Donnerstag, 6. September 2018
Der Ausverkauf geht weiter
Leider sind diese Meldungen schon seit Jahren keine Seltenheit mehr im deutschen Galoppsport: Mit Sound Check verlässt der nächste Top-Galopper Deutschland Richtung Ausland. Es geht nach Australien, natürlich ist der Melbourne Cup das große Ziel. Und nicht nur dort sind nach den Erfolgen von Protectionist und Almandin Pferde aus deutscher Zucht gefragt.

„Ein Syndikat aus australischen und neuseeländischen Klienten“ habe das Pferd für „gutes Geld“ gekauft“, erklärte sein neuer Trainer Mike Moroney. „Er war sicherlich nicht billig, aber diese Zweimeilenpferde können heute auch eine Menge Geld verdienen.“
In Australien wohlgemerkt. Und deshalb wird Manfred Ostermann, Chef des Gestütes Ittlingen, die Entscheidung leicht gefallen sein. Sound Check – trainiert von Peter Schiergen – zählt zu den besten Stehern Deutschlands, ist Gruppesieger über 3200 Meter und war zuletzt Zweiter im Großen Preis von Berlin (Gruppe 1) über 2400 Meter. Verdient hat der Lando-Sohn 184 000 Euro – hört sich auf den ersten Blick viel an, ist aber im internationalen Vergleich wenig.
Im Melbourne Cup 2018 bekommt der Sieger rund 2,48 Mio. Euro, selbst der Zwölfte erhält noch über 74 000 Euro. Zum Vergleich: In Deutschland gewinnt der Erste im St. Leger (immerhin ein Klassiker) gerade mal 32 000 Euro.
Sound Check war nicht der Einzige: Kurz zuvor meldete galopponline, dass der talentierte Dreijährige Schabau Deutschland verlassen und zukünftig ebenfalls in Australien seine Rennkarriere fortsetzen wird. Zuletzt hatte der Pastorius-Sohn mit dem kölschen Namen das BBAG Steher-Auktionsrennen am Hamburger Derby-Tag überlegen gewonnen. Kaufpreis soll eine „mittlere sechsstellige Summe“ gewesen sein, sein neuer Coach Robert Hickmott trainierte einst Almandin zum Melbourne Cup-Helden.



Almandin hat mehr Stehvermögen als Heartbreak City im Melbourne Cup 2016. Der einstige Schlenderhaner schaffte damit einen der größten Erfolge für die deutsche Zucht.

Einerseits sind diese Aufkäufe ein Kompliment für die deutsche Zucht, andererseits ist der Verlust dieser Pferde für das heimische Renngeschehen ein herber Verlust. Nachvollziehbar sind die Verkaufsentscheidungen ihrer Besitzer allemal. Denn die Verdienstmöglichkeiten in Deutschland sind im Vergleich zu anderen Ländern nicht wettbewerbsfähig.
Der Abgang von Top-Pferden ist gewaltig: Poetic Dream (Mehl-Mülhens-Gewinner 2017), Shimrano (Union-Sieger 2015), Rosenpurpur (Derby-Dritter 2017) oder die ehemaligen Schlenderhaner Guardini, Almandin, Iwanhowe oder Swacadelic – die Liste ist unvollständig.
Das ist auch ein Grund, warum viele Gruppe-Rennen in den letzten Jahren ziemlich schwach besetzt waren. Quantitativ und qualitativ. Da es in Deutschland auch immer weniger gutbesetzte Handicaps der Kategorien 1 und 2 gibt, weil Pferde dieser Klasse in Frankreich mehr verdienen können, werden die deutschen Renntage immer öder. Besserung scheint leider nicht in Sicht zu sein.



Dienstag, 28. August 2018
George Best: Brave Biografie über einen wenig Braven
Zu seiner Beerdigung kamen im Dezember 2005 über 100 000 Menschen nach Belfast – Katholiken als auch Protestanten. George Best war ein genialer Fußballer, aber er „war auch ein Getriebener, der durch die Nachtclubs zog und sich zu Tode soff“. „George Best – der ungezähmte Fußballer“, lautet der Titel der deutschsprachigen Biografie von Dietrich Schulze-Marmeling.

