Das Pippi-Langstrumpf-Lied hat derzeit Hochkonjunktur bei den BVB-Fans. „Wer wird deutscher Meister, BVB-Borussia“, tönt es von den Rängen. Verständlich: Borussia Dortmund hat einen überragenden Start hingelegt mit neun Siegen, einem Unentschieden und nur einer Niederlage. Und zudem meist grandiosen Fußball gespielt. Trainer, Mannschaft und Management halten allerdings den Ball flach, das Thema Titel ist tabu. Das ist vernünftig.
Am Freitag kommt mit dem Hamburger SV ein Gegner, der individuell sehr gut besetzt ist, aber als Mannschaft bislang wenig überzeugen konnte. Gegen den „Bundesliga-Dino“ gab es oft spektakuläre Spiele mit Hochspannung. Das zeigt auch unser Rückblick auf drei denkwürdige Duelle mit dem HSV.
Hamburger SV - Borussia Dortmund 3:4 (0:3), 14.08.1976, Bundesliga, 1. Spieltag, Saison 1976/77
Es war ein glanzvolles Comeback von Borussia Dortmund im deutschen Fußball-Oberhaus: 4:3 gewann der Aufsteiger völlig überraschend beim amtierenden Pokalsieger Hamburger SV und sorgte damit für den ersten Paukenschlag der noch jungen Saison. Vier Jahre hatte der BVB in den Niederungen der Regionalliga und 2. Liga verbracht, stand in dieser Zeit fast vor dem finanziellen Ruin, bevor das zur WM 1974 gebaute Westfalenstadion dem Verein neuen Schwung gab. Und jetzt führte Schwarz-Gelb auf einmal 3:0 zur Pause beim ambitionierten HSV: Hartl hatte den BVB bereits nach 4 Minuten in Front gebracht, der unvergessene „Pit“ Geyer (Markenzeichen: sein permanenter Blick auf den Boden, kicker-Note 1 an diesem Tag) erhöhte auf 2:0 (29.) und Kostedde gelang sogar das 3:0 nach 38 Minuten. Die 50 000 Zuschauer, so fern sie HSV-Fans waren, trauten ihren Augen nicht. Der freche Neuling hatte das Starensemble der Hanseaten quasi überrollt.
Nach dem Wechsel wurde es doch noch spannend: Steffenhagen (53.) und Reimann (58.) brachten die Gastgeber , doch dieser Nachmittag war auch der Tag des Erwin Kostedde: Der Mittelstürmer, der
später im Leben viel Pech hatte, markierte das 4:2. Die Gastgeber kamen zwar durch einen Handelfmeter von Volkert (74.) noch einmal heran, doch mit Glück und Geschick verteidigte Borussia den knappen Vorsprung. Auch das Rückspiel war im übrigen hochspannend: 4:4 trennten sich die Konkurrenten.
In der Schlusstabelle belegte der Aufsteiger einen guten achten Rang. Die Strategie von Trainer Otto Rehhagel, auf Routiniers wie „Ente“ Willi Lippens und Erwin Kostedde zu setzen, zahlte sich aus – auch wenn die Nörgler-Fraktion im Westfalenstadion oft über den etwas bewegungsarmen Kostedde motzte. Die Hamburger enttäuschten damals in der Liga, holten aber den Europapokal der Pokalsieger in die Hansestadt. Und sie hatten mit Dr. Peter Krohn einen Präsidenten, der in Sachen Vermarktung und Show seiner Zeit weit voraus war. Unter anderem steckte er die HSV-Kicker in rosa Trikots.
Gruppenbild mit Löwe: Der Kader des BVB in der Saison 1976/77
Borussia Dortmund – Hamburger SV 2:0 (2:09, 17.06.1995, Bundesliga, 34. Spieltag, Saison 1994/1995
Die Saison 1994/1995 endete mit einem echten Herzschlagfinale: Vor dem 34. Spieltag lag Werder Bremen mit 48-18 Punkten auf Platz 1, auf Rang 2 folgte Borussia Dortmund mit 47-19 Punkten (die 3-Punkte-Regel gab es noch nicht) und schlechterem Torverhältnis. Der BVB war also auf Schützenhilfe des FC Bayern München angewiesen, der am letzten Spieltag zuhause gegen Werder spielten. Zum ersten Mal in meinem Leben drückte ich den (ansonsten verhassten) Bayern die Daumen.
Dortmund hatte die wesentlich leichtere Aufgabe, empfing den Hamburger SV, der in dieser Spielzeit höchstens Mittelmaß verkörperte. Im ausverkauften Westfalenstadion war das Spiel schnell entschieden: Möller brachte den BVB früh nach 8 Minuten in Front, (natürlich) Lars Ricken beruhigte mit seinem 2:0 nach 28 Minuten endgültig die schwarz-gelbe Anhängerschaft. Das Spiel war gelaufen, zu souverän wirkte der BVB, zu schwach der HSV.
Viel spannender war es hingegen in München: Dort hatte Christian Ziege mit seinem frühen 1:0 für die Bayern schnell für einen weiteren Adrenalinstoß in Dortmund gesorgt. Doch Werder glich durch Mario Basler nach 39 Minuten aus, doch Alexander Zickler sorgte mit dem 2:1 zwei Minuten später für den alten Abstand.
In Halbzeit 2 schaute alles noch gebannter auf das Geschehen ins Olympiastadion, in Dortmund passierte auf dem Feld nicht mehr viel. Leute mit Radio waren gefragt an diesem Nachmittag, Bayern musste einige bange Minuten überstehen. Ausgerechnet Alexander Zickler, der später so viel verletzt war, erwarb an diesem Nachmittag dauerhafte BVB-Sympathie. Sein 3:1 entschied die Partie in München, Borussia Dortmund war nach 32 Jahren wieder Deutscher Meister.
Hamburger SV – Borussia Dortmund 3:4 (1:2), 27.04.2002, Bundesliga, 33. Spieltag, Saison 2002/03
Marcio Amoroso war eine der größten Diven, die jemals das Dortmunder Trikot getragen haben. Für die Wahnsinnssumme von 50 Millionen DM war der Brasilianer 2001 gekommen, sein Abgang zwei Jahre später war absolut filmreif. Doch zumindest in seiner ersten Spielzeit überzeugte Amoroso mit 18 Toren in 31 Spielen. Eine seiner besten Leistungen zeigte er am vorletzten Spieltag beim 4:3-Erfolg in Hamburg, als er zwei Tore selbst erzielte und den Treffer von Rosicky vorbereitete. Von Minute 36 bis zur Pause wurde es richtig aufregend: HSV-Abwehrspieler Hertzsch foult Amoroso und sieht Rot wegen einer Notbremse, Amoroso trifft zur BVB-Führung. Zwei Minuten erhöht der an diesem Tag ebenfalls bärenstarke Tomas Rosicky auf 2:0, doch in der 41. Minute kommt der HSV zurück ins Spiel: BVB-Abwehrrecke Christian Wörns erhält nach einem elfmeterreifen Foul am Ex-Dortmunder Barbarez die gelb-rote Karte, den Strafstoß verwandelt Wicky zum 1:2. Nach der Pause setzt sich bei 10 gegen 10 der offene Schlagabtausch fort: 1:3 (63.) Amoroso; 2:3 (80.) Hoogma; 2:4 (87.) Koller; 3:4 (90.) Meijer. Es war ein packendes Spiel zweier starker Teams. „Die BVB-Individualisten triumphieren über das HSV-Kollektiv“,
analysierte der kicker. Für Dortmund war es ein Erfolg mit erfreulichen Folgen: Weil Leverkusen erneut verlor, übernahm der BVB am vorletzten Spieltag die Tabellenspitze. Mit einem 2:0-Erfolg gegen Werder Bremen sicherte sich Borussia die Meisterschaft.
Quellen:
fussballdaten.de,
kicker sportmagazin