Mittwoch, 4. Dezember 2013
Leverkusen will nicht mehr Vizekusen sein
Es war irgendwie typisch für Bayer 04 Leverkusen, am Samstag Gegner von Borussia Dortmund in der Bundesliga: Da schaut ganz Fußball-Deutschland auf den Klub, weil seit Ewigkeiten mal wieder ein Spiel von ihm im Free-TV übertragen wird. Das Ergebnis ist bekannt: 5:0 deklassierte Manchester United Bayer in der Champions League und war in allen Belangen überlegen.
Oder anders formuliert: Leverkusen spielte, als wenn die Spieler Bleischuhe tragen würden. Es war eine Demütigung, ein Begräbnis erster Klasse – auch wenn der Gegner zur fußballerischen Oberklasse zählt.
Dabei hat sich die Leverkusener Mannschaft gut entwickelt. Unter den Trainern Sami Hyypiä und dem Urdortmunder Sascha Lewandowski (der bekanntlich ab dieser Saison nicht mehr Trainer ist) ging der Weg nach oben, etablierte sich das Team endgültig wieder in Deutschlands Elite.
Doch das Versagen in den wichtigsten Momenten zieht sich wie ein roter Faden durch die Vereinsgeschichte. So wurde die „Werkself“ (siehe unten) nur einmal Pokalsieger, holte immerhin 1988 den UEFA-Pokal, als dieser noch ein ernst zu nehmender Wettbewerb war. Den Beinamen „Vizekusen“ erwarb sich Bayer mit einiger Berechtigung.
Kaum ein anderer Verein kassiert dafür so viel Häme. Bayer Leverkusen wird finanziell vom Chemiegiganten Bayer unterstützt und trägt den Firmennamen. So etwas finden die Traditionalisten gar nicht gut und rufen Wettbewerbsverzerrung. Keine Rolle spielt in solchen Überlegungen etwa die Tatsache, dass ihr Klub beispielsweise von einem dubiosen russischen Energieunternehmen gesponsert wird. Oder die Stadt ihn subventioniert.


Leverkusen holt schon Pokale: 1988 den UEFA-Cup zum Beispiel gegen Espanyol Barcelona. Es war hochdramatisch: Das Hinspiel hatte Bayer 0:3 in Barcelona verloren, im Rückspiel egalisierte das Team den Rückstand und siegte im Elfmeterschießen.
Bildnachweis: Panotxa/Wikipedia Commons


Aktuelle Lage
Bayer spielt wie im Vorjahr eine richtig gute Saison, stellt sich bislang tapfer zwischen die Giganten Bayern München und Borussia Dortmund. 11 Siege, ein Remis und zwei Niederlagen bedeuten 34 Punkte und damit liegen die Rheinländer vier Punkte hinten den Bayern, aber auch drei Punkte vor Dortmund.
Auch in diesem Jahr verfügt der Klub über eine spielstarke Mannschaft, die sowohl in der Offensive und Defensive stark ist. Was ein wenig fehlt, ist die Qualität hinten den ersten 15,16 Spielern. Dieses Problem haben jedoch bis auf Bayern und mit Abstrichen Borussia Dortmund alle Klubs der Bundesliga.
Wie gut Bayer in der Liga auftritt, zeigen etwa die Durchschnittsnoten des Fachblattes kicker. Da gibt es eine ganze Menge Feldspieler, die einen Schnitt um die 3,00 haben: Sidney Sam (2,5), Stefan Reinartz (2,78), Stefan Kießling (2,88), Ömer Toprak (2,95), Simon Rolfes (3.00) oder Gonzalo Castro (3,09). Torwart Bernd Leno ist bislang mit einem Schnitt von 2,57 zweitbester Keeper nach Noten hinter dem Stuttgarter Sven Ulreich (2,50). Nur Lars Bender (3,40) bleibt in dieser Saison nach Meinung der kicker-Redakteure deutlich hinter Zwillingsbruder Sven Bender (2,92).



Ein Tor wie ein Schlag in den Magen, aber wenigstens wunderschön: Zinedine Zidane entscheidet das CL-Finale 2002 gegen Leverkusen für Real Madrid. Den Leverkusener Fans wird die herausragende Schusstechnik von Zidane völlig egal sein.


Ein wenig Historie
Häufig ging es bei den Spielen zwischen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen richtig zur Sache. Unvergessen, wie Dortmunds Abwehrspieler Bodo Schmidt Leverkusens Stürmer Ulf Kirsten einst in die Kabine grätschte.
1979 stieg Bayer in die Bundesliga auf. Und kein anderer wird mit Leverkusen und Bundesliga mehr verbunden als der langjährige Manager Reiner Calmund. Der Mann war nicht nur eine gewichtige rheinische Frohnatur, sondern auch ein cleverer Strippenzieher. So hatte Bayer schon gute Beziehungen nach Brasilien, bevor Fußballer von dort in allen Ligen der Welt kickten.
Und beim Werksklub spielten keine schlechten Brasilianer: Jorginho, Tita, Emerson, Paolo Sergio, Lucio, Franca (auch wenn er nicht ganz die Erwartungen erfüllte) oder Ze Roberto zum Beispiel. Für die meisten war Leverkusen das Sprungbrett zu noch größeren Klubs in Europa.
Die Geschichten, wie Calmund sich die Dienste von Andreas Thom und Ulf Kirsten sicherte, sind Legende. Jedenfalls wechselten die meist umworbenen Spieler des DDR-Fußballs in die Chemiestadt und nicht nach Dortmund, Hamburg oder München. Aber in Leverkusen erwies sich der Mutterkonzern finanziell als sehr großzügig, die Gehälter waren sehr gut.
So hatte Leverkusen fast immer starke Teams. Gut, ein Jahr wäre man fast mal abgestiegen, als Calmund auf der Tribüne flennte und sich vorher „in aller Freundschaft“ vom Trainer Erich Ribbeck trennen musste. Aber die guten Spielzeiten überwogen doch: Die Saison 1999/2000 etwa, als der Klub mit Trainer Christoph Daum erst am letzten Spieltag in Unterhaching die Meisterschaft verspielte.
Und natürlich 2002, als man das „Vize-Triple“ schaffte: Erst verlor man den Titel auf der Zielgeraden an den BVB, dann versemmelte man das Pokalfinale gegen Schalke und zu allem Überfluss unterlag der Klub äußerst unglücklich Real Madrid im Endspiel der Champions League. Das war fast schon Tragik, weil Bayer zudem in dieser Spielzeit großartigen Fußball bot.
Es war vielleicht die beste Mannschaft der Vereinsgeschichte, die Bayer damals hatte: Lucio, Ballack, Bernd Schneider, Kirsten, Ze Roberto, Neuville, Ramelow oder Bastürk – um nur einige Namen des Teams von Klaus Toppmöller zu nennen. Lucio, Ze Roberto und Ballack gingen danach nach Bayern München.
Im Jahr danach stieg Leverkusen fast ab. Calmund nahm 2004 seinen Abschied, Rudi Völler wurde Sportlicher Leiter und Bayer platzierte sich fast immer in den UEFA-Cup-Rängen. Jupp Heynckes weckte den Verein wieder zu neuen Leben, wurde 2011 Zweiter (wie konnte es anders sein). Sein Nachfolger Robin Dutt war hingegen eher eine Fehlinvestition, aber das Trainerduo Hyypiä und Lewandowski setzte Heynckes Arbeit erfolgreich fort. Und jetzt soll es der ehemalige Weltklasse-Innenverteidiger Samy Hyypiä richten.

In der Serie "Rivalen des BVB" wird immer der Verein portraitiert, der am nächsten Spieltag in Dortmund gastiert. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich.



