Manchmal wundert sich der Fachmann und der Laie staunt: Warum lassen manche Besitzer und Trainer ihre Pferde in Prüfungen starten, in denen sie nach ihren Vorleistungen absolut chancenlos sind?
Jüngstes Beispiel im Großen Dallmayr-Preis am letzten Sonntag in München: Nach Vorleistungen schien die Prüfung der höchsten Kategorie für
Clearly, Matchwinner und
Rapido viel zu schwer. Auch in der Realität: Diese Pferde belegten dann auch die letzten drei Plätze des Rennens.
Bei
Clearly könnte man noch argumentieren, dass sie vielleicht das Tempo für den Stallgefährten
Wai Key Star – beide im Besitz des Stalles Salzburg und beide trainiert von Sarah Steinberg – machen sollte. Machte sie aber nicht, die Stute kam nie vom Ende des Feldes weg und wurde mit elf Längen Rückstand Drittletzte. Nach Bestformen – dritter Platz in einem Listen-Stutenrennen, Zweiter in einem Ausgleich 2 – müssen die Verantwortlichen nur auf das Prinzip Hoffnung gesetzt haben. Allerdings: Das hohe GAG von 89.5 (Quelle Formenspiegel Racebets) macht das Management des Pferdes nicht einfach.
Überfordert wirkte auch
Rapido, dessen Comeback nach schwerer Verletzung im Herbst für einige Unruhe sorgte und dessen beste Form 2014 ein zweiter Platz in der Union hinter
Sea The Moon war. Das war der letzte Auftritt für Trainer Andreas Löwe, das Pferd verletzte sich so schwer, dass es keine Rennen mehr laufen konnte. Jedenfalls gaben seine Besitzer, das Gestüt Winterhauch, Rapido als Reitpferd ab. Doch der Neustart in neuem Besitz und mit neuem Trainer folgte. Es kam zu Turbulenzen und Gerichtsurteilen, kann man beim
Kollegen Blücher schön nachlesen. Das Pferd gewann zweimal im belgischen Mons – das war weit von Gruppe 1-Format entfernt. In Hamburg war er im Großen Hansa-Preis (Gruppe 2) chancenlos, davor war er im Ausgleich 2 Letzter. Für ihn gäbe es deutlich lösbarere Aufgaben.
Bei
Matchwinner liegen die Dinge vielleicht ein wenig anders: Immerhin siegte er 2017 in zwei Grupperennen und war auch sonst sehr beständig. Aber die alte Form ist nicht mehr da, zuletzt lief er in drei Top-Rennen hinterher. Mit 91 kg GAG kann er aber nicht zurück ins Handicap.
Warum laufen diese Pferde in diesen schweren Prüfungen? Ist es das Preisgeld? Immerhin gab es für den Fünften in München noch 3000 Euro, der Sieger im Ausgleich 2 in München hätte 6000 bekommen, der Fünfte wäre leer ausgegangen.
Ist es das Prestige für den Besitzer, der auf einmal einen Starter bei den Besten hat? Ob das nicht vielleicht zum Bumerang wird, wenn das Pferd immer nur hinter her läuft?
Ako und Clive Brittain
Manchmal gibt es ja auch diese Sensationen, über die die Turf-Welt noch Jahre lang spricht. Gestern triumphierte zum Beispiel im englischen Goodwood
Feel Glorious für den Toto 67:1. Aber das war ein Sieglosenrennen für zweijährige Pferde, von denen viele ihr Lebensdebüt gaben und deren Leistungsvermögen noch nicht eingeschätzt werden kann.
In Deutschland verweist die Turf-Gemeinde immer auf das Beispiel
Ako aus dem Jahr 1982. Mit diesem Derbysieger hatte niemand gerechnet, das war die Sensation. Im Sattel saß der legendäre Erwin Schindler, in Training war der Hengst bei Besitzertrainer Hans-Günther Heibertshausen.
In England hatte Trainer Clive Brittain, inzwischen längst im Ruhestand, zeitweise eine Art Kultstatus. Denn der Mann aus Newmarket, unter anderem Betreuer von
Warrsan, Luso und
Crimplene, schickte immer wieder sieglose Pferde in die Klassiker wie Derby, Oaks oder die Guineas. „Keine Angst vor großen Aufgaben“, schrieb dann gerne die Fachpresse. Natürlich scheiterte diese Politik in den allermeisten Fällen, doch manchmal ergatterte sich so ein Außenseiter ein Platzgeld. Und die Szene feierte den Trainer mit dem angeblich so goldenen Händchen.
Dass Clive Brittain jahrelang ein Trainer mit einer sehr schlechten Starts/Sieg-Statistik war – vergessen. Ich halte jedenfalls von dieser Strategie nichts. Pferde verlieren auch die Lust am Laufen, wenn sie immer abgehängt werden. Ein guter und verantwortungsvoller Trainer kann das Leistungsvermögen seiner Starter realistisch einschätzen und verheizt sie nicht in zu schweren Aufgaben. Auch wenn der Besitzer etwas anderes möchte.