Wer sich das englische St. Leger-Feld in der Sporting Life anschaut, reibt sich verdattert die Augen: 15/2 (85:10) steht dort als Quote für den großen Favoriten Camelot. Das wäre eine mehr als lukrative Angelegenheit, doch leider haben sich die Kollegen vertan. Der mehrfache klassische Sieger steht bei den meisten Buchmachern weit unter 20, die anderen Kurse stimmen übrigens auch nicht. (Nachtrag 14.9.: Die Sporting Life hat die Kurse geändert)
Camelot könnte nach 42 Jahren das erste Pferd sein, dass die englische Triple Crown – 2000 Guineas, Derby und St. Leger – gewinnt. Zuletzt schaffte der große Nijinsky im Jahre 1970 dies, in den alten Zeiten des Turfs war dieser Triumph eher mal üblich.
Aber es ist in England ähnlich wie in anderen Ländern: Das St. Leger in Doncaster über die Steherdistanz von 2800 Metern zählt schon lange nicht mehr zu den Top-Rennen des Jahrgangs. Für einen Derby-Sieger gibt es lukrativere und prestigeträchtigere Alternativen wie etwa den Arc. Immerhin ist die Prüfung auf der Insel immer noch beschränkt auf dreijährige Pferde.
Und jetzt der Paukenschlag: Ein Triple Crown Sieger macht sich auch in der Zucht gut, dachten sich die Herren Magnier, Tabor und Smith. Damit begab sich Camelot auf die Spuren von Nijinsky.
Nach Ranking steht der noch ungeschlagene Montjeu-Sohn weit über der Konkurrenz, zu dominant waren seine Erfolge beispielsweise im englischen Derby. Camelot hat das Pech, dass ein Zeitgenosse namens Frankel derzeit die Turf-Öffentlichkeit fasziniert und damit ihm etwas das Rampenlicht nimmt.
Trainer Aidan O’Brien hat durchaus Respekt vor der längeren Distanz, allerdings machte sein Schützling den Eindruck, dass ihm die längere Strecke nichts ausmachen werde.
Nijinsky gewinnt mit dem berühmten “Finger in der Nase” das St. Leger in Doncaster und darf sich damit Triple Crown-Sieger nennen. Das war 1970.
Dreifache Gosden-Attacke
Wer sind die Gegner? Es spricht schon für das St. Leger 2012, dass der Erste und Zweite des Epsom Derbys in Doncaster an den Start kommen. Main Sequence ist ein tolles Pferd und war nicht umsonst Derby-Tipp dieser Kolumne. Gegen Camelot war er allerdings chancenlos, danach in Frankreich hatte er ein etwas unglückliches Rennen, in York zuletzt hätte er aber eigentlich gewinnen müssen. So recht traue ich ihm aber die Formumkehr gegen den O’Brien-Schützling nicht zu.
Sein Bezwinger in York hieß nach einem sehr klugen Ritt von William Buick Thought Worthy. Dessen Trainer John Gosden hat in den letzten fünf Jahren dreimal das St. Leger gewonnen, auch in diesem Jahr läuft es richtig rund am Stall. Immerhin war der Sohn von Dynaformer auch Vierter im englischen Derby, allerdings schon respektabel geschlagen.
Neben dem Außenseiter Dartford schickt Gosden mit Michelangelo einen sehr interessanten Kandidaten ins Rennen. Erst vier Mal am Start und damit ein Kandidat, dessen Grenzen noch lange nicht erkannt sind. Rein rechnerisch aber ein ziemlicher Sprung gegen Camelot oder Main Sequence. Zumal die letzte Form in Goodwood nicht überzeugend war.
Ein ähnlicher Fall wie Michelangelo ist Guarantee, trainiert von William Haggas. Er kommt aus Handicaps, hat über 2800 Meter schon gewonnen und sollte als wenig gelaufenes Pferd noch einiges im Tank haben. Sein Trainer versteht es zudem sehr gut, solche Kandidaten erfolgreich zu platzieren. Aber auch hier gilt: Der Sprung ist groß.
Wer unbedingt ein Pferd mit hoher Quote will, sollte sich Encke aus dem Goldolphin-Stall anschauen. Nun sind die Blauen schon mit viel prominenteren Namen in Doncaster gescheitert, aber ich habe den Eindruck, dass das Pferd noch Reserven hat.
Urteil
Geld verdient wird in anderen Rennen. Camelot steht über dem Feld und schnappt sich die Dreifach-Krone.