Montag, 25. November 2013
Diegos Erben wollen hoch hinaus
Natürlich fängt ein Artikel über den SSC Neapel, Borussia Dortmunds Gegner am Dienstag in der Champions League, mit Diego Armando Maradona an. Wem auch sonst – der beste Fußballer seiner Zeit, charakterlich vielleicht nicht immer einwandfrei. In Neapel aber verehren sie den Argentinier auf einer Stufe mit dem Ortsheiligen San Genaro und der örtlichen Madonna. „Maradona, Madonna, die Worte vermischen sich. Er kam als Retter, um den ihm gebührenden Platz im neapolitanischen Pantheon einzunehmen“, schrieb Jimmy Burns in seiner Maradona-Biografie „Die Hand Gottes“.
Von 1984 bis 1991 kickte Maradona für den Klub aus Süditalien: Zwei Meisterschaften und ein UEFA-Cup-Sieg (1989, Finale gegen den VfB Stuttgart) lautete die sportliche Erfolgsbilanz. Der kleine Mittelfeldspieler gab dem armen italienischen Süden ein neues Selbstgefühl gegenüber den Großklubs aus dem reichen Norden. Auf einmal befand sich Napoli auf einer Stufe mit Juve, Inter und Milan.
Was fällt dem Mitteleuropäer noch zu Neapel sein? Arme, aber fröhliche Menschen, Verkehrs- und Müllchaos, die örtliche Mafia namens Camorra. Zu letzterer hatte Maradona gute Beziehungen, die Camorra-Bosse sonnten sich gerne im Ruhm des Fußball-Gottes. Und natürlich profitierten sie geschäftlich vom Kicker.
Maradona zeigte in Neapel wohl den besten Fußball seiner Karriere. Burns formuliert es etwas martialisch: „Wieder schien der Ball an Maradonas Fußballschuhen befestigt zu sein beziehungsweise in einer tödlichen Kurve wie eine Exocet-Rakete durch die Luft gelenkt zu werden.“
Die Tifosi liebten ihren König - und verziehen ihm auch seinen etwas abrupten Abgang im März 1991.



Ein Diego Maradona-Altar in Neapel
Bildnachwies: Cyambella/Wiki Commons


Aktuelle Lage
Jens Lehmann, ehemaliger BVB-Schlussmann und danach lange in England bei Arsenal tätig, weiß Bescheid: „Napoli hat gute Einzelspieler, zudem einen guten Trainer, einen Taktikfuchs.“ Wie gut die Mannschaft des schlauen Rafael Benitez ist, musste der BVB beim 1:2 im Hinspiel anerkennen. Es war das Spiel, in dem Trainer Jürgen Klopp ungewollt einen neuen Freund in Gestalt des Hausmeisters des San Paolo-Stadions gewann, weil er des Feldes verwiesen wurde. Zudem sah Keeper Roman Weidenfeller Rot.
Napoli aber präsentierte sich als spielstarke Einheit mit markanten Offensivspielern wie Higuain, Hamsik oder Insigne, dazu imponierten die beiden Schweizer Behrami und Inler auf der Sechs.
Derzeit aber kriselt der Klub ähnlich wie der BVB ein wenig in der heimischen Liga, verlor zuletzt zwei Spiele in Serie und wirkte beim 0:1 gegen Parma laut kicker „uninspiriert“. Mit 28 Punkten aus 13 Spielen und Rang 3 befinden sich die Süditaliener aber durchaus im Soll.

Etwas Historie
Lange war Napoli eher eine graue Maus in Italien. Die meisten Jahre spielte der seit 1926 unter dem Namen SSC Neapel firmierende Club zwar in der Serie A, erreichte auch einige gute Platzierungen, doch die Meistertitel gewannen die Vereine aus Turin, Mailand und Rom. Der Kauf von Diego Maradona unter dem Präsidenten Corrado Ferlaino 1984 erwies sich als erfolgreiche Strategie. 1987 holte die Mannschaft das Double (Meisterschaft und Pokal), 1989 kam der UEFA-Cup hinzu, 1990 noch einmal die Meisterschaft.
Es war nicht nur die Soloshow des Diego Maradona. Spieler wie der Brasilianer Careca, Ciro Ferrara, Andrea Carnevale oder Fernando de Napoli machten ebenfalls auf sich aufmerksam.
Nach Maradonas Abgang aber kam der langsame Abstieg. 2004 musste der Club sogar Konkurs anmelden und begann wieder neu in der Serie C1.
Im gleichen Jahr stieg Filmproduzent Aurelio De Laurentiis als Präsident und Geldgeber ein. 2007 folgte die Rückkehr in die Serie A und seitdem ging es stets aufwärts. Unter Trainer Walter Mazzari entstand ein neues spielstarkes Team. Zudem schreibt der Klub seit Jahren kontinuierlich schwarze Zahlen.
In dieser Saison soll der nächste Schritt nach oben folgen: Zwar gingen Ezequiel Lavezzi und Edinson Cavani, die beiden Stürmerstars, für die Wahnsinnssumme von 94,5 Millionen nach Paris Saint-Germain, doch dafür investierte Napoli kräftig in erfahrene Spieler. Von Real Madrid kamen Raul Albiol, Jose Callejon und der argentinische Stürmer Gonzalo Higuain, dazu Torhüter Pepe Reina vom FC Liverpool und der belgische Nationalspieler Dries Mertens aus Eindhoven. Mit Rafa Benitez übernahm ein erfahrener und erfolgreicher mann den Trainerposten. „Heute steht Napoli für stimmige Finanzen, attraktive Spielanlage und ein regelmäßig gefülltes Stadion“, urteilte der kicker in seinem Champions League-Sonderheft. Wer hätte das gedacht - besonders das mit den Finanzen.

Der SSC Neapel bei Wikipedia

Ein launiger Reisebericht auf schwatzgelb.de

In der Serie "Rivalen des BVB" wird immer der Verein portraitiert, der am nächsten Spieltag in Dortmund gastiert. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich.



Donnerstag, 21. November 2013
Die Polarisierer aus Bayern
Es geht schon wieder gut los vor dem Gipfeltreffen zwischen Borussia Dortmund und Bayern München am Samstag. Die Dortmunder Mats Hummels und Marcel Schmelzer verletzten sich am Dienstag beim Länderspiel in England. Damit fehlt die komplette Viererkette der Vorjahre: Neven Subotic erlitt einen Kreuzbandriss; für Lukasz Piszczek kommt ein Einsatz noch zu früh.
Schon fühlen sich die Verschwörungstheoretiker bestätigt, die eine Bevorzugung des FC Bayern in der Nationalmannschaft sehen. Denn Bundestrainer Joachim Löw hatte vor dem Freundschaftsgipfeltreffen die Münchener Manuel Neuer und Philipp Lahm nach Hause geschickt; Thomas Müller bleib 90 Minuten auf der Bank. Diese Theorie ist natürlich Unsinn, aber die National-11 bedeutet für den BVB in letzter Zeit wenig Gutes.
Ganz ungeschoren kommen die Münchener auch nicht davon: Mit Bastian Schweinsteiger und Franck Ribery fallen zwei wichtige Spieler aus.
Dabei gibt es schon genügend anderen Zündstoff im Duell des FC Bayern, der finanziell immer noch in einer anderen Liga spielt, und seines größten nationalen Kontrahenten. Da ist zum Beispiel die Rückkehr des Mario Götze ins Dortmunder Westfalenstadion, der Empfang wird entsprechend sein.
Kaum eine Meldung traf die Borussen-Anhängerschaft so ins Herz wie der Wechsel des Top-Technikers zum FC Bayern. Sportlich schwer verständlich, doch wenn der zukünftige Bayern-Trainer Pep Guardiola den Brasilianer Neymar nicht bekommt, dann schaut man eben sich auf dem deutschen Markt um und kauft dem Wunschtrainer Mario Götze.
Dortmund kassierte 37 Millionen und holte Henrikh Mkhitarjan und Pierre-Emerick Aubameyang. So schlecht ist dieser Tausch nicht, mir ist Mario Götze am Samstag völlig egal. Ich fand es sogar gut, wie er bei seiner offiziellen Vorstellung mit einem Nike-Shirt auflief. Eine Art Guerilla-Marketing, denn der FC Bayern ist der adidas-Vorzeigeklub schlechthin. Erstaunlicherweise hatte keiner der Münchener Kommunikationsstrategen dies im Vorfeld bemerkt.

Warum polarisiert der FC Bayern so?
Von wegen „alle haben die Lederhosen an“: Nicht nur ich tanzte durchs Wohnzimmer, als die Bayern 1999 in letzter Minute das Champions League-Finale gegen Manchester United verloren. Halb Deutschland freute sich über die Niederlage. Es gibt kein Zwischending – entweder mag man den Klub oder nicht. Auch in Dortmund werden nur Rückstände der Schalker noch lauter bejubelt – und so groß sind die Unterschiede nicht.
Die Gründe? Natürlich ist es auch Neid auf die vielen sportlichen Erfolge. Es ist aber vor allen diese Arroganz, der durch die Erfolge entstanden ist. Dieses Selbstbewusstsein, dieses „Mia san mia“, das der Klub ganz offen zeigt. Und wenn es ein Problem gibt, kauft man es einfach weg.
Der FC Bayern ist heute der erfolgreichste Klub in Deutschland und da hat Manager Uli Hoeneß großen Anteil dran. Aber Hoeneß wusste auch immer, wann er attackieren musste. Gefangene machte er dabei meist nicht - der „gute Mensch vom Tegernsee" war er eher privat.
Bayern hatte zudem manche Jahre richtig unsympathische Mannschaften mit Spielern wie Oliver Kahn, Stefan Effenberg oder Lothar Matthäus. Kahns Kung-Fu-Sprung gegen Stephane Chapuisat oder seine Vampir-Attacke gegen Heiko Herrlich bleiben unvergessen. Aber diese Teams hatten immer einen unheimlichen Siegeswillen. Sie zu besiegen, war unglaublich schwer – der BVB kann ein Lied davon singen.



