger das Größte, was ein Vollblut erreichen konnte. Im Jahr 1886 schaffte Ormonde dieses Kunststück – kein Wunder, dass der braune Hengst den Beinamen Horse of a Century erwarb. Zumal er in 19 Starts unbesiegt blieb. Dieser Artikel über Ormonde setzt unsere Serie über große Rennpferde der Vergangenheit fort.

Das Erstaunliche: Ormonde lief über die unterschiedlichsten Distanzen und siegte sowohl in Sprints als auch Steher-Rennen. Das wäre heute so, als wenn der aktuelle englische Derbysieger Golden Horn im September im St. Leger siegen und dann im nächsten Jahr in einem Sprint über 1200 Meter triumphieren würde. Undenkbar, vor über 100 Jahren das Höchste der Gefühle.
Ormondes Besitzer war Hugh Grosvenor, der erste Duke of Westminister. Bei seinem Tod im Jahre 1899 galt er als der reichste Mann Englands und besaß unter anderen Ländereien in London. Der Duke war ein Mann mit vielseitigen Interessen: Politiker, Landbesitzer und nicht zuletzt erfolgreicher Züchter und Besitzer von Rennpferden.
Vier Mal gewannen seine Pferde in den gelben Farben das englische Derby. Die Leidenschaft für die schnellen Vollblüter sah der Duke nicht als Extravaganz, sondern als aristokratische Pflicht.



Ormonde mit Fred Archer

Eines seiner erfolgreichsten Pferde war der selbstgezogene Ormonde, der 1883 zur Welt kam. Schon die Abstammung versprach Erfolg: Vater Bend Or triumphierte im Epsom Derby und in den Champion Stakes, die Mutter Lily Agnes hatte über die Steherdistanz im Doncaster Cup gewonnen und ein Jahr zuvor bereits die 1000 Guineas-Siegerin Farewell gefohlt.
Der Duke of Westminister schickte Ormonde zu John Porter nach Kingsclere ins Training. Porter, geboren 1838, war einer der erfolgreichsten englischen Trainer. Schnell erkannte er das Talent von Ormonde. Eine Knieverletzung verzögerte allerdings die Ausbildung des jungen Rennpferdes.
So begann seine Zweijährigen-Karriere erst relativ spät am 14. Oktober 1885. Der Hengst gewann sein Debüt in Newmarket, siegte 12 Tage später in den Criterion Stakes und kam dann zwei Tage später schon als Favorit in den Dewhurst Stakes, dem wichtigsten Zweijährigen-Rennen in England, an den Ablauf. Eine schnelle Startfolge, in Deutschland rümpft man darüber häufig die Nase, in England machen das auch heute noch manche Trainer wie etwa Mark Johnston sehr gerne. Auch im 19. Jahrhundert galt die Devise, dass Rennen nicht im Stall gewonnen werden.
Mark Johnston wäre auf Ormonde stolz gewesen. Die Dewhurst Stakes gerieten zu einer Prozession: Das Pferd von Trainer Porter feierte einen überlegenen Erfolg auf der Rowley Mile in Newmarket gegen den Stallgefährten Whitefriar und der späteren 1000 Guineas-Siegerin Miss Jummy. Fred Archer, wie in den Rennen zuvor Partner des Hengstes, musste nicht viel tun im Sattel.
Ormonde machte richtig Eindruck, denn der englische Vollblutjahrgang 1883 galt als einer der besten der letzten Jahre. Doch ein Jahr später steigerte er die Zweijährigen-Form noch einmal deutlich.

