Die ewigen Rätsel des Rennsports: Wie kann ein Pferd wie Oriental Eagle, GAG vor dem Rennen 72,5 kg, im Deutschen St. Leger Konkurrenten wie Moonshiner (GAG 94,5 kg) oder Sound Check (GAG 92,5 kg) besiegen? Der Versuch einer Antwort.
Nun kam der letzte Erfolg von
Oriental Eagle immerhin im gutdotierten Badener Auktionsrennen zustande, aber das war bereits der neunte Versuch des dunkelbraunen Hengstes, ein Rennen zu gewinnen. Im St. Leger waren die Gegner noch mal stärker. Doch die Geschichte wiederholte sich: In Iffezheim marschierte er mit Martin Seidl von der Spitze aus und war nicht mehr zu erreichen. In Dortmund nutzte er – diesmal mit Jack Mitchell – die gleiche Taktik. Zwar kamen die Gegner näher, doch niemand lief an diesem Nachmittag an dem Schützling von Jens Hirschberger vorbei.
In England würde man so eine Vorstellung „gutsy“ nennen, die Experten bei
Racing UK und
Attheraces würden diese Leistung in höchsten Tönen preisen. Denn nichts sieht besser im Galopprennen aus als ein Sieg von der Spitze. Der Erfolg erinnerte an Pferde aus dem Stall von Trainer Mark Johnston. An manchen Tagen kommt auch niemand an denen vorbei.
Vielleicht dachte Oriental Eagle auch an seinen Bruder
Oriental Fox: Dieser Lomitas-Sohn, ebenfalls im Gestüt Auenquelle aufgewachsen, ist ein großer Steher und gewann mit neun Jahren noch die Queen Alexandra Stakes Stakes in Royal Ascot. Sein Trainer? Keine Überraschung Mark Johnston.
Bei Pferden ist es wie im richtigen Leben – bei manchen fällt eben der Groschen spät. Dabei hatte Jens Hirschberger im Vorfeld noch Bedenken wegen des weichen Bodens gehabt und wollte seinen Starter abmelden. Das machte der Mülheimer Trainer nicht und lobte später die „tolle Leistung“ seines endlich ausgereiften Schützlings.
Nein, das ist nicht Oriental Eagle, sondern Valluga. Die Stute gewann in den gleichen Farben und ebenfalls mit Jack Mitchell das zweite Rennen.
Das St. Leger 2017 war zudem eine Werbung für den arg gescholtenen Dreijährigen-Jahrgang: Nicht nur der Erste gehört ihm an, sondern auch
Khan, der richtig ins Rollen kam und fast noch an
Moonshiner vorbeirauschte. Doch der Mitfavorit, der ein gutes Rennen lief, rettete den zweiten Platz. Mein Tipp
Sound Check schlug sich ordentlich, die letzten Reserven fehlten jedoch nach Einschätzung seines Quartiers auf dem weichen Boden.
Near England fand leider nie ins Rennen.
Ein Schalker in Dortmund
Es war ein interessanter Renntag auf der Dortmunder Rennbahn. Auch die Baustelle – die Wetthalle wird modernisiert - störte zu meiner Überraschung nicht. Weil die Kassen in dieser Wetthalle wegfielen, hatte ich da vorher meine Bedenken. Allerdings setzte der Rennverein mobile Wett-Terminals ein und diese Leute hinten den Kassen haben ihren Job hervorragend gemacht.
Eigentlich gefällt mir der Trend nicht, dass man auf Rennbahnen inzwischen den ganzen Renntag „zu gelabert“ wird. Aber Moderator Uli Potofski machte das wirklich gut. Er ist zwar Fan des FC Schalke 04 (es sei ihm verziehen als gebürtig aus Gelsenkirchen), verteilt immer ein paar Spitzen gegen den heimischen schwarzgelben Klub, aber das ist in Ordnung. Weil Potofski sich selbst nicht zu ernst nimmt, eventuelle Peinlichkeiten gekonnt humorig überspielt und sich nirgendwo anbiedert. Er ist eben ein Profi und dieser Typ aus Freiburg mit den bläulichen Haaren (wie der S04) war irgendwie auch ganz gut. Selbst Rennkommentator Pan Krischbin wirkt neben Potofski inzwischen richtig locker.
Was brachte der Renntag noch? Bereits im ersten Rennen dürfte man mit dem Sieger
Wild Max und der Zweiten
Indah zwei hochtalentierte Zweijährige gesehen haben, im zweiten Rennen erprobte Jack Mitchell erfolgreich mit
Valluga (ebenfalls für Trainer Hirschberger/Gestüt Auenquelle) die Siegestaktik für das St. Leger. Im BBAG-Auktionsrennen für die Zweijährigen gab es mit
Binti Al Nar eine überlegene und überzeugende Siegerin.
Außerdem stand noch ein toll besetzter Ausgleich 2 mit vielen, vielen Formpferden auf dem Programm. Den schaute ich mir auf der Leinwand an der Baustelle/Wetthalle an, die Bilder waren erstaunlich scharf. Etwas hinter mir wurde es im Verlauf des Rennens immer lauter. Dort standen die Besitzer von
It’s my Time, die siegte und ihr Team kräftig feiern ließ. Ein Hauch Westfalenstadion in Dortmund-Wambel. Da lohnte sich die lange Reise aus Berlin.
Reger Betrieb auf der "Baustelle". (Fotos Ulrich König)