Einer der Größten in der Geschichte des FC Bayern: Gerd Müller, der unnachahmliche „Bomber der Nation“

Der aktuelle FC Bayern
10 Siege, 2 Unentschieden, keine Niederlage in der Bundesliga, in der Champions League bereits nach vier Spielen im Achtelfinale – der FC Bayern setzt auch mit Pep Guardiola seine famose Form aus der Triple-Saison mit Trainer Jupp Heynckes fort. Aber dennoch maulen Kritiker, dass es manchmal noch zu viel Leerlauf im Bayern-Spiel gebe. Allen voran der sportliche Leiter Matthias Sammer, aber er soll offenbar hauptsächlich verhindern, dass die Stimmung zu gut wird.
In der Tat tun sich die Münchener besonders in der ersten Halbzeit manchmal ein wenig schwer. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, zumal Guardiola einiges umstellte.
37 Spiele sind die Münchener in der Bundesliga unbesiegt. Zuletzt waren sie im Champions League-Finale gegen den eingespielten BVB am Rande einer Niederlage.
Vielleicht haben die Bayern derzeit die stärkste Mannschaft aller Zeiten. Es ist eine gute Mischung aus Eigengewächsen wie Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller und teuer zugekauften Akteuren wie Franck Ribery, Arjen Robben, Jerome Boateng oder Manuel Neuer. Dabei spielen die Neuen wie Mario Götze und der von Barca gekommene Thiago Alcantara derzeit nur eine Nebenrolle.

Was wäre wenn?
Tja, was wäre wenn gewesen, wenn nicht ein Spieler des TSV 1860 München den damals 13jährigen Franz Beckenbauer vom SC 1906 München geohrfeigt hätte. Denn eigentlich wollte Beckenbauer zu den Sechzigern wechseln, der FC Bayern galt als Abiturienten-Verein aus dem Boheme-Viertel Schwabing. Auch heute kaum vorstellbar, dass der TSV 1860 München zu diesem Zeitpunkt der Top-Klub in München war und selbstverständlich den Platz in der Bundesliga erhielt. Die Bayern hingegen mussten noch zwei Jahre in der Regionalliga nachsitzen. Erst 1965 stiegen sie in die Bundesliga auf.
Was wäre also, wenn das Ausnahmetalent Beckenbauer bei 60 gelandet wäre? Ob er die gleiche Karriere gemacht hätte? Wären die Löwen jetzt Rekordmeister? So wechselte Beckenbauer zum FC Bayern, traf dort weitere zukünftige Weltklassespieler wie Sepp Maier und Gerd Müller, dazu kamen zuverlässige Wasserträger wie etwa Franz „Bulle“ Roth, Rainer Zobel und Georg „Katsche“ Schwarzenbeck und fähige Trainer wie Tschik Cajkovski und Branko Zebec. Später rückten noch Uli Hoeneß und Paul Breitner ins Team.
1969 holte der Verein den ersten Meistertitel in der Bundesliga (insgesamt die zweite Meisterschaft nach 1932) und spätestens ab diesem Zeitpunkt war eigentlich jedes Jahr ein Titel Pflicht. Das schafften die Bayern auch sehr häufig, wurden zum
Deutschen Rekordmeister
und holten auch internationale Titel. Eigentlich musste jede Trainer mit dem Spielermaterial mindestens Meister werden – ansonsten brannte der Baum. Der FC Hollywood ließ grüßen.
Dennoch hat der Verein eigentlich jeden Gegner in der Bundesliga wirtschaftlich und sportlich abgehängt. Ob Gladbach, Schalke, der HSV, Bremen, Dortmund oder Leverkusen – sie alle kratzten mal am Thron, doch dauerhaft hielt sich nur der FC Bayern oben. Derzeit halten nur Borussia Dortmund und mit Abstrichen Bayer Leverkusen stand, doch am Samstag braucht das Klopp-Team ein kleines Fußballwunder.

Die Bilanz des BVB gegen Bayern München



Kleiner Literatur-Tipp zum FC Bayern: Gute Freunde von Thomas Hüetlin ist eine spannende Biografie über den Klub, beginnt in den sechziger Jahre und schildert gerade die ersten Jahre sehr detailiert. Zum Ende wird die Geschichte aber etwas schwächer, dennoch auch für Bayern-Gegner eine interessante Lektüre.
In der Serie "Rivalen des BVB" wird immer der Verein portraitiert, der am nächsten Spieltag in Dortmund gastiert. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich.



Dienstag, 5. November 2013
Die Wiederbelebung des FC Arsenal
Der FC Arsenal aus London, am Mittwoch Gegner von Borussia Dortmund in der Champions League, steht nicht nur alphabetisch an der Spitze der englischen Profiklubs. Es ist auch der erste Verein aus dem Mutterland des Fußballs, an den ich mich erinnere. Anfang der siebziger Jahre muss es gewesen sein, die ARD-Sportschau zeigte Ausschnitte von Arsenal gegen Chelsea (glaube ich zumindest) und ich wunderte mich als Kind, dass die Torhüter kurze weißen Hosen trugen und nicht wie in Deutschland in schwarzen Hosen spielten.
1999 bin ich dann mal bei einem London-Besuch mit der U-Bahn zum Highbury Park, der damaligen Spielstätte des Vereins, gefahren. Hier in Deutschland kennen wir diese Stadien nicht: mitten in einem Wohnblock, nur dass in diesem Falle kein Spielplatz im Innenhof liegt, sondern ein komplettes Fußballstadien. Also quasi ein Spielplatz für die großen Jungs. Faszinierend, dachte ich.
Die Gegend um das Stadion sah nach unterer Mittelklasse aus. Die Preise für die Tickets waren jedoch Oberklasse und selbst im teueren England ganz vorne. Aber offensichtlich egal, das schmucke Stadion war so und so immer ausverkauft. Die Engländer haben eben eine ganz andere Einstellung zu Eintrittspreisen, auch auf Rennbahnen wird man mal schnell 40 Pfund Eintritt für einen ganz normalen Renntag los.



Hier geht es nicht in die Londoner Niederlassung von Eisen Karl. Hinter diesen Toren lag das Highbury Stadion des FC Arsenal.
Bildnachweis: Vicky Ayech/Wikipedia Commons


Aktuelle Lage
Was so ein wenig sportlicher Erfolg doch alles ausmacht. Im Sommer war die Stimmung bei Arsenal im Keller: Der letzte Titel schon ein paar Jährchen entfernt, die Zuschauer pfiffen regelmäßig nach den matten Vorstellungen, die Rivalen Manchester United, Manchester City und Chelsea meilenweit weg in der Premiere League und selbst der alte Nordlondoner Lokalrivale Tottenham war fast auf Augenhöhe. Da war es nicht verwunderlich, dass auch Kritik an Manager Arsene Wenger (seit 1996 bei den Gunners) auftauchte und der charismatische Franzose nicht mehr der große Mann war, der den Klub zu einer neuen Ära des Erfolges geführt hatte.
Und jetzt Anfang November 2013 sieht das Bild ganz anders aus. Arsenal führt nach zehn Spieltagen die Premier League an, hat erst einmal verloren und überzeugt durch höchst attraktiven Fußball. „Ein Schuss Genuss“, titelte der Kicker in seiner Printausgabe am Montag nach dem 2:0 im Topspiel gegen Liverpool. „Da lief der Ball in den eigenen Reihen im höchsten Tempo, als ob die Kugel und die Akteure an der Playstation gesteuert würden“, heißt es im Text. „Genugtuung in der Besenkammer“, lautete die Überschrift in der Süddeutschen Zeitung und es geht hier nicht um die amorösen Abenteuer eines ehemaligen Tennisspielers, sondern darum, dass die Pressekonferenzen des FC Arsenal in einem besenkammerähnlichen Raum stattfinden. „Am Samstag aber strahlte die Zufriedenheit geradezu aus dem Franzosen, und zum ersten Mal seit dem Umzug ins neue Stadion vor gut sieben Jahren lag ein Hauch von Meisterschaftsgefühl in der Besenkammer“, schrieb Raphael Honigstein über Wenger und den Verein.
Es nicht nur der kluge Transfer des großartigen Mesut Özil, der die Gunners nach vorne brachte. Andere Leute haben sich ungemein gesteigert und selbst Tomas Rosicky glänzt fast wie in alten glorreichen Dortmunder Tagen. Und bekanntlich wird Deutsch bei Arsenal gesprochen: Özil, Mertesacker, Podolski oder die Nachwuchskräfte Gnabry und Eisfeld, der im übrigen aus der BVB-Jugend kommt.

Historie
Große Manager prägten schon immer die Arsenal-Geschichte. Herbert Chapman zum Beispiel – Chapman kam 1925 aus Huddersfield, erfand unter anderem das WM-System und war der Mann, der den Klub Anfang der 30er Jahre zum erfolgreichsten in England machte. Im Gegensatz zu den Managern der damaligen Zeit, die ihre Aufgabe eher im administrativen Bereich sahen, interessierte sich Chapman auch für Taktik, Transfers und Mannschaftsaufstellung. Auch andere Dinge verdankt ihm Arsenal: Zum Beispiel die weißen Ärmel, die den Kontrast zum roten Trikot bildeten und damit die Spieler leichter identifizierbar machten. Chapman verfolgte zudem intensiv den europäischen Fußball.
Erfolge feierte Arsenal zudem unter George Graham. Der Schotte, der selber für Arsenal gespielt hatte, setzte auf Disziplin und baute Leute wie Tony Adams, David Seaman, Nigel Winterburn, Paul Merson oder später Ian Wright ins Team ein. Der Stil war nüchtern und erfolgsorientiert, das böse Wort von „Boring Arsenal“ machte die Runde, aber was kümmert es die stolze Eiche, wenn… George Graham holte Titel.
Und dann kam im November 1996 die French Revolution in Form von Arsene Wenger – und kein Stein blieb auf dem anderen. Die Zeiten waren vorbei, in denen nach dem Morgentraining Tony Adams und Co. den Rest des Tages im Pub bei Bier und Burgern verbrachten. Es dauerte etwas, bis die Geschichte lief. Doch 1998 holte Wenger das Double Meisterschaft und FA-Cup nach eher schwachem Saisonstart und spätestens danach liebten alle den freundlichen Mann aus dem Elsass.
Er hatte aber auch eine aufregende Mannschaft, die einen sehr attraktiven Fußball spielte: Dennis Bergkamp, Patrick Vieira, Marc Overmars oder natürlich Thierry Henry waren nur einige Namen. Die Duelle mit Manchester United zählten zu den Höhepunkten des europäischen Fußballs. Doch der letzte Meistertitel war 2004, der letzte FA-Cup-Erfolg 2005. Andere Clubs wie Chelsea oder Manchester City zogen an den Gunners vorbei. Dafür ist diese Saison wieder gut – bis auf das 1:2 gegen den BVB im Emirates Stadium, dem Nachfolger von Highbury Park.

Arsenal bei wikipedia

In der Serie "Rivalen des BVB" wird immer der Verein portraitiert, der am nächsten Spieltag in Dortmund gastiert. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich.



Mittwoch, 30. Oktober 2013
Ein Alptraum namens Fritz Walter
Am Freitag gastiert der VfB Stuttgart bei Borussia Dortmund. Das hatten wir doch schon mal, auch am Freitag unter Flutlicht. Erinnerungen werden wach an einen Freitag im März 2012, an ein großartiges Fußballspiel zwischen beiden Klubs. „März-Wahnsinn im Signal Iduna-Park“, titelte diese Kolumne nach dem 4:4 zwischen BVB und VfB. „Das war ganz großer Fußball und wenn ich einem Unbeteiligten die Faszination der Sportart erklären müsste, dann würde ich ihm dieses Spiel zeigen“, hieß es auf diesen Seiten.

Der BVB führte 2:0, spielte großartig. Doch Stuttgart gab sich nie geschlagen, suchte immer wieder die Offensive und schoss von der 70. bis zur 80. Minute drei Tore. Das Publikum trieb Borussia nach vorne wie noch nie erlebt, bis zur Nachspielzeit hieß es 4:3, ehe der VfB noch egalisierte. Natürlich hatte Dortmund die besseren Chancen, doch die Stuttgarter verdienten sich das Remis durch ihr mutiges Auftreten.
Zweimal traf Julian Schieber für die Gäste. Heute spielt er beim BVB, so eine Sternstunde hatte er im gelb-schwarzen Dress aber noch nie.
Die Heimbilanz gegen die Schwaben ist aus Dortmunder Sicht in den letzten Jahren nicht besonders gut. Da denke ich gerne an zwei großartige Spiele aus den neunziger Jahren zurück, die 5:0 und 6:3 für die Borussia endeten. Thomas Schneider, der heute Trainer der Stuttgarter, wirkte in beiden Spielen als Spieler mit.



Die Hymne des VfB mag ja nicht unbedingt den aktuellen Musikgeschmack treffen, aber vorher gibt es erhellende Worte des Abwehrspielers Klaus-Dieter Sieloff. Optisch erfüllt dieses Video so und so die höchsten Ansprüche

Aktuelles
Der Start in die Saison ging für den VfB daneben: Drei Niederlagen in der Bundesliga folgte das Aus in der Euro League-Qualifikation gegen den slowenischen Außenseiter NK Rijeka. Und was macht ein Profi-Klub in so einer Situation nach den Regeln der Branche? Richtig, er entlässt den Trainer und genau dieses machten die Stuttgarter. Bruno Labbadia – eh’ umstritten – durfte nach den drei Niederlagen gehen, Thomas Schneider übernahm den Posten. Der Neue ist ein Mann aus den eigenen Reihen, trainierte zuletzt die B-Junioren des VfB.
Unter Schneider siegten die Stuttgarter dreimal und spielten vier Mal unentschieden. Nur im Pokal in Freibug gab es eine Niederlage. Schneider vertraut dem Rumänen Alexandru Maxim, der im 4-4-2 des VfB hinter Stürmer Vedad Ibisevic agiert, und Maxim dankt das Vertrauen mit sehr guten Leistungen. Zudem verhalf er dem dänischen Nationalspieler William Kvist zum Comeback im defensiven Mittelfeld. Dazu zählt der erst 17jährige Stürmer Timo Werner jetzt fest zum Profikader.
Keine große Rolle spielen derzeit die Neuverpflichtungen Konstantin Rausch und Mohammed Abdellaoue (beide von Hannover 96) sowie auch der vom BVB gekommene Moritz Leitner.

Historisches
Eigentlich hätte der VfB mehr aus seinen Möglichkeiten machen müssen. Aber es fehlte lange Zeit immer ein sportlich starker und kompetenter Mann im Verein, der die oft ein wenig ahnungslose Führung auf die richtige Bahn führte.
Dabei sind die Voraussetzungen für sportlichen Erfolg in der Schwaben-Metropole hervorragend: Die „Roten“ kommen aus einer der wirtschaftlich stärksten Regionen Deutschlands mit vielen hocherfolgreichen Unternehmen. Zudem hat der Verein die vielleicht beste Nachwuchsarbeit in der Liga, immer wieder drängen hochtalentierte Spieler in den Profikader.
Dennoch spielt der Klub höchstens um die Europa League denn die Champions League. Auch nach Meisterschaften konnte sich Stuttgart nicht an der Spitze festsetzen. So war es zumindest nach den letzten drei Titeln 1984, 1992 und 2007.
Die Gründe für den Absturz im Jahr danach sind vielfältig. Aber es mag auch daran liegen, dass der VfB immer ein „Überraschungsmeister“ war, der von den Schwächen anderer profitierte. Auch die Verantwortlichen traf der Erfolg reichlich unvorbereitet.
Aus Dortmunder Sicht tut natürlich der Titelgewinn 1992 weh, als sich BVB, VfB und Eintracht Frankfurt ein Dreier-Rennen lieferten und die Meisterschaft erst am letzten Spieltag entschieden wurden. Das Tor von Guido Buchwald in Leverkusen traf die Schwarz-Gelben in der Seele, zumal Stuttgart auch den wenig attraktivsten Fußball aller Titel-Aspiranten spielte. Sie hatten aber mit Fritz Walter einen Stürmer, der immer gegen die Borussia traf und von dem ich zeitweise schlecht träumte.
Meine Lieblingsanekdote über den VfB stammt jedoch aus dem Jahr 2005: Damals entließ der Klub Trainer Matthias Sammer wegen seiner unattraktiven Spielweise. Nachvollziehbar, wer an die letzten Trainerjahre Sammers in Dortmund denkt. Als Nachfolger holten die Verantwortlichen aber ausgerechnet Giovanni Trapattoni. Natürlich ein hocherfolgreicher Trainer, aber auch einer der größten Philosophen des Defensivfußballs. Das zum Thema sportliche Kompetenz der VfB-Führung.

Das Letzte
Ein Teil der Stuttgarter Fans wird den Anpfiff im schönsten deutschen Stadion schon etwas angeheitert erleben. Voraussetzung: Sie reisen mit dem Partyzug aus dem Schwabenland an.

Die Bilanz Dortmund – VfB Stuttgart

Fokus-Fußball

In der Serie "Rivalen des BVB" wird immer der Verein portraitiert, der am nächsten Spieltag in Dortmund gastiert. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich.



Donnerstag, 17. Oktober 2013
96 mag den Donnerstag
Es gab Tage, da habe ich nach den Gastspielen von Hannover 96 das Dortmunder Westfalenstadion äußerst schlecht gelaunt verlassen. In düsterer Erinnerung ist mir beispielsweise ein DFB-Pokalspiel aus dem Oktober 2006 geblieben. Ich arbeitete damals in Nürnberg und befand mich gerade auf Heimaturlaub in Dortmund. Natürlich wollte ich den BVB sehen – nur war ich das Dortmunder Elend in dieser Saison nicht gewohnt. Borussia haute fast jeden Ball hoch nach vorne, dort stand jedoch nicht mehr der lange Jan Koller, sondern Nelson Valdez mit seinen knapp 1,80 Meter. Der hüpfte zwar wie ein Flummi, aber Hannovers körperlich überlegene Innenverteidigung hatte selten Probleme. 0:1 verlor Dortmund vor sage und schreibe 29 000 Zuschauern und Torwart Roman Weidenfeller flog zu allem Überfluss noch vom Platz.
Das ist aber schon einige Zeit her. In den letzten Jahren siegte der BVB ziemlich eindeutig gegen die Niedersachsen. In Hannover sah die Sache anders aus, das waren immer sehr enge Spiele.
Hannover 96 hat sich schon sehr positiv entwickelt. Inzwischen verkörpert der Klub gehobenes Mittelmaß, schaffte in den letzten drei Jahren zweimal den Sprung in die Europa League. Besonders die 60 Punkte aus der Saison 2010/2011 waren eine hervorragende Bilanz. Das lag auch an den cleveren Einkäufen des Ex-Managers Jörg Schmadtke. Dessen Verhältnis zu Trainer Mirko Slomka war zwar wie das von Hund und Katze, sportlich aber hatten sie Erfolg. Zuletzt verpassten die Niedersachsen aber die Europa League. Da möchte der Klub jetzt wieder hin.

Aktuelle Lage
Zuhause gut, auswärts schwach – so kann man den bisherigen Saisonverlauf von Hannover 96 bezeichnen. Vier Heimsiegen und einem Remis stehen drei Niederlagen in der Fremde gegenüber.
„Gar nicht erst antreten. Mit 3:0 abgeben das Spiel und unsere Spieler/Stürmer für wichtigere Aufgaben schonen“, empfiehlt für das Match in Dortmund folgerichtig User JFK 80 im Forum des 96-Fanmagazins. Der Blick auf die bisherigen Auswärtsgegner relativiert dann aber ein wenig den Begriff Auswärtsschwäche. Denn 96 verlor in München, Leverkusen und Gladbach.
Immerhin hat sich die personelle Lage ein wenig gebessert: Torjäger Mame Diouf könnte in Dortmund wieder zum Einsatz kommmen, auch Ex-Nationalspieler Schlaudraff und Innenverteidiger Salif Sane, Neuzugang vom AS Nancy, könnten wieder auf der Bank rücken.
Drei Spieler verdienen in meine Augen besondere Beachtung: Leonardo Bittencourt wechselte vor zwei Jahren mit großen Hoffnungen von Energie Cotttbus zu Borussia Dortmund, doch beim Meister 2011 und 2012 hatte der hochtalentierte Mittelfeldspieler keine Möglichkeiten. Daher verkaufte der BVB in für 2,8 Millionen Euro nach Hannover. Dort hofft der 19jährige auf mehr Spielpraxis. Bislang zeigte er auch ganz gute Ansätze.
Dann ist da Leon Andreasen, der sich nach mehreren schweren Verletzungen wieder ins Team kämpfte und dessen Kampfeswillen ich bewundere. Verletzungen prägten auch die Laufbahn von Christian Pander. Eigentlich müsste der Außenspieler mehr als nur zwei Länderspiele absolviert haben, doch war er in seiner Karriere mehr mit Klinik und Reha als Fußballspielen beschäftigt. Auch derzeit kämpft er mal wieder um den Anschluss.

Geschichte
Eines hat Hannover 96 Borussia Dortmund voraus: Der Verein war (mit seiner zweiten Mannschaft) dreimal Deutscher Amateurmeister (1960, 1964 und 1965). Immerhin war Hannover 96 auch zweimal „richtiger“ Deutscher Meister (1938 und 1954). Aber das war weit vor meiner Geburt und seitdem ich Fußball geistig verarbeite (immerhin seit Anfang der siebziger Jahre), spielte Hannover 96 nie eine große Rolle. Mal kickte der Klub in der ersten Liga, dann ging es in Liga 2 und dann landete der stolze Klub aus der Landeshauptstadt sogar in den Tiefen der drittklassigen Regionalliga. Sportliche und finanzielle Krisen waren ein ständiger Begleiter.



Der Tod von Torhüter Robert Enke schockte nicht nur Verein
und Fans von Hannover 96.
Bildnachweis: AxelHH via Wikipedia Commons


Für mich war der Klub immer das Beispiel eines Vereins mit großem Namen und erwartungsfrohem Umfeld, aber wenig sportlicher Kompetenz. Parallelen zu Hertha BSC Berlin waren durchaus da – großer Name, Landeshauptstadt bzw. Hauptstadt, aber eine völlig inkompetente Führung, die ihre Hilflosigkeit schon durch ständig wechselnde Übungsleiter bewies.
Auch der Pokalsieg 1992 als Zweitligist bedeutete keine Wende zum Guten. Im Gegenteil – es ging wieder runter in die Regionalliga. Das nächste Mal rückte Hannover 96 in das Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit, als es in Relegationsspielen zur 2. Liga gegen Energie Cottbus ging. Bescheuerte Zuschauer im Cottbusser Stadion der Freundschaft begleiteten jeden Ballkontakt von Otto Addo (dem späteren Dortmunder) und Gerald Asamoah (dem späteren Anti-Dortmunder) mit rassistischen Affengeräuschen.
2002 schaffte der Klub mit Trainer Ralf Rangnick den Wiederaufstieg in die deutsche Eliteklasse und seitdem hält sich Hannover 96 in dieser Liga. Richtig kritisch wurde es eigentlich in Sachen Klassenerhalt nur in der Saison 2090/2010, als der Selbstmord von Nationaltorhüter Robert Enke Mannschaft und Verein völlig verunsicherten.
Mit Trainer Mirko Slomka und dem damaligen Manager Jörg Schmadtke ging es wieder aufwärts bis in die Europa League. Und da möchte 96 auch wieder hin – die Spiele aus 2011/2012 sind unvergessen. Da scheiterten die Niedersachsen erst im Viertelfinale am späteren Sieger Atletico Madrid.

Das Letzte
Das Stadion ist (korrekt ist war) benannt nach einem sehr umstrittenen Strukturvertrieb für Versicherungen und Geldanlagen. Dessen Gründer Carsten Maschmeyer stammt bekanntlich aus Hannover. (auch nicht wahr, Maschmeyer wurde in Bremen geboren).

Die Bilanz der beiden Vereine in der Bundesliga

Ein Interview mit BVB-Stadionsprecher Norbert Dickel auf der 96-Homepage

In der Serie "Rivalen des BVB" wird immer der Verein portraitiert, der am nächsten Spieltag in Dortmund gastiert. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich.



Montag, 30. September 2013
Nur Zidane spielte nie für OM
Es war ein schlichtweg „gebrauchter Tag“ – zumindest für alle, deren Herz Borussia Dortmund gehört. Am 28. September 2011 unterlag der BVB 0:3 in der Champions League bei Olympique Marseille. Das Ganze fiel dabei unter die Rubrik Lehrstunde.
Jetzt, zwei Jahre und ein paar Tage danach, kommt es zur Revanche. Die letzten Heimspiele des BVB in der Bundesliga waren grandiose Offensivspektakel gegen den Hamburger SV und den SC Freiburg. Aber Marseille ist doch deutlich stärker.
In Marseille im September 2011 stürmte die Borussia und vergab die besten Chancen, die cleveren Franzosen machten aber die Tore. Der kicker schrieb von „teuren Geschenken“, diese Kolumne berichtete von Dortmunder „Slapstick-Einlagen“. Beim 0:1 durch André Ayew rutschte Dortmunds Neven Subotic vorher aus, vor dem 0:2 köpfte Subotics Innenverteidiger-Kollege Mats Hummels den Ball maßgerecht in den Lauf von Remy, so dass dieser problemlos einnetzen konnte. Das 0:3 durch einen Foulelfmeter war nur noch statistisches Beiwerk.
Die Niederlage in Südfrankreich passte ins Bild: Vor zwei Jahren endete der Auftritt von Borussia Dortmund in der europäischen Königsklasse auf dem letzten Platz in der Gruppenphase. Es gab u.a weitere bittere 90 Minuten in Piräus und auch das Rückspiel im heimischen Stadion vergeigte der BVB gegen OM. Diese Spiele waren die einzigen bislang zwischen den beiden Rivalen – Borussia hat also noch etwas gut zu machen.
Die Franzosen schafften es 2011/2012 immerhin ins Viertelfinale, scheiterten dort aber am FC Bayern München. In der Liga belegte der Klub hingegen einen enttäuschenden 10. Platz.

OM aktuell
Der Start in die neue Saison verlief für Marseille erfolgreich: Nach acht Spieltagen liegt der Klub mit 17 Punkten hinter Monaco und Paris St. Germain (beide 18) auf Platz 3 der französischen Ligue 1. Zuletzt gab es ein 2:0 beim FC Lorient, allerdings schwächelte dort laut kicker die Hintermannschaft etwas. In der Champions League verpatzte OM den Auftakt mit 0:1 gegen Arsenal, steht nach dieser Heimniederlage auch schon etwas unter Zugzwang.
Von der Mannschaft, die vor zwei Jahren den BVB besiegte, sind noch Torhüter Mandanda sowie die Feldspieler Diawara, Nkolou, Morel, Valbuena sowie André und Jordan Ayew, die beiden Söhne des großen Abedi Pele, im Kader. Damalige Schlüsselspieler wie Lucho Gonzales, Remy oder Diarra haben den Klub verlassen.
Denn auch Olympiue muss sparen. Die Zeiten, in denen der Klub vom Mittelmeer den Geldprotz spielen konnte, sind vorbei. Immerhin gab es zuletzt Platz 2 in der Liga. Und diese Platzierung unter Trainer Elie Baup machte Verantwortliche und Fans glücklich – trotz zweier Niederlagen gegen Erzrivale Paris St. Germain und „unattraktiver Spielweise“ (kicker-Sonderheft Champions League).

Ein paar historische Fakten
Die französische Ligue 1 fristet in Deutschland nur ein Schattendasein, andere Ligen wie England, Spanien oder Italien interessieren eher. Olympique Marseille ist aber vielleicht der bekannteste französische Klub in Deutschland. Was auch an der Tatsache liegt, dass der Klub schon reichlich schillernde Schlagzeilen geliefert hat. OM hat eben ein sehr begeisterungsfähiges Publikum und Umfeld. Dieses neigt aber auch schnell zu Unruhe und Panik, wenn es einmal nicht so läuft. Und daher möchte man den Erfolg manchmal mit nicht so legalen Mitteln erreichen.
Zwei saftige Skandale prägen die lange Geschichte. Neun offizielle Meistertitel weist die Bilanz auf, aber eigentlich war der Klub zehn Mal französischer Champion. 1993 wurde ihnen der Titel aber wegen Bestechung aberkannt.
Dabei war das eine der erfolgreichsten Perioden der Historie: Mitte der achtziger Jahre hatte der Unternehmer Bernard Tapie das Präsidenten-Amt des damals arg kriselnden Vereins übernommen. Selfmade-Mann Tapie investierte kräftig in Spieler und lockte unter anderem die deutschen Alt-Internationalen Karlheinz Förster, Klaus Allofs und Rudi Völler ans Mittelmeer. Auch Franz Beckenbauer arbeitete eine Zeit als sportlicher Leiter für seinen Freund Tapie.



Toller Blick auf das Stade Velodrome in Marseille. Im Hintergrund sieht man eine der berüchtigten französischen Hochhaussiedlungen. Wuchs dort Zinedine Zidane auf?
Bild: Gequilacagouille/Wikipedia Commons


Vier Meistertitel in Folge waren das Ergebnis, Marseille liebte seine Helden in kurzen Hosen. Zudem sorgte die Mannschaft auch international für Aufsehen. 1991 erreichte OM das Finale gegen Roter Stern Belgrad im Europapokal der Landesmeister (für die jüngeren: so heiß die Champions League einst) und verlor nach Elfmeterschießen. Zwei Jahre später machten sie es im gleichen Wettbewerb besser und besiegten den AC Mailand in München 1:0. Mit dabei unter anderem Barthez, Desailly, Abedi Pele, Deschamps und Völler. Doch dann gab es die Affäre OM-VA, der Meistertitel wurde aberkannt und OM musste in Liga 2. Der Klub stand vor dem Ruin.
Doch Olympique erholte sich und schaffte wieder den Sprung an die nationale Spitze. Bis der nächste Skandal folgte: Es ging um illegale Transaktionen in Zusammenhang mit der Verpflichtung neuer Spieler, hinterzogene Sozialabgaben und ähnliches aus den Jahren ab 1997. Mehrere Vereinsfunktionäre wurden verurteilt.
Aber auch dieses Beben überstand Olympique Marseille. Angeblich ist der Klub der Beliebteste in Frankreich, aber solche Umfragen erscheinen mir immer ein wenig zweifelhaft. Fakt hingegen ist, dass Zinedine Zidane, zweifellos der größte fußballerische Sohn der Stadt, zwar in Marseille geboren wurde und aufwuchs, aber nie für seinen Heimatklub spíelte. Die Späher des AS Cannes waren hier etwas schneller.

Eine ausführliche Geschichte über die Zeit des Bernard Tapie bei OM gibt es bei 11 Freunde



Donnerstag, 26. September 2013
Die Netten aus dem Breisgau
Wenn es einen „familien-freundlichen“ Gegner von Borussia Dortmund gibt, dann ist das der SC Freiburg. Zum einen unterstützt die Hardcore-Fangemeinde nur ihren Klub und ist nicht auf Krawall gebürstet, zudem kommen viele Freiburger Fans nach Dortmund, die nicht bei jedem Auswärtsspiel dabei sind und sich den Besuch des Westfalenstadions quasi als jährlichen Höhepunkt des Fanlebens gönnen. Das sorgt für eine entspannte Atmosphäre, zumal die Freiburger auch von Dortmunder Seite viele Sympathien erhalten.
Sportlich ist das Duell jedoch eine eindeutige Sache: Nur einmal konnte der SC in 15 Versuchen in Dortmund gewinnen. Das ist auch schon wieder 15 Jahren her. Aber es war auch oft ein Match zwischen „Goliath“ Dortmund und „David“ Freiburg.
Dabei imponierten die Gäste häufig durch hervorragenden Fußball. In der letzten Saison dominierte der kleine SC bis zur 41. Minute in Dortmund, wirkte ballsicher und taktisch ungemein reif. Doch dann drehte der BVB innerhalb von vier Minuten mit drei Toren die Begegnung; am Ende verlor Freiburg mit 1:5.

Aktuelle Lage
Dennoch war es eine grandiose Spielzeit 2012/2013 für den SC Freiburg. Die großartigen 40 Minuten in Dortmund waren kein Einzelfall. Am Ende schaffte der SC Platz 5 und den Sprung in die Europa League, dazu schied der Klub erst im Halbfinale des DFB-Pokals aus.
Nur leider wurden so die Spieler auch interessant für die finanzkräftigeren Kontrahenten – und Geld hat in der Bundesliga fast jeder mehr als die Freiburger, die einen der kleinsten Etats der Liga haben. Die Leistungsträger Caligiuri, Flum, Kruse, Makiadi und Rosenthal verließen den Verein.
Die Neuen sind bis auf Mike Hanke in der Bundesliga kaum bekannt; es sind häufig junge Spielern aus der Reserve großer Klubs wie Coquelin (Arsenal) oder Mehmedi (Dynamo Kiew). Das heißt mal wieder Neuaufbau für Trainer Christian Streich. Die Situation ist nicht einfach – entsprechend holprig war auch der Start. Drei Unentschieden sind die Ausbeute. Dabei zeigte der SC durchaus gute Ansätze und trotzte immerhin dem FC Bayern ein Unentschieden ab. Aber dennoch muss noch vieles zusammenwachsen. „Ich weiß nicht, ob es funktioniert und wir alles gleich hinkriegen. Schließlich geht es nicht nur um ein oder zwei Abgänge“, sagte Christian Streich schon vor der Saison im kicker-Sonderheft.

Historie
Die wunderschöne Stadt Freiburg zählte nie zu den Fußball-Hochburgen. Früher war der Lokalrivale FC die Nummer Eins in der Stadt, den Sprung in die Bundesliga schaffte er aber nie. 1978 stieg der SC in die Zweite Liga auf und während der FC in die sportliche Bedeutungslosigkeit fiel, hielt sich der SC in Deutschlands zweiter Spielklasse, ohne dass er groß sportlich auftrumpfte. Das alles änderte sich, als 1991 mit Volker Finke ein junger Trainer aus Hannover die Bühne betrat.
Schon im ersten Finke-Jahr imponierte das Team; 1993 folgte der Aufstieg in die Bundesliga. Mit einer unglaublichen Serie von drei Erfolgen zum Schluss rettete sich der SC in letzter Minute. Schnell erwarb sich der Klub eine Menge Sympathien, weil er Fußball „spielte“ und sich die Punkte nicht durch destruktives Spiel ermauerte.
Zudem gab es in der Mannschaft ein paar Spieler, die unfallfrei ein paar kluge Sätze zusammenbekamen und auch noch studierten. Schnell machte der Spruch von der intellektuellen Alternativ-Truppe die Runde, zumal ihr Trainer auch noch ein ehemaliger Lehrer war, der seine Zigaretten selber drehte.



Einer der größten Siege des SC Freiburg: Mit 3:1 besiegten sie in der Spielzeit 1993/1994 den FC Bayern München. Das Spiel seines Lebens machte Stürmer Uwe Wassmer, der alle drei Tore erzielte.

Volker Finke und der SC Freiburg sind ein weiteres Beispiel, was mit persönlicher Kontinuität zu schaffen ist. Der Coach hatte das sportliche Sagen, sein Präsident, der 2009 verstorbene Achim Stocker, hielt sich wohltuend bescheiden aus der Öffentlichkeit heraus. Finke dankte dieses Vertrauen, in dem er den Verein mit geringen finanziellen Mitteln sportlich in Deutschlands Elite etablierte.
Der SC war immer ein Verkaufsklub ist, dessen beste Akteure zu finanzstärkeren Kontrahenten wechselten. Dennoch änderten selbst Abstiege aus der ersten Liga das Freiburger Konzept nicht. Volker Finke blieb sportlich verantwortlich; insgesamt 16 Jahre hatte der Niedersachse das sportliche Sagen. Zweimal schaffte Freiburg in der Ära den Sprung ins internationale Geschäft, zudem waren sie einer der ersten Klubs in Deutschland, die in eine eigene Nachwuchsschule investierten.
Auch danach setzte der Klub seine Philosophie fort. Robin Dutt blieb vier Jahre sportlich verantwortlich. Nur bei seinem Nachfolger Markus Sorg zog der SC die sportliche Notbremse und entließ diesen, als die Mannschaft im Winter 2011 auf Platz 18 in der ersten Liga stand. Christian Streich, sein Nachfolger, kannte den Verein als Jugendtrainer natürlich gut. Er schaffte die Wende, baute zudem immer wieder junge Talente in das Team ein. Und im letzten Jahr spielte Freiburg bekanntlich eine grandiose Saison.
Streich traf offenbar den richtigen Ton; sein Team präsentierte sich als taktisch und technisch hervorragende Einheit. Das Einzige, was nervt, ist das Alternativ-Image, das manche Medien dem uneitlen Streich anheften. Nur weil jemand die rund 900 Meter (nach Angaben des kicker) vom Wohnort zum Arbeitsplatz nicht mit dem dicken Auto, sondern dem Fahrrad fährt.

Die Bilanz Borussia Dortmund – SC Freiburg
Fokus Fußball
11 Freunde-Presseschau



Donnerstag, 12. September 2013
Der strauchelnde Dino aus Hamburg
Es ist fast schon ein Klassiker des deutschen Fußballs: Am Samstag erwartet Borussia Dortmund den Hamburger SV, den „Dino“ der Fußball-Bundesliga. Zwischen den beiden Kontrahenten gab es unzählige packende Duelle, an die mich gerne erinnere. Zeitweise existierte zwischen den Klubs sogar eine Art Fanfreundschaft, aber das ist längst vorbei.
Und nachdem der HSV in den Jahren zuvor immer ein dankbarer Gegner in Dortmund war und vom BVB regelrecht an die Wand gespielt wurde, sah es in der Vorsaison anders aus: 4:1 triumphierten die Hanseaten im Westfalenstadion und boten dabei gegen (zugegeben) schlappe Dortmunder eine Leistung, die ich ihnen nie zugetraut hatte. Denn zu schwach präsentierten sich die Hamburger in der Liga, zeitweise spielten sie wie ein Abstiegskandidat. Heung-Min Son hieß der überragende Mann des Tages, traf zweimal und wirbelte die Dortmunder Abwehr durcheinander.
Es war ein positiver Ausrutscher des HSV, denn schon bald befand sich das Team von Trainer Thorsten Fink wieder in den Negativ-Schlagzeilen. „Höhepunkt“ war das 2:9 in München, wo sich die Hamburger ohne große Gegenwehr abschießen ließen. Son spielt inzwischen auch nicht mehr in Hamburg, er wechselte zu Bayer 04 Leverkusen. Und der Ur-Dortmunder Thorsten Fink steht beim HSV unter Dauerbeschuss.

Aktuelle Lage
Vier Punkte aus vier Spielen sind nicht unbedingt das, was man sich in Hamburg unter einem gelungenen Saisonstart vorstellt. Besonders nach dem desolaten 1:5 gegen Hoffenheim brannte mal wieder der Busch. „Taktisches Versagen“ attestierten die Kritiker Trainer Fink. Besonders die Abwehr wirkte ziemlich desolat.
Beim folgenden 0:1 bei Hertha BSC präsentierte sich zumindest die Defensive stabiler. Der 4:0-Heimsieg gegen schwache Braunschweiger sorgte wenigstens für etwas Ruhe im hektischen Umfeld.
Dennoch bleibt der HSV 2013 ein fragiles Gebilde: Zu sehr hängt das Offensivspiel von Rafael van der Vaart ab, auf den so wichtigen Sechser-Positionen sind die Hamburger eher schwach besetzt. Im Angriff hat der HSV mit Pierre-Michel Lasogga von Hertha einen neuen talentierten Angreifer verpflichtet, der jedoch in Berlin nicht zum Zuge kam. Zudem hofft Thorsten Fink, dass Maximilian Beister eine ähnlich positive Entwicklung wie im letzten Jahr Son durchläuft. Eine Investition für die Zukunft ist definitiv Mittelfeldspieler Hakan Calhanoglu, 19 Jahre alt und im letzten Jahr beim Karlsruher SC in Liga 3 herausragend.



Ein Tor für die Ewigkeit: Felix Magath trifft für den HSV gegen Torwartlegende Dino Zoff und entschied so 1983 das Landesmeister-Finale gegen Juventus Turin. Unglaublich, wie viel Platz die Spieler im Mittelfeld dort hatten und wie sie den Ball in aller Seelenruhe annehmen konnten.

Historie
1983 feierte der HSV den größten Triumph der Vereinsgeschichte: In diesem Jahr holte der Club nicht nur zum letzten Mal die Meisterschaft, sondern triumphierte auch im Finale des damaligen Europapokals der Landesmeister gegen Juventus Turin. In den Jahren zuvor hatte ein sehr starkes HSV-Team gemeinsam mit dem FC Bayern München die Bundesliga dominiert. Branko Zebec und Ernst Happel waren herausragende Trainer, Günter Netzer ein umsichtiger Manager und die Mannschaft eine gute Mischung aus Technikern und Kämpfern. Doch spätestens nach dem Abschied von Ernst Happel (1987) ging es bergab. Sein Nachfolger Josip Skoblar blieb alleine durch seinen Flop-Torhüter Mladen Pralija im Gedächtnis und auch sonst konnte der Traditionsclub nur noch gelegentlich glänzen. 21 Übungsleiter versuchten sich seit 1987, manche wie Benno Möhlmann und Frank Pagelsdorf blieben etwas länger, die meisten aber wurden wegen Erfolglosigkeit entlassen.
Dabei hat es der Nordrivale Werder Bremen mit seiner auf Kontinuität bauenden Personalpolitik doch vorgemacht. Doch während die Bremer Meisterschaften und Pokale einfuhren, gingen die Hamburger leer aus. Weil eben jeder Trainer sein eigenes Konzept hat und der Nachfolger wieder mit seinen Ideen bei Null anfängt.
Das hochgradig erregbare Umfeld leistet zudem seinen Beitrag. Den HSV zeichneten schon immer eitle Aufsichtsrat- und Vorstandsmitglieder aus, die gerne ihr eigenes Süppchen in der Öffentlichkeit kochten. Die Boulevardmedien in der Hansestadt freut das, bekommt man so doch immer wieder neues Material ins Haus geliefert.
In den letzten Jahren hat sich das alles noch verschlimmert. Spätestens mit dem Abschied von Manager Dietmar Beiersdorfer ging die letzte sportliche Kompetenz; seine Nachfolger mussten schnell feststellen, dass Profifußball nicht nur nach wirtschaftlichen Kriterien funktioniert.
Frank Arnesen sollte den Verein wieder sportlich nach vorne bringen, doch der ehemalige dänische Nationalspieler scheiterte. Ein Grund: Seine Einkäufe aus der Reserve des FC Chelsea floppten meist.
Jetzt soll es Oliver Kreuzer als Manager richten. Aber es bleibt ein schwieriges Unterfangen, siehe die Panik nach dem Hoffenheim-Debakel. Eben weil in Hamburg immer noch viele denken, aufgrund seines Status und seiner glorreichen Vergangenheit gehöre der HSV zur Liga-Spitze. Dieser Glaube ist falsch.

Die Bilanz des BVB gegen den HSV

fokus.fussball

Nachtrag 17.09. 2013: HSV feuert Fink
Das vernichtende 2:6 in Dortmund war dann doch etwas zu viel. Der Hamburger SV hat seinen Trainer Thorsten Fink entlassen. Begründung: Die üblichen Phrasen (Wohl des Vereines usw.). Warum Fink in Hamburg scheiterte, weiß dieser launige Text.



Mittwoch, 21. August 2013
Werder in den Wechseljahren
Keine Ahnung, wie viele Spiele des SV Werder Bremen in Dortmund ich seit 1975 gesehen habe. 25, 30? Komischerweise ist kein Gastspiel der Hanseaten irgendwie länger im Gedächtnis geblieben, obwohl der SV Werder doch häufig spektakulären Fußball bot. Zwar sicherte sich der BVB durch einen Heimsieg gegen Werder Bremen 2002 die Meisterschaft, aber bleibende Spuren hinterließ dies nicht.
Aus schwarzgelber Sicht spielt natürlich das erfolgreiche Pokalfinale 1989 in Berlin eine große Rolle, weil es nach langer Durststrecke der erste Titel war. Zudem fallen mir kleine Anekdoten ein: Etwa, dass Bremens Defensiv-Kultfigur Dieter Eilts früher oft nur Dortmunds Mittelfeldmotor Andy Möller zu Spielbeginn einmal foulte und ihn danach böse anschaute, schon war es mit der Herrlichkeit des Dortmunders vorbei.
Ohne den BVB erinnere ich mich an grandiose Abende im Europapokal, an denen Werder hohe Niederlagen aus dem Hinspiel in einem begeisternden Rückspiel noch drehte. 1986 etwa gegen Spartak Moskau (siehe Video) oder 1988 gegen Dynamo Berlin. Da flippten die sonst ruhigen Norddeutschen richtig aus.



Magie des Europapokals: Werder dreht das Spiel gegen Spartak Moskau

Es gab Zeiten, da war Werder Bremen der „Lieblings-Zweitklub“ vieler Fans. Ich zählte zu diesen – auch weil Werder trotz völlig anderer Voraussetzungen oftmals den mächtigen FC Bayern ärgerte. Die Münchner nahmen den Gegner ernst: „Volksverhetzer“ beschimpfte Bayern-Manager Uli Hoeneß seinen damaligen Bremer Kollegen Willi Lemke. Beide verband eine ausgeprägte Abneigung. Auch politisch: SPD-Mann Lemke gegen den CSU-Anhänger (und Strauß-Bewunderer) Hoeneß.
Noch etwas unterschied die Bremer von vielen Mitbewerbern: Sie setzten auf Kontinuität, wechseln nicht bei jede Krise ihren Kapitän. So bildeten Otto Rehhagel (Trainer) und Willi Lemke (Manager) jahrelang ein erfolgreiches Gespann, ähnlich war es bei Thomas Schaaf und Klaus Allofs. Der Erfolg gab ihnen Recht.

Aktuelle Lage
Am Samstag verabschiedeten die Bremer Anhänger noch einmal mit einer großen Choreografie Thomas Schaaf. 14 Jahre war er Trainer, davor die ganze Profi-Karriere treuer Abwehrspieler der Grün-Weißen. Eigentlich undenkbar, aber die sportliche Talfahrt ließ auch die Verantwortlichen in Bremen handeln. Zumal Manager Klaus Allofs, Schaafs langjähriger kongenialer Partner, schon früher zum Nordrivalen Wolfsburg wechselte.
Robin Dutt und Thomas Eichin sollen es jetzt richten. Der Start verlief erfolgreich nach zwei 1:0-Erfolgen gegen Braunschweig und Augsburg. Da war aber auch eine Riesenportion Glück dabei, zwei „schmutzige“ Erfolge sozusagen.
„Es bleibt ein Rätsel, was der letztjährige Abstiegskandidat zu leisten vermag“, schreibt der kicker. „Es bleiben Fragezeichen, wie sich das Format Werder ausnimmt.“
Immerhin hat das einstige Sorgenkind Mehmet Ekici endlich überzeugt. Den hielten viele in Nürnberg damals für noch besser als seinen Freund Ilkay Gündogan. Doch während Gündogan in Dortmund bekanntlich zum großen Antreiber des BVB wurde, enttäuschte Ekici in den bisherigen zwei Jahren bei Werder. Dagegen hat der exzentrische Marko Arnautovic nach diversen Skandalen keine Zukunft mehr in Bremen.

Geschichte
Die ersten Erinnerungen an Werder Bremen hängen unmittelbar mit dem Namen Helmut Poppen zusammen. Der war Reporter bei Radio Bremen, berichtete immer aus dem Weserstadion und hatte eine unglaublich nasale Stimme. Zudem fand ich als Pubertierender den Namen Poppen unheimlich lustig.
Jedenfalls spielte Werder in diesen Zeiten immer gegen den Abstieg, aber solange der Abwehrhaudegen Horst Dieter Höttges den Laden zusammenhielt, blieb der Klub in der Bundesliga. Als dann Höttges seine Laufbahn beendete, stieg Werder prompt ab.
Doch das Jahr in der 2. Liga nutzten die Norddeutschen zum Neustart. Otto Rehhagel kam als Trainer, Werder stieg sofort wieder auf und etablierte sich schnell in der Bundesliga. Es folgten sportlich hoch erfolgreiche Jahre. Das Abstiegsgespenst war verbannt, Werder mischte in der Liga vorne mit.
Rehhagel hatte die sportliche Kompetenz, für wirtschaftliche Dinge war Manager Willi Lemke zuständig. Diese Trennung funktionierte selbst bei solchen Alpha-Typen. Zudem hatte der Trainer ein gutes Gespür bei Neuverpflichtungen. Völler, Meier, Neubarth, Bratseth, Borowka, Burgsmüller oder Herzog sind nur einige Beispiele. Dazu kamen aus dem starken Nachwuchs Leute wie Sauer, Ordenewitz, Eilts oder Schaaf. Zwei Meistertitel, zweimal Pokalsieger, dazu als Sahnehäubchen 1992 den Europapokal der Pokalsieger waren eine eindrucksvolle Bilanz.
Bremens zweite große Phase kam mit Trainer Thomas Schaaf und Manager Klaus Allofs. Diese beiden verstanden sich auch menschlich sehr gut; sportlich hatten sie ihre Neuen ebenfalls gut gewählt. Ob Ailton, Frings, Özil, Micoud, Wiese oder Diego – oftmals schwierige Typen, die aber meist bei Werder ihren Karriere-Höhepunkt erlebten.
Nur zuletzt passte das nicht mehr so mit den Neuverpflichtungen: Carlos Alberto, Silvestre, Arnautovic oder Elia etwa blieben vieles schuldig. Ein Grund für den Absturz des SV Werder.

Die Bundesligabilanz des BVB gegen Werder Bremen.