Mittwoch, 31. Juli 2019
Pflicht und Kür: Die Sonderhefte von kicker und 11 Freunde
Vorbereitungszeit im Fußball ist auch die Zeit der Sonderhefte zur kommenden Saison. nurpferdeundfussball hat die Sonderhefte von kicker und 11 Freunde gelesen.



Das Sonderheft des kickers ist der Klassiker – „das Original seit 1963“ steht auf der Titelseite. Seit 1974 kaufe ich es und auch in Online-Zeiten nutze ich es regelmäßig in der Saison – dank Smartphone allerdings deutlich weniger als früher. Dennoch würde ich nie auf die Idee kommen, mir etwa das Sonderheft der Sport Bild zu kaufen. Das kicker-Sonderheft gehört zum Sommer.
Das Titelbild mit der Meisterschale ist immer das Gleiche, die Stecktabelle ist „Kult“ und schon seit Ewigkeiten im Heft. Jeder Bundesligist wird ausführlich mit Mannschaftsfoto vorgestellt, ähnliches gilt für die Teams der 2. und 3. Liga, die aber weniger detailliert präsentiert werden.
Doch die Heftstruktur ist diesmal neu. Früher kamen erst die Texte über alle Teams der ersten Liga, dann folgten die Fotos, Kader und Statistiken zu jedem einzelnen Bundesligisten. 2019 ist das anders: Jetzt sind Text, Foto, Kader und Statistik quasi ein Block. Das ist gut, erspart das Umblättern nach hinten und zurück, denn so habe ich früher das Heft gelesen. Ebenfalls sehr gut: Die Seite „Wir freuen uns“, wo sieben kicker-Redakteure schreiben, worauf sie in der neuen Saison besonders gespannt schauen.
Ansonsten ist es kicker-Standard: Die Texte sind meist ganz informativ, ohne in die Tiefe zu gehen. Etwas mehr Struktur wäre mir lieb, es gibt keine inhaltlichen Vorgaben. So kann jeder Redakteur eigene Schwerpunkte setzen – mal gelingt das gut, mal weniger.
Manche Geschichten hätten zudem etwas gestrafft werden können: So ein Exklusiv-Interview mit Bayern-Trainer Niko Kovac klingt zwar gut, allerdings gibt sich der Bayern-Trainer ziemlich zugeknüpft. Zwei Seiten hätten es auch getan.

Fazit: Gewohnt solide Arbeit mit einigen gelungenen strukturellen Veränderungen und kleinen Schwächen. Dennoch ein guter Begleiter mit allen Fakten zur Spielzeit.



Ist der kicker sozusagen die Pflicht zur neuen Saison, sind die 11 Freunde quasi die Kür. Das Magazin für Fußballkultur hat einen speziellen Humor, den man mögen muss. Das Cover Balli Balli erinnert an die 70er Jahre-Quizsendung Dalli Dalli, nur statt Hans Rosenthal führt Uli Hoeneß durch die Sendung und sitzen dort Hans-Joachim Watzke, Jörg Schmadtke und Max Eberl als Kandidaten. Die Filmplakate mit den Fußballern und die TV-Vorschau sind nicht neu, ich finde sie aber immer noch gut.
Es gibt einige sehr gute Reportagen, allen voran das Portrait des neuen Schalker Trainers David Wagner. Die Interviews bei den 11 Freunden schlagen die im kicker immer um Längen. Die Themenmischung passt einfach: Hummels, der Bayern-Fanclub, die letzten Worte des Alf Mintzel vom SV Wehen – nur einige Höhepunkte.
Dazu gibt es wieder ein Extraheft „Alles zur Saison“, in dem Fans ihre Erwartungen schildern. Das Beste sind aber die alten Mannschaftsbilder inklusive der humorigen Bildunterschriften. Kostprobe zum Bild des FC Bayern aus dem Jahr 1971: „Die Auswahl der Gesamtschule Untergiesing vor dem funktionalen Oberstufentrakt. Links Schülersprecher Uli H., rechts der strenge, aber gerechte Physiklehrer Udo L., der in seiner Freizeit die lausbübischen Pennäler trainiert." Wie gesagt, den Humor muss man mögen.