1885 war gut, 1886 noch besser
Trainer Porter schickte seinen Schützling ohne Vorbereitungsrennen direkt in die 2000 Guineas in Newmarket. Ormonde ging nicht als Favorit in die Prüfung, diese Rolle übernahm der Middle Park Gewinner Minting. Fred Archer, der Ormonde bislang immer geritten hatte, entschied sich für den zweiten Favoriten Saraband. Doch Archer lag falsch: Ormonde mit Jockey George Barrett blieb unbesiegt, gewann nach einem langen Duell mit Minting am Ende sicher. „Ein klarer und tapferer Sieger“, urteilten später die Zeitungen.
Im englischen Derby auf dem schwierigen Kurs in Epsom saß Fred Archer wieder im Sattel. Ormonde stand in der klaren Favoritenstellung und entzauberte den bislang ungeschlagenen The Bard: Dieser wehrte sich lange Zeit tapfer, doch als Archer auf dem Favoriten ernst machte, war das Rennen entschieden.
Nur etwas später stand Royal Ascot auf dem Programm. Beim königlichen Rennfestival demonstrierte Ormonde eindrucksvoll seine Vielseitigkeit: Zuerst siegte er in den St. James Palace Stakes über 1600 Meter als klarer Favorit gegen nur zwei Gegner.
Stärker war die Konkurrenz in den Hardwicke Stakes über 2400 Metern, mit Melton zählte der Derby- und St. Leger-Sieger des Vorjahres zu den Gegnern. Doch am Ende siegte Ormonde leicht gegen Melton.
John Porter gönnte seinem Schützling eine Pause bis zum September. Der nächste Start folgte im englischen St. Leger in Doncaster. Ormonde dankte es seinem Umfeld mit einem leichten Vier-Längen-Erfolg ohne große Anstrengung gegen St. Mirin. Die Triple Crown war geschafft: Der braune Hengst hatte die drei Klassiker 2000 Guineas, Derby und St. Leger auf Distanzen von 1600 bis 2800 Metern gewonnen.
In diesem Herbst 1886 hatte Ormonde noch in fünf weiteren Prüfungen die Nase vorn. 16 Starts absolvierte das Pferd zweijährig und dreijährig und belegte dabei immer den ersten Platz. In einem starken Jahrgang war das Pferd des Dukes of Westminister ganz klar die Nummer 1. Einziger Wermutstropfen: Seine Atmung wurde immer lauter, so laut, dass der Hengst als „roarer“ bezeichnet wurde.
Doch das Jahr endete mit einem Schock für alle Beteiligten: Fred Archer, der Stammjockey des Ungeschlagenen, nahm sich im Alter von nur 29 Jahren das Leben. Er litt an Depressionen, auch bedingt durch den Tod seiner Frau zwei Jahre vorher und seiner ewigen Hungerkuren aufgrund seiner Größe.



Hugh Grosvenor, Duke of Westminster und der Besitzer von Ormonde

Dampf-Maschine
1887 startete Ormonde noch später in das Rennjahr: Es ging im Juni während des Royal Ascot-Meetings in den Rouse Memorial Stakes über 1600 Meter, der größte Gegner war ein Dreijähriger und trug den Namen Kilwarlin. „Kein Pferd ist je geboren worden, dass 25 Pfund mehr trägt und mein Pferd schlägt“, tönte dessen Besitzer Captain Machell.
Der Mann lag falsch: Sein Kilwarlin, im gleichen Jahr später immerhin noch St. Leger-Sieger, hatte nicht den Hauch einer Chance gegen den deutlich mehr Gewicht tragenden Ormonde. „Das ist kein Pferd, sondern eine verdammte Dampf-Maschine“, erklärte Machell nach dem Rennen.
Drei Tage später kam das Pferd des Dukes of Westminister wieder in den Hardwicke Stakes an den Start. Mit Minting und dem Eclipse-Ersten Bending warteten starke Gegner auf Ormonde. Zum ersten Mal musste er kämpfen, am Ende war es nur ein Hals Vorsprung gegenüber Minting.
Seinen letzten Start absolvierte Ormonde über schnelle 1200 Meter in Newmarket. Auch hier gewann er und blieb unbesiegt. Eine makellose Karriere gegen Pferde, die in der Turf-Historie sehr hoch bewertet wurden. Doch Ormonde war der eindeutige Champion.
Nicht ganz so erfolgreich war der Seriensieger als Deckhengst. Er wurde krank, litt unter mangelnder Fruchtbarkeit. Immerhin produzierte er mit Orme ein richtig gutes Pferd, der später auch in der Zucht seine Spuren hinterließ.
Ormonde wurde mit sechs Jahren nach Argentinien verkauft, später wurde er wiederum verkauft und landete in Kalifornien. Sein bester Nachkomme dort war Ormondale. 1904 starb Ormonde im Alter von 21 Jahren in Santa Rosa/Kalifornien. Er soll Vorbild für Silver Blaze gewesen sein, ein (fiktionales) Pferd in einer Kurzgeschichte von Sir Arthur Conan Doyle, dem Autoren von Sherlock Holmes.

Die Geschichte von Ormonde bei Wikipedia



Montag, 15. Juni 2015
Der kleinste englische Derbysieger aller Zeiten


Es sind oft nicht die körperlich perfekten Pferde, denen die Sympathie der Turf-Enthusiasten zufällt. Klein, aber fein – so könnte man den englischen Vollblüter Hyperion (1930 – 1960) beschreiben. Das Turfvolk liebte den Fuchshengst. Und Hyperion war nicht nur ein Derby und St. Leger-Sieger, sondern auch in einer späteren Karriere ein höchst erfolg- und einflussreicher Deckhengst.


Es waren die Jahre der großen Wirtschaftsdepression in Europa und den USA. Auch in England, das einstige Empire schrumpfte immer mehr zusammen. Seit 1931 regierte eine Koalition der drei großen Parteien – auch eine Reaktion auf die ökonomische Krise.
Diese Dinge interessierten aber einen in Newmarket im Jahr 1930 geborenen Vollbluthengst namens Hyperion wenig. Sein Vater war der Triple Crown-Sieger Gainsborough, damals einer der erfolgreichsten Deckhengste auf der Insel. Auch die Mutter Selene vollbrachte Großes auf der Rennbahn, mit Sickle und Pharamond hatte sie schon zwei sehr gute Vollblüter gefohlt.
Sein Züchter und Besitzer trug einen klangvollen Namen. Es war der 17. Earl of Derby, bürgerlich Edward Stanley und im Leben ein konservativer Politiker. Einer seiner Vorgänger erfand das bekannteste Rennen der Welt.
Hyperion trug den Namen eines griechischen Sonnengottes. Doch der Hengst machte anfangs Probleme. Denn er war nicht nur ziemlich klein, sondern auch schwächlich. Die fehlende Größe war durchaus nachvollziehbar, weil sowohl Vater als auch Mutter von kleinerer Statur waren. Die schwache Physis bereitete eher Probleme – ob er jemals eine Rennbahn sehen würde, schien lange fraglich.
Der Gainsborough-Sohn fand jedoch einen wichtigen Fürsprecher in The Honorable George Lambton. Der Privattrainer (geboren 1860) des Earls of Derby befand sich schon auf den Zielgeraden seiner erfolgreichen Karriere, dank seiner jovialen Art mochten ihn sowohl der Rennadel als auch die Stall-Belegschaft. Hyperion sei das schönste kleine Pferd, das er je gesehen hätte, sagte der Trainer. Er würde zweifellos das Pony-Derby gewinnen. Lambton gefiel die „schöne Aktion und sein Kopf, voller Charakter und Mut.“

Muskeln eines Wrestlers
Der so geadelte blieb und wuchs aufgrund seiner Schwierigkeiten getrennt von den anderen Jährlingen im Side Hill Stud in Newmarket auf. Nur ein anderer etwas zurückgebliebener Hengst namens El Capitan leistete ihm Gesellschaft.
Bei El Capitan verlor sich später die Spur, Hyperion aber rückte in den Rennstall von George Lambton auf. Der Trainer erkannte das Potenzial seines Hengstes, der die „Muskeln eines Wrestlers“ habe und verglich ihn mit Swynford, seinem bisher erfolgreichsten Pferd.
In der Morgenarbeit aber war Hyperion eher faul. Er musste viel arbeiten, damit er fit wurde. Auf der Rennbahn zeigte der Hengst ein anderes Gesicht, da explodierte er regelrecht. Zweijährig war er früh auf den Beinen. Bereits im Mai 1932 gab er sein Debüt in Doncaster und belegte einen guten vierten Platz bei 18 Startern.
Beim zweiten Start besiegte er in den New Stakes in Ascot über 1000 Meter 21 Konkurrenten und brach den Kursrekord. Es folgten ein geteilter erster Platz (totes Rennen) in Goodwood, Platz 3 in den Boscawen Post Stakes in Newmarket und als krönender Abschluss der Triumph über 1400 Metern in den Dewhurst Stakes, auch heute noch eines der bedeutendsten Rennen für den Zweijährigen-Jahrgang auf der Insel.
Dreijährig präsentierte sich Hyperion gereift, gewachsen war er aber nicht. Für die 2000 Guineas besaß er keine Nennung. Sein Jahresdebüt gab er in der Chester Vase über 2400 Meter. Jockey Tommy Weston musste nach schlechtem Start ziemlich arbeiten, doch am Ende siegte Hyperion mit zwei Längen.
Eines wurde dabei schon deutlich: Der Fuchs hatte das Stehvermögen seines Vaters geerbt. Die 2400 Meter bzw. 12 Furlong in England passten sehr gut. In der Morgenarbeit war Hypérion weiterhin keine Leuchte, doch in das Derby 1933 ging er als Favorit. Es wurde sein Tag auf dem schwierigen Kurs in Epsom: Am Ende lautete der offizielle Richterspruch vier Längen, mit 2:34 Minuten gab es einen neuen Bahnrekord, aber viele Beobachter meinten damals, dass Hyperion an diesem Tag weitaus überlegener wirkte. „Finger in der Nase“ hätte später ein bekannter Rennkommentator bemerkt. Der kleine Hengst hatte endgültig die Herzen des Publikums gewonnen.



Der Sieg im Derby 1933: Man entschuldige den fehlenden Ton und die schlechten Bildqualität, aber dies ist ein historisches Dokument (Quelle British Pathe)

Dreijährig blieb der Lambton-Schützling ungeschlagen. Doch nach dem Erfolg in den Prince of Wales Stakes während Royal Ascot pausierte er verletzungsbedingt, erst knapp drei Monate später folgte der nächste Start im September im englischen St. Leger. Damals hatte dieser Klassiker über lange 2800 Meter noch einen ganz anderen Status, in Doncaster trafen sich die Besten des Jahrgangs. Es wurde eine Start-Ziel-Demonstration: Hyperion schlug den hoch gehandelten Felicitation leicht mit drei Längen.

Zucht-Ikone
Vierjährig bekam der Hengst einen neuen Trainer namens Colledge Leader. Denn der Earl of Derby war der Meinung, dass Lambton aufgrund seines Alters und seiner schlechten Gesundheit nicht mehr der Betreuer der Derby-Pferde sein sollte. Unter der Ägide von Leader siegte Hyperion in seinen nächsten zwei Rennen in Newmarket. Doch beim nächsten Start wurden ihm im Ascot Gold Cup die rund 4000 Meter zu lang: Der alte Rivale Felicitation siegte mit acht Längen Vorsprung, sogar Thor II überlief noch den nachlassenden Hyperion.
Nur zwei Pferde liefen beim nächsten Start in den Dullington Stakes in Newmarket: Nach hartem Kampf unterlag der Gainsborough-Sohn wieder über 2400 Meter dem im Gewicht deutlich günstiger stehendem Dreijährigen Caithness.
Es war sein letzter Auftritt auf einer Rennbahn. Neun Siege bei 13 Starts waren eine hervorragende Bilanz, das schlechteste war der vierte Platz beim Debüt. „Ich wusste bis auf jedes Pfund, wie gut Hyperion war. Aber ich wusste nie, wie gut Sywnford war”, meinte sein ehemaliger Trainer George Lambton.
Als Deckhengst startete Hyperion richtig durch und wurde zu einem der erfolgreichsten Vererber der Turf-Historie. Er zeugte die Gewinner von 752 Rennen; 53 von ihnen wurde zu Gruppe-Siegern. Sechs Mal war er der führende Deckhengst in England und Irland. Aber auch in Amerika, Australien und Neuseeland beeinflussten er und seine Nachkommen die Vollblutzucht maßgeblich.
1960 starb Hyperion im reifen Alter von 30 Jahren. Eine Statue aus Bronze von ihm steht am Eingang des Jockey-Clubs in Newmarket, sein Skelett ist im National Horse Racing Museum ebenfalls in Newmarket zu bewundern.

Links und Quellen
Informativer Artikel über Hyperion

George Lambton und andere

Neues von Lord Derby

Das St. Leger 1933 bei British Pathe



Dienstag, 12. Mai 2015
Phar Lap: Eine australische Ikone
Teil 2 unserer Serie über große Galopper. Diesmal steht Phar Lap im Blickpunkt – ein Pferd, das zwischen 1929 und 1932 einen ganzen Erdteil elektrisierte und den Sprung in die australische Hall of Fame des Galopprennsports schaffte. Um seinen Tod gab es jahrelang Spekulationen – erst 2010 fanden Forscher heraus, dass Phar Lap an einer Arsenvergiftung starb. Der Text basiert auf einem Artikel von Jutta Lindner, der zuerst in der Facebook-Gruppe Galopp Info veröffentlicht wurde.

Doch immer noch bleiben Fragezeichen um den Tod: Denn nach so vielen Jahren sei nicht mehr festzustellen, ob das Pferd von Neidern vergiftet wurde oder an der Überdosierung eines damals zur Leistungssteigerung verwendeten arsenhaltigen Mittels starb. „Dies wird wohl immer ein Mysterium bleiben“, betonte Ivan M. Kempson, federführender Autor der Studie.
Phar Lap kam 1926 in der Nähe der neuseeländischen Stadt Timaru zur Welt. Sein Vater war der 1919 in England geborene Night Raid. Dieser lief in England und Australien, war aber nicht gerade eine Leuchte auf der Rennbahn. Gerade mal zwei Siege und eine Platzierung bei 25 Starts waren eine eher magere Bilanz.
Dafür war der Radium-Sohn als Deckhengst in Australien umso erfolgreicher. 13 Gruppesieger setzte Night Raid in die Welt. Seine besten Nachkommen waren Nightmarch, ein Gewinner des Melbourne Cups, und eben Phar Lap.
Auch mütterlicherseits war Phar Lap nicht unbedingt ein Blaublut: Entreaty blieb bei ihrem einzigen Start unplatziert. So kostete der Sohn auf der Auktion 1928 gerade mal 160 Guineas. Sein neuer Besitzer hieß David J. Davis, Trainer Harry Telford hatte den in Australien lebenden Geschäftsmann aus den Vereinigten Staaten überzeugt, den Hengst zu kaufen. Er kam zu Telford nach Sydney ins Training.
Dem Vernehmen nach war Davis entsetzt, als er zum ersten Mal „sein Pferd“ in echt sah. Phar Lap war nicht gerade eine Schönheit. So war sein Gesicht beispielsweise mit Warzen überzogen. Davis wollte ihn nicht, Trainer Harry Telford stieg quasi als Mitbesitzer ein. Um damit sich Phar Lap besser auf die Rennen konzentriert, wurde er zum Wallach.
Bei den ersten Starts landete er dann auch im geschlagenen Feld. Erst im fünften Versuch legte er seine Maidenschaft ab und gewann ein RRC Maiden Juvenile Handicap.