Der Nordire war eine der schillerndsten Persönlichkeiten des internationalen Fußballs. 1963 gab der in Belfast Aufgewachsene sein Debüt bei Manchester United. Es waren die Swinging Sixties: Sie nannten ihn den fünften Beatle, er dribbelte wie kein anderer. Die Frauen liebten ihn, Best war mehr als nur Kicker, der erste Popstar des Fußballs. Leider habe ich ihn nicht mehr spielen sehen, doch manche hielten ihn für besser als Pele. Oder Beckenbauer. Oder Bobby Charlton. Sein bester Spruch ist legendär. „Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben, den Rest habe ich einfach verprasst“, sagte der Mann, der einst eine Vorliebe für die jeweilige Miss World hatte.
Eigentlich genug Stoff für eine spannende Biografie. Doch Dietrich Schulze-Marmeling beschreibt das Leben des großen Fußballers so buchhalterisch, das es fast schon weh tut. Natürlich hat er fleißig recherchiert, hat auch einige Weggefährten gesprochen, aber das Ganze wirkt völlig leblos und passt gar nicht zum flamboyanten Kicker.

Ein spätes Busby-Babe
Schulze-Marmeling schildert das Leben von George Best streng chronologisch. Dabei geht es nicht nur um die sportliche Karriere des Stürmers bei Manchester United, parallel dazu beschreibt Schulze-Marmeling auch die politische Situation in Nordirland. Best mag zwar wenig an Politik interessiert gewesen sein, der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten hat jedoch auch seine Karriere beeinflusst.
Denn es gab nie ein gesamtirisches Team, das die fußballerischen Kräfte Irlands bündelt. So spielte Best nie bei einer Weltmeisterschaft, weil sich Nordirland nicht in seiner aktiven Zeit qualifizierte. In der Nationalmannschaft war Best nie der große Macher, sein sportlicher Mittelpunkt war Manchester United unter dem legendären Manager Matt Busby. Dort hatte er Erfolg, dort verehrten ihn nicht nur die eigenen Fans.
Aber Best kannte keine Grenzen. Seine zweite Heimat wurden die Pubs und Clubs Manchesters. Er lebte alles andere wie ein Berufssportler. Spannend wäre es gewesen, wenn man erfahren hätte, warum Best durch die Klubs zog und quasi seine Karriere versoff. Diese Frage kann auch Schulze-Marmeling nicht beantworten. Und so werden das Leben des Spielers und die politische Krise in Nordirland brav abgearbeitet, aber die interessanteste Frage bleibt ohne Antwort. Schade.



Schöne Tore hat George Best gemacht, ohne Zweifel



Donnerstag, 23. August 2018
Kein Ende der „Winxmania“ in Sicht
Die Galoppwelt braucht große Stars und der Größte läuft derzeit im fernen Australien. Winx heißt die famose Stute, gewann 26 Rennen in Serie und ist seit dem 16. März 2015 ohne Niederlage. Damit übertraf die Stute die Sprinterin Black Caviar, die 25-mal in Folge triumphierte. Annäherungen an ein Ausnahmepferd.

Zuerst erst einmal heißt es, in Demut zu versinken. Weil wir auf diesen Seiten dieses Pferd noch nicht einmal erwähnt haben. Aber irgendwann hat auch jede Ignoranz ein Ende. Dabei ist Winx der Superstar der Szene und laut Timeform mit 130 das höchst eingeschätzte Pferd der Welt.
Natürlich hat Winx ihre eigene Homepage. Eine Biografie soll im Oktober auf den Markt kommen, eine Briefmarke in Australien zu ihren Ehren gibt es schon. Ihr Foto wird auf Bahnhöfe projiziert. Winxmania überall, das Rennen, das sie am letzten Samstag in Randwick gewann, trug ihren eigenen Namen. Und nicht nur in Down Under ist das Pferd Kult, auch in Europa stieg die Begeisterung von Sieg zu Sieg.
Sieