Freud und Leid liegen auch im Galopprennsport nah beinander. Sonntag nachmittag, der Große Preis von Baden, das zweitwichtigsten Rennen im deutschen Turfjahr, war gerade beendet. Im Mittelpunkt: der Sieger Iquitos, sein tüchtiger Trainer Hans-Jürgen Gröschel und der erfolgreiche Jockey Ian Ferguson. Kaum jemand interessierte sich hingegen für Boscaccio, die einstige Derby-Hoffnung, die diesmal abgeschlagen als Letzter im strömenden Regen die Ziellinie überquerte.
Natürlich war es eine grandiose Leistung von
Iquitos, Trainer Gröschel und Jockey Ferguson, die den Großen Preis von Baden zu einer Demonstration gemacht hatten. Im Frühjahr hatte Iquitos schon den Großen Preis der Badischen Wirtschaft gewonnen und den großen Favoriten
Ito in die Schranken verwiesen. Damals saß Norman Richter im Sattel und Trainer und Besitzer waren trunken vor Freude.
Hans Jürgen Gröschel hatte sein Trainerleben quasi gekrönt. Ein Mann, der schon vieles gesehen hatte im Turf, ein mit allen Wassern gewaschener Betreuer von Rennpferden. Eine seiner Qualitäten lag bzw. liegt darin, Pferde punktgenau zu den oftmals besser dotierten Meetings in Form zu bringen, Handicapper wohlgemerkt. Im Frühjahr gab es dann oben beschriebenen Gruppe 2-Erfolg und jetzt setzte der Bahnspezialist Iquitos (drei Starts, drei Siege lautet seine Iffezheimer Bilanz) noch einen drauf und triumphierte in der Champions League, einer Gruppe 1-Prüfung. Einfach nur gut, dieser Tag.
Das Gegenteil gilt für
Boscaccio und seinen Anhang. Bekanntlich mag diese Kolumne das Pferd und hatte es auch gewettet. Wiedergutmachung für das enttäuschende Laufen als Favorit im Derby war angesagt, doch im prasselnden Regen ging Boscaccio schrecklich baden.
Schon zu Beginn pullte er stark, was immer ein schlechtes Zeichen ist. Später hatte ihn Dennis Schiergen beruhigt, doch souverän ging sein Partner nie. Spätestens als Schiergen ihn in dritter Spur nach vorne bringen wollte, schwanden die Hoffnungen. Das Pferd von Christian Sprengel hatte an diesem Tag mit dem Sieg nichts zu tun. Schon zu Beginn der Geraden stellte Dennis Schiergen alle Anstrengungen ein, im englischen Hindernissport würde man „pulled up“ sagen. Boscaccio war restlos geschlagen, Schiergen ließ ihn nur noch austrudeln.
Dreijähriges Desaster
Das sah wahrlich nicht gut aus. Ob es der weiche Boden war, der dem Hengst erneut den Zahn gezogen hat? Hoffentlich ist das Pferd gesund aus dem Rennen gekommen. Reaktionen der Verantwortlichen liegen mir nicht vor, online gibt es weder über
Facebook noch über die Seite von Trainer Christian Sprengel etwas. Eine Anfrage blieb ohne Antwort. Enttäuschte sprechen nicht gerne in der Öffentlichkeit.
Der Große Preis von Baden war ein Desaster für die dreijährigen Hengste. Denn auch
Dschingis Secret, der Derby-Dritte, lief schwach und wurde Vorletzter. Dabei hatte der seinen Boden. Was war der Große Preis von Baden in diesem Jahr wert? Wir zitieren einfach mal Harald Siemen: „Bei Lichte betrachtet muss man sagen, dass sowohl die Besetzung als letztendlich auch das Ergebnis – jedenfalls aus Sicht des Handicappers – enttäuschend war, denn die Dreijährigen blieben bis auf
Pagella unter Form. Es gab zwar vier Gruppe-I-Sieger im Feld, aber bis auf
Serienholde datieren deren Gruppe-I-Erfolge aus vergangenen Jahren. Zudem fehlten – aus unterschiedlichen Gründen – die vier Pferde mit dem bis dahin höchsten Rating in Deutschland:
Protectionist, Ito, Isfahan und
Savoir Vivre",
schreibt der Chefhandicapper des deutschen Turfs in seinem Blog.
Die Verantwortlichen um Iquitos wird das wenig interessieren. Sie hatten ihren großen Moment.