Fazit: Zuletzt haben mich manche 11 Freunde-Hefte nicht so überzeugt. Zu sehr kennt man die Machart inzwischen. Aber hier passt die Mischung wieder: Sehr gute Geschichten, manchmal etwas pubertärer Humor, den ich aber mag. Und die 11 Freunde bringen Geschichten, an die kicker und Sport Bild nie rangehen. Das ist eine besondere Qualität.



Montag, 29. Juli 2019
Enable und Crystal Ocean schreiben Geschichte
Es war ein episches Duell, dieser Kampf zwischen Enable und Crystal Ocean in den King George Stakes am Samstag in Ascot. Die beiden Pferde schrieben Turfgeschichte. Grundy gegen Bustino war vor meiner Zeit, im letzten Jahr Poet’s Word gegen Crystal Ocean war schon ein Thriller. Aber das Duell am Samstag toppte alles.

Es gibt ja viele Leute, denen es egal ist, ob da jetzt ein Ausgleich 4 oder ein Rennen der Gruppe 1 ansteht. In so einem Ausgleich 4 laufen mehr Pferde, es gibt viel mehr Chancen auf eine dicke Außenseiter-Quote – weil nach Formen oft keiner so recht heraussticht. Mir war und ist das nie egal, so wichtig der Basissport auch ist. Denn die vierbeinigen Stars sind das Salz in der Suppe, die den Sport erst interessant machen. Ausnahmekönner haben eben eine besondere Anziehungskraft
Zum Beispiel Enable und Crystal Ocean am Samstag im King George. Zwei Spitzenkönner duellierten sich, lieferten sich einen grandiosen Kampf. Crystal Ocean war schon mal kurz vorbei, doch dann zog die Stute von Trainer John Gosden noch mal an. Ganz großes Kino – von beiden. Es war ein grandioses Rennen, eines, an das man sich noch in vierzig Jahren erinnern wird.
Der Kolumnist ist ja nicht mehr so versessen, dass er unbedingt eine Rennbahn besuchen muss. Manches sieht man am Bildschirm sogar besser. Zudem litt er zuletzt unter einer gewissen Turf-Müdigkeit – nach dem Hamburger Derbymeeting hatten andere Dinge im Leben Vorrang. Aber in den King George VI And Queen Elizabeth Qipco Stakes lag etwas besonderes in der Luft, diese Erwartung wurde nicht enttäuscht.

Königin und König
Bei diesem Rennen wäre ich gerne live dabei gewesen. Der Lärm, die Atmosphäre, die Spannung, der frenetische Applaus danach – gigantisch. Egal, dass ich Crystal Ocean gewettet habe. Dieses Rennen war einfach purer Genuss.
Enable war die amtierende Königin des Turfs und sie ist es geblieben. Frankie Dettori machte wieder mal alles richtig. Auf der anderen Seite hat James Doyle auf dem Zweiten nichts falsch gemacht. Sein Pferd kämpfte großartig, war ein würdiger Herausforderer und unterlag nach 2018 zum zweiten Mal hauchdünn im King George. Mehr als ein „Meister der Herzen“.
Am Samstag schrieben Enable und Crystal Ocean Geschichte. Auch Waldgeist lief als Dritter famos und zeigte die beste Leistung seiner Karriere. Diesmal ritt Pierre-Charles Baudot den Ammerländer viel offensiver, einen kurzen Moment dachte ich sogar, dass sein Pferd die ersten beiden erreicht. Das schaffte er nicht, dennoch verdient auch er viel Applaus.
Ich bin nicht unbedingt ein Freund großer Statistiken, aber diese von Racing TV finde ich ganz interessant. Enable hat in ihrer Laufbahn 43 Gruppe 1-Sieger geschlagen, mehr als Frankel (24) und Sea The Stars (18) zusammen.



