Mittwoch, 14. September 2016
Am Ende lachte George Baker doch
Große Freude und tiefes Leid liegen auch im Galopprennsport oft nahe beieinander. Das verlängerte Turf-Wochenende bot die ganze Palette. Von Tod bis zum totalen Triumph.

Es hätte so schön sein können. Der Renntermin am Abend auf der Rennbahn im Krefelder Stadtwald bot zwar keinen großen Sport, aber einen schönen Zeitvertreib. Solche Termine müsste es häufiger geben. Ein lauer Sommerabend mit Pferderennen und Biergarten.
Doch die Stimmung wurde schnell verhagelt: Zwei Pferde stürzten so schwer, dass sie nicht mehr zu retten waren. Petite Gold und Weißer Stern liefen ihr letztes Rennen, Brüche sind nur schwer reparabel bei einem Pferd. Die Voraussetzungen seien optimal gewesen, sagten Rennleitung und Rennverein nach den Vorfällen. Die Bahn staubte allerdings an manchen Stellen gewaltig.
Zum Glück gibt es tote Tiere nicht bei jedem Renntag. Pferde verletzen sich auch auf der Koppel, in der Box, auf den Galopps usw. Pferderennen sind definitiv keine Tierquälerei, wie manche nassforsche Tierschützer-Organisation behauptet.

Herzschlag
Dabei hatte das Galopp-Wochenende so gut angefangen. Freitagnachmittag, dritter Tag des St. Legers im nordenglischen Doncaster: Der Sport ist teilweise grandios mit tollen Pferden und Weltklasse-Jockeys. Die Rennen sind hartumkämpft, die Endkämpfe eng und dramatisch. Herzschlag-Finals. All‘ diese Dinge, mit denen etwa ein Formel 1-Rennen nie konkurrieren kann und die in ihrer Intensität auch manches Fußball-Spiel schlägt.
In den Scotsman Stakes, einem Listenrennen für zweijährige Hengste, endeten drei Pferde quasi in einer Linie. Rodaini, Salsabeel, Larchmont Lad – die Jockeys Silvestre da Souza, William Buick und Sean Levey machen die Prüfung zu einem echten Thriller. Am Ende gewinnt Rodaini mit da Souza, der Kolumnist hatte Larchmont Lad gewettet.
Schon vorher stockte dem Betrachter mehrfach der Atem: Im Doncaster Cup, der Gruppe 2-Prüfung über weite 3621 Meter, bestimmten Quest for More und George Baker von der Spitze aus das Rennen, doch am Ende siegte Sheikhzayedroad und Martin Harley. Mit einer Nase nach einem gigantischen Endkampf zweier Top-Jockeys. Offiziell gab es ein Foto-Finish, doch Harley wusste es scheinbar schon vorher und gab seinem Pferd einen freudigen Klaps.
Und auch Roger Charlton, der Trainer von Quest for More, hatte die Ahnung, dass es nicht reichen würde. „Das ganze Leben ist voller Qualen“, sagte er nach der Prüfung Attheraces-Interviewer Matt Chapman.
Für Jockey George Baker war der zweite Platz an diesem Tag nichts Neues: In den Mallard Stakes, der zweitwichtigstes Prüfung des Tages, sah er lange wie der Gewinner aus. Doch dann kam Wall of Fire und fing Seamour, den Ritt von George Baker, noch ab. Diesmal war er vielleicht etwas früh vorne, aber Seamour ist auch ein Typ von Pferd, das seinen eigenen Kopf hat. „Quirky“ nennen die Engländer das.

Geschichte gemacht
Baker ist für einen Reiter mit über 1,80 m sehr groß, sein ganzes Leben dürften Diäten, Hungern und eiserne Disziplin prägen. Am nächsten Tag lohnten alle Qualen. Denn da saß er im Sattel von Harbour View und triumphierte im englischen St. Leger.
Dazu wurde Turf-Geschichte geschrieben: Als erste Frau gewann Trainerin Laura Mongan den Klassiker über 2800 Meter, der erstmals 1776 ausgetragen wurde.
Der Sieg von Harbour View war eines dieser Erfolge, die den „Reichensport“ Galopp sympathisch machen. Mongan trainiert rund 20 Pferde – sowohl Flach als auch Hindernis – in Epsom, der berühmten Heimat des englischen Derbys. Ihr letzter Erfolg feierte sie im August in einem Class 5-Handicap in Brighton. Keine Ahnung, ob Aidan O’Brien jemals in seinem Leben ein Class 5-Handicap gewonnen hat. Wahrscheinlich nicht.
Ian Mongan, Lauras Gatte, ritt einst als Jockey für Henry Cecil und spielt eine wichtige Rolle in der täglichen Arbeit. „Henry Cecil sagte immer, gute Pferde machen gute Trainer“, erinnerte er sich in dieser Stunde des Triumphes an seinen alten Chef.
Diesmal hatte George Baker den richtigen Takt gefunden und den 230:10-Schuss zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt. Ein Raunen ging durch die Menge, als Harbour View an Ventura Storm und Housesofparliament vorbeizog und viel Stehvermögen zeigte.
„Für uns war es keine große Überraschung“, sagte hinterher Laura Mongan selbstbewusst. Doch Harbour View profitierte auch vom Sturz des Favoriten Idaho aus dem mächtigen O’Brien-Quartier mit Seamie Heffernan, der Mitte der Gerade ins Straucheln kam. Zum Glück blieben alle unversehrt.