Seriensieger
Erst mit zunehmendem Alter und längeren Distanzen wurde der fuchsfarbene Wallach richtig gut. 1929 triumphierte er unter anderem sowohl im Australia Derby als auch im Victoria Derby. Der erste Versuch im Melbourne Cup endete nur drei Tage nach dem Erfolg im Victoria Derby mit einem guten dritten Platz.
Ein Jahr später aber siegte Phar Lap im Melbourne Cup – der Prüfung des fünften Kontinents, bei der Australien einen Moment lang stillsteht. „Die ungewohnte gespannte Stille der Menge während des Rennens und der große Applaus, der ausbrach, als der Favorit mit großer Leichtigkeit davonzog, erzählten von einem Sieg von großer Popularität", berichtete der Sydney Morning Herald damals.
Zwischen 1930 und 1931 siegte das Pferd in 14 Rennen hintereinander. 1930 versuchte jemand, ihn zu erschießen. Vermutlich war es in Buchmacher, der durch ihn viel Geld verloren hatte.
Für sein letztes Rennen wurde er von seinem Eigentümer per Schiff nach Tijuana in Mexiko gebracht, um im Aqua Caliente Handicap zu laufen. Das Rennen am 20. März 1932 bot die höchste Börse, die zu diesem Zeitpunkt jemals in Nordamerika aufgeboten wurde.
Jedoch war Harry Telford mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und weigerte sich, mit nach Mexiko zu reisen. Kurzer Hand beförderte Davis Phar Laps bisherigen Betreuer Tommy Woodcock zum neuen Trainer.
Woodcocks Einstand glückte: Phar Lap gewann mit neuem Streckenrekord, obwohl er 58,5 Kilo tragen musste. Anschließend wurde er zu einer Ranch nach Menlo Park in Kalifornien gebracht. Dort versuchte sein Besitzer, neue Rennen für ihn zu vereinbaren.
Der Schock kam am Morgen des 5. Aprils 1932: An diesem Tag fand Woodcock den Wallach mit erhöhter Temperatur, zudem litt er offensichtlich an großen Schmerzen. Nach wenigen Stunden starb Phar Lap mit sechs Jahren, ein intensives und kurzes Rennpferdeleben fand ein trauriges und frühes Ende.

Herz im Nationalmuseum
In seiner vierjährigen Rennkarriere gewann Phar Lap 37 seiner 51 Rennen. Den dritten Versuch im Melbourne Cup 1931 beendete er als Achter, musste jedoch 68 kg tragen. Leider hatte der Wallache nie die Gelegenheit, gegen das seinerzeit führende US-amerikanische Rennpferd Equipoise, Pferd des Jahres 1932 und 1933, zu laufen.
Als der Nachricht von Phar Laps Tod Australien erreichte, trauerten viele Menschen. Einige Bücher wurden über ihn geschrieben, zuletzt kam 1983/1984 dieser Film über den berühmten Wallach in die Kinos.
Die Rennwelt ehrte Phar Lap mit einem Platz in der australischen Racing Hall of Fame, zusammen mit den Rennpferden Carbine, Tulloch, Bernborough und Kingston Town. In der Rangliste der 100 bedeutendsten Rennpferde des zwanzigsten Jahrhunderts des amerikanischen Blood-Horse-Magazins nimmt er Platz 22 ein.



Phar Lap im Museum von Melbourne (Foto: Ciell/Wikimedia Commons)

In Australien und Neuseeland gilt der Wallach, dessen Rennkarriere so mühselig begann, als nationales Heiligtum. Sein Herz befindet sich im National Museum of Australia, 1978 erschien eine Briefmarke mit seinem Konterfei. Australische Neubürger müssen in einem Einwanderungstest Fragen zu Phar Lap beantworten. Ein Denkmal schmückt seine Geburtsstadt Timure, eine Bronzestatue erfreut die Besucher der Rennbahn Flemington in Melbourne.
Es gab Spekulationen über die Ursache seines Todes, da eine Autopsie zum Vorschein brachte, dass seine Eingeweide entzündet gewesen waren. Viele glaubten, dass das Pferd vergiftet worden sei. Es gab verschiedene Theorien, von Bleivergiftung durch bleihaltige Insektizide bis zu natürlichen Ursachen wie Darmverschlingung.
Diese Fragen wurden nach achtzig Jahre zumindest teilweise beantwortet – siehe Anfang des Textes. Aber vieles bleibt rätselhaft.

Phar Lap bei Wikipedia