Für Historiker: So war das damals 1975, als Grundy sich mit Bustino duellierte. Interessanter Rückblick



Freitag, 26. Juli 2019
Wer stoppt Enable?
Im Jahre 2012 war es Danedream, ein Jahr später Novellist. Doch nicht nur die deutschen Erfolge in den King George Stakes in Ascot, einem der wichtigsten Rennen in der englischen Rennsaison, erinnern an große Stunden. Die Qipco King George VI and Queen Elizabeth Stakes (Gruppe 1, 2400 Meter), so der komplette Titel, gewinnt fast immer ein großer Namen des Turfs. Die Stars der Ausgabe 2019.

Enable
Wir beginnen mit Enable, dem Turf-Superstar der letzten Jahre. John Gosdens grandiose Stute gewann nicht nur zweimal den Arc und möchte den Hattrick in diesem Jahr schaffen. Sie triumphierte auch 2017 im King George und distanzierte dabei Ulysses und Highland Reel. Im letzten Jahr war sie zehn Tage vor dem Arc krank, dennoch siegte sie sowohl im französischen Megarennen als auch im Breeders Cup. Ihr diesjähriges Saisondebut in den Eclipse Stakes in Sandown gegen die alte Rivalin Magical fiel sehr überzeugend aus. Enable kann jeden Boden, kennt fast nur Siege und hat mit Frankie Dettori einen Mann im Sattel, der die Stute blendend unterstützt. Alle Vorzeichen stehen für eine weitere Glanzvorstellung. Aber unschlagbar ist sie nicht.



King George 2017: Die damals dreijährige Enable triumphiert überlegen gegen Ulysses und Highland Reel.

Crystal Ocean
Da wäre etwa Crystal Ocean aus dem Quartier von Sir Michael Stoute. Manche Experten sagen, er wäre Enables bislang stärkster Gegner. Mit fünf Jahren hat sich der Hengst noch mal deutlich verbessert, sein Erfolg in den Prince of Wales Stakes gegen Magical und Waldgeist war sehr beeindruckend. In diesem Jahr ist Crystal Ocean noch ungeschlagen, im letzten Jahr unterlag er im King George nur hauchdünn nach großem Kampf gegen den Stallgefährten Poet's Word. Er könnte der Gosden-Stute das Leben schwer machen.

Anthony Van Dyck
Es ist schön, wenn gute Dreijährige den Kampf gegen die älteren Superstars aufnehmen. Anthony van Dyck ist immerhin der aktuelle englische Derbysieger. Ein Kandidat aus der Armada von Aidan O'Brien, im irischen Derby war er jedoch chancenlos gegen einen vorher wenig beachteten Stallgefährten. Diese Leistung war sehr ernüchternd. AVD ist ein großer Steher, der noch Reserven haben könnte. Doch auch wenn Aidan O’Brien ein Meister darein ist, seine Pferde topfit auf den Punkt zu bekommen: Der Hengst müsste sich deutlich verbessert haben, um hier bestehen zu können.

Waldgeist
Ganz ohne deutsche Beteiligung kommt jedoch auch dieser King George nicht aus: Waldgeist ist im Besitz des Gestütes Ammerland, stammt aus einer bekannten deutschen Linie und wird in Frankreich von Andre Fabre trainiert. In Ascot blieb er hinter Crystal Ocean, seine beste Arbeit machte er dort zum Schluss. Es war kein guter Ritt von Pierre-Charles Baudot, weil er das Pferd erst nach vorne schickte, als das Rennen schon entschieden war. In Ascot wird er ihn aggressiver steuern, die 2400 Meter des King George sollten ihm zugutekommen. Die vorherigen Leistungen waren gut, im Arc 2018 kam er nach schlechtem Rennverlauf noch gut ins Rennen. Dennoch steht er unter Enable und Crystal Ocean.

Defoe
Erwähnung verdient ebenfalls noch Defoe, ein in diesem Jahr weiter verbesserter Dalakhani-Sohn. Der Schützling von Roger Varian siegte in dieser Saison in Ascot (Hardwicke Stakes, Gruppe 2) und Epsom (Coronation Cup, Gruppe 1), die King George-Gegner in diesem Jahr sind aber noch höher einzuschätzen.

Fazit
Ein Rennen zum Genießen. Enable ist der Superstar, aber Crystal Ocean kann die Serie der famosen Stute stoppen. Waldgeist würde ich nicht abschreiben.