Nur vorsichtige Pferde siegen im National
Spätestens um 18:30 deutscher Zeit wissen wir am Samstag, wer das Grand National in Aintree gewonnen hat. Ob es ein gutes Rennen ohne irgendwelche Zwischenfälle war. Und ob der Kolumnist endlich mal den Sieger getroffen hat.

11 Grade 1-Prüfungen, vierbeinige Top-Stars wie Cue Card, Annie Power oder Thistlecrack – doch im Mittelpunkt des dreitätigen Aintree-Meetings steht ein profanes Handicap. Das Grand National – jedes Jahr am zweiten Samstag im April auf der Bahn nahe Liverpool ausgetragen – kennen auch Menschen, die sich sonst nicht mit Galopprennen beschäftigen.
Auf der Insel zählt das Spektakel zum sportlichen Kulturgut und ist zudem ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Bei keiner anderen Prüfung wird mehr gewettet. Experten schätzen den Wettumsatz nur für dieses Rennen auf rund 150 Millionen Pfund, jeder vierte erwachsene Engländer soll eine Wette laufen habe. Durch die spätere Laufzeit in diesem Jahr soll zusätzlicher Wettumsatz generiert werden. Die Rennbahn in Aintree ist ausverkauft, auch wenn die Eintrittspreise so hoch wie bei einem Pop-Konzert sind.

Becher’s und The Chair
„Faszination und Abscheu“, habe ich 2009 über das National getitelt. Es war einer meiner ersten Texte für diesen Blog. „Das Grand National ist eine Mischung aus Faszination und Abscheu. Faszination, weil es eines der schwersten Rennen der Welt ist, höchste Anforderungen an Pferd und Reiter stellt und es schon eine Leistung ist, über die schweren Sprünge überhaupt das Ziel zu erreichen. Abscheu, weil Pferde stürzen, sich verletzen und manche ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen“, schrieb ich damals.



Die National-Legende: Red Rum

Und weiter hieß es dort: „Auch wenn die Hindernisse vor einigen Jahren entschärft wurden, fordern „Becher's Brook“, „Foinavon“ oder „The Chair“ den Teilnehmern alles ab. Solche Hindernisse gibt es auf keiner anderen Rennbahn – und am Start sind wohlgemerkt ältere Pferde, die viel Erfahrung über Jagdsprünge haben. Erschwerend sind zudem die Marathondistanz von 7 141 Metern (so weit wie in keinem anderen Rennen) und die hohe Starterzahl von rund 40 Pferden“. Das alles gilt heute noch, auch wenn sich manches besserte.
2012 hatte ich mal die Nase voll. Nach einem Rennen voller Zwischenfälle wurden die Hindernisse noch mal entschärft. Seitdem lief alles glatt, es gab keine weiteren Todesfälle mehr.

Nervensache
Channel 4 überträgt das komplette Meeting und trotz des hochklassigen Rahmenprogramms dreht sich dort vieles um das Grand National. Eine Idee der Fernsehmacher: ein spezielles National-Dinner, Aintree a la Carte. Unter Moderation des heutigen Sir Anthony Mc Coy sitzen dort weitere Koryphäen, die alle schon einmal in diesem Marathon erfolgreich waren: Oliver Sherwood, Trainer des letztjährigen Siegers Many Clouds, Trainer-Legende Martin Pipe (83 Starter – 1 Erfolg), Trainer Paul Nicholls, Jockey Davy Russell und Katie Walsh als erfolgreichste weibliche Reiterin. Sie essen und trinken, die geäußerten Weisheiten sind manchmal nahe am Phrasenschwein, aber eben auch ziemlich ergiebig. „Er war vorsichtig“, sagt Nicholls über seinen Sieger 2012 Neptune Collonges. Und manche Pferde verlieren schon am Start, weil sie den Aufregungen nervlich nicht gewachsen sind.
Wer gewinnt also 2016? Es ist das übliche Rätsel, mit Vorjahressieger Many Clouds und King George-Sieger Silviniaco Conti sind Top-Pferde dabei. Aber es ist ein Handicap und der Kolumnist steht auf The Last Samuri: Ein Pferd mit viel Stehvermögen und bei weitem noch nicht erfasst, also günstig im Handicap. Die zweite Wahl fiel sehr schwer, Morning Assembly ist nur eine von mehreren Alternativen. Die Buchmacher aber fürchten nur einen Mann: Jockey Leighton Aspell und einen möglichen Hattrick.