„Pilgerfahrt, Party, Revolte“ – das Cheltenham Festival 2016
Zugegeben – in diesem Jahr ist meine Euphorie auf das wichtigste Gipfeltreffen des englisch-irischen Hindernissports aus diversen Gründen nicht so hoch. Eher mittelmäßig, aber das ist dem Cheltenham Festival eigentlich völlig egal. Ab Dienstag nächster Woche ist es wieder so weit: Vier Tage Rennsport vom feinsten stehen auf der Agenda. Und nurpferdeundfussball beantwortet auch in diesem Jahr wieder die wichtigen Fragen.

Warum eigentlich der ganze Zauber? Lassen wir den bekannten englischen Journalisten Alastair Down sprechen. „Ein Teil Pilgerfahrt, ein Teil Party, ein Teil Revolte – es ist das größte Ding von allem für alle, die Hindernisrennen lieben“, sagt er. Gut, Mr. Down ist nicht ganz objektiv, denn er verdient sein Geld mit dem Rennsport. Aber der Mann hat Recht: Es ist ein gigantisches Spektakel und das Gipfeltreffen der Spitzenkräfte des Sports. Das Cheltenham-Festival ist das sportliche Ziel, das viele Trainer und Besitzer für ihr Pferd haben.
Schon Wochen zuvor steht das Festival im Fokus der Rennsport-Medien. Und weil es so bedeutend ist, zahlen die Besucher gerne Eintrittspreise bis zu 80 Pfund. Noch nie habe ich einen Engländer über diese Preise jammern hören. Ist eben wie ein Popkonzert. Der Freitag ist eh’ schon ausverkauft und die anderen Tagen werden wahrscheinlich ebenfalls ausgebucht sein. Über 67 000 Besucher bei Pferderennen mitten in der Woche – nicht schlecht.

Die optimale Vorbereitung für den Wetter? Das Festival ist quasi die Hochschulreife für Zocker, besonders die Handicaps sind schwer zu entschlüsseln. Viele Pferde, die in den Rennen zuvor glänzten, sind in Cheltenham geschlagen. Weil etwa der Boden nicht mehr passend ist und die Konkurrenz so gewaltig ist. Es ist ein Fest für die Buchmacher.
Informationen zum Cheltenham Festival gibt es ohne Ende. In England und Irland stehen sogenannte Panels auf dem Programm, im Netz laufen viele Vorschauen auf YouTube. Und natürlich bieten Racing Post, Sporting Life und Attheraces entsprechende Sonderseiten.
Der Kolumnist beschränkte sich in diesem Jahr auf das Wesentliche. Im Vorfeld habe ich nur die Serie von Racing UK-Presenter Lydia Hislop verfolgt. Empfehlenswert auch deshalb, weil Hislop viele andere Quellen in ihren Text einarbeitet. Zudem habe ich die Aussagen der Trainer zu ihren Startern aufmerksam notiert.


Einer meiner Helden der Vergangenheit: Viking Flagship gewinnt die Queen Mother Champion Chase 1995 gegen Deep Sensation

Ein paar Worte von Willie Mullins? Mit Faugheen fehlt der große Favorit in der Champion Hurdle, aber sonst ist der irische Top-Trainer natürlich bestens präpariert. Aber in seinen Worten zu Annie Power, der neue Favoritin für die Champion Hurdle, schimmert ein wenig Skepsis. Das gilt nicht für Douvan, den hohen Favoriten in der Arkle Chase, den Mullins als „aufregendstes Pferd aller Zeiten“ bezeichnet.

…..von Nicky Henderson? Die interessanteste Aussage gab es zu Whisper, einem seiner Starter in der World Hurdle. Whisper gehe in Aintree-Form in die World Hurdle, meint der englische Trainer. Hintergrund: Der Wallach gewann 2015 die Aintree Hurdle über ähnlich lange Distanz und war davor in der World Hurdle 2015 Fünfter hinter Cole Harden. Das war eine respektable Leistung für den ersten Start des Jahres. In diesem Jahr lief Whisper einmal ganz schlecht, aber der Asterabad-Sohn ist ein Frühlingspferd. Und laut Henderson besser drauf als 2015. Bei Racebets steht Whisper 150:10.

….von Paul Nicholls? „Er habe kein herausragendes Pferd in diesem Jahr. Eher Außenseiter“, sagt Paul Nicholls. Bei Vibrato Valtat warte er darauf, ihn auf einer längeren Strecke zu bringen. Darum läuft er in der Ryanair Chase. Ansonsten nennt Nicholls nach etwas Zögern noch Modus, der in Bestform in der County Handicap Hurdle am Freitag eine gute Chance habe.

Welche Trainer sind noch im Fokus? Colin Tizzard hat bereits eine großartige Saison. In Cheltenham sattelt er mit dem weiter verbesserten Cue Card im Gold Cup und Thistlecrack in der World Hurdle zwei Top-Kandidaten. Eine großartige Sache für einen kleineren Stall.

Welche Top-Pferde fehlen? Natürlich Faugheen, Vorjahressieger und erneut wieder klarer Favorit in der Champion Hurdle. Obwohl der Germany-Sohn den Nimbus des Ungeschlagenen verloren hat. Vermisst wird zudem Coneygree, der letztjährige sensationelle Triumphator im Gold Cup.

Die schönste Geste? Der Kolumnist ist auch nach über 25 Jahren Cheltenham immer ganz ergriffen, wenn die Kollegen den siegreichen Jockey direkt nach dem Rennen und noch im Sattel beglückwünschen. Das habe ich noch nie bei Flachrennen gesehen.

Letzte Worte des Kolumnisten? Immer auf die Stallform achten, so etwas ist nicht nur in Cheltenham ein Erfolgsgarant. Einen Sonderapplaus bekommt zudem unser alter Freund The Giant Bolster, zum fünften Mal in Folge im Gold Cup am Start. Zweiter war er schon mal, der Wallach aus deutscher Zucht mag die Bahn, aber es wäre ein kleines Wunder, wenn er wieder vorne mitmischen würde. Hauptsache, er kommt (wie alle Teilnehmer) gesund heim.