11 Pferde gehen an den Start für den letzten Klassiker der Saison. Das St. Leger 2016 in Dortmund ist auf dem Papier eine offene Angelegenheit. Aber im Turf spielen nicht nur Formen eine Rolle. Und eine Weisheit der Dortmunder Rennbahn lautet: Unterschätze nie die Starter des Gestüts Wittekindshof. Die Vorschau.
Wir schreiben das Jahr 1986, der Kolumnist hatte gerade begonnen, seinen Grundwehrdienst abzuleisten. Nicht irgendwo, sondern in Flensburg am oberen Ende der Republik. Fast schon Dänemark. In der Realität bedeutete das lange Bahnfahrten am Sonntagabend mit vielen Leidensgenossen und ganzer mieser Stimmung. Dennoch war ich am St. Leger-Sonntag 1986 auf der Rennbahn in Dortmund-Wambel und habe sogar die Siegerin Prairie Neba für 2,50 DM getroffen. Gewinn satte 41 DM, weil die Siegerin am Toto 164 stand. Meine Laune wurde besser, ohne gut zu werden. Aber alles sah doch sonniger aus, der Gedanke an das Geschreie im Grundwehrdienst wurde erträglicher.
Lange ist das her, die BW-Zeit ist längst Folklore, das St. Leger aber immer noch da. 30 Jahre später könnte es wieder einen Stutensieg geben. Die Ladies haben so und so eine gute Bilanz in der Prüfung. Starter und Chancen im 132. St. Leger in Dortmund.
1. Iraklion (Trainer Christian Sprengel/ Jockey Michel Cadeddu, GAG 87,0 kg): Das Pferd von Trainer Christian Sprengel lief immer in guter Gesellschaft, blieb aber meist ohne Chance. Den zweiten Platz hinter Protectionist würde ich nicht überbewerten. Außenseiter.
2. Mighty Mouse (Trainerin Annika Fust/Jockey Rene Piechulek, GAG 89,5 kg): In England gewann erstmals mit Trainerin Laura Mongan eine Frau das Leger, Annika Fust (ehemals Rosenbaum) könnte ihr in Deutschland folgen. Mighty Mouse kommt mit guten Formen an den Ablauf, es ist jedoch erst der zweite Start in diesem Jahr. Als geschontes Pferd durchaus gefährlich, wenn er die Distanz kann. Die ist nämlich Neuland.
3. Rock of Romance (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Marc Robert Lerner, GAG 90,0 kg): Bewährter Steher, zuletzt überlegener Sieger auf schwerem Boden im Langen Hamburger und war dort unter anderem vor Summershine. Kandidat mit Chancen, aber nicht die Wahl des Stalljockeys. 2014 Dritter.
4. Tellina (Trainer Andreas Wöhler, Jockey Eduardo Pedroza, GAG ?): Der große Unbekannte. Gruppesieger aus Südafrika im Besitz des Gestütes Fährhof. Zuletzt im März in Meydan in sehr guter Gesellschaft unterwegs. Der letzte Sieg datiert aus dem Jahr 2014. Andreas Wöhler wird aber wissen, warum er den Silvano-Sohn im St. Leger an den Start schickt. Zudem ist er die Wahl des Stalljockeys.
5. Bebe Cherie (Trainer Markus Klug, Jockey Cäcilia Müller, GAG 89,5 kg): Zuletzt ohne Möglichkeit gegen Weltmacht, die sie Sonntag wieder trifft. Davor eine ordentliche Form hinter Wasir in Hoppegarten. Viel Stehvermögen, die 2800 Meter könnten schon ein wenig zu kurz sein. Besten Formen auf tiefen bis weichem Boden, den die Youmzain-Tochter wahrscheinlich nicht haben wird. Für andere Starter spricht mehr.
6. Summershine (Trainerin Anna Schleusner-Fruhriep/Jockey Bayarsaikhan Ganbat, GAG 78 kg): Solide Stute, zuletzt oft im Einsatz, beste Form war der zweite Platz im Langen Hamburger hinter Rock of Romance. Je länger die Strecke, desto besser. Dennoch wäre ein Erfolg schon rein rechnerisch eine Überraschung.
7. Techno Queen (Trainer Toni Potters, Jockey Daniele Porcu, GAG 93 kg): Im letzten Jahr großartig gesteigerte Stute, 2015 im St. Leger Zweite hinter Virginia Sun. In diesem Jahr immer in starker Gesellschaft unterwegs, zuletzt Dritte hinter Parvaneh in Baden Baden über 2400 Meter. Davor unterlag sie Ventura Storm, am letzten Samstag Zweiter im englischen St. Leger. Ein Pferd mit viel Speed und ersten Chancen.
8. Weltmacht (Trainer Markus Klug, Jockey Adrie de Vries, GAG 90 kg): Immer hoch in der Einschätzung des Kolumnisten, nur ein Gruppe 1-Pferd wurde sie nicht. Aber dennoch eine Starterin mit viel Potenzial. Zuletzt wehrte sie alle Angriffe im Badener Steherpreis über 2800 Meter ab. Die Wahl von Stalljockey Adrie de Vries und ein logischer Mitfavorit.
Die Prüfung 2014: Kaldera fängt Virginia Sun noch ab, ein Jahr später siegte die hier noch knapp Unterlegene
9. Buzzy (Trainer Guido Förster, Jockey Antoine Hamelin, GAG 75 kg): Dreijähriger, gewann ein Sieglosenrennen, danach im Derby, Listenrennen und Ausgleich 1 völlig chancenlos. Klarer Außenseiter, obwohl sein Vater Mamool ein großer Steher war.
10. Near England (Trainer Markus Klug, Jockey Andreas Helfenbein, GAG 91,5 kg): Die Gewinnerin des Hamburger Stuten-Preises über 2200 Meter auf tief-schwerem Boden, danach kam sie in der Diana nie ins Rennen. Nach Vorformen hätte ich etwas Bedenken, aber die Lord of England-Tochter sollte noch Reserven haben. Hinzu kommt der Wittekindshof-Faktor in Dortmund: Die Starter von Hans-Hugo Miebach, dem ehemaligen Präsidenten des Dortmunder Rennvereins, sind auf der Heimatbahn immer zu beachten. Das günstige Gewicht spricht zudem für die Stute.
11. She’s Gina (Trainer Markus Klug, Jockey Maxim Pecheur, GAG 91.5 kg): Die zweite dreijährige Stute im Feld. Respektable Leistung als Sechste im Preis der Diana als große Außenseiterin, das Pferd davor wertete die Form mit dem Badener Gruppensieg gewaltig auf. In Hamburg Dritte hinter der Stallgefährtin Near England, auch davor immer ordentlich gelaufen. Distanz ist neues Terrain.
Urteil
Natürlich haben Techno Queen und Weltmacht die besten Voraussetzungen, ist Rock of Romance ein bewährter Steher und hat Tellina schon ganz andere Gegner gesehen. Aber in Dortmund macht es sich bezahlt, die Wittekindshof-Pferde zu spielen. Near England ist eine talentierte Stute und könnte die Favoriten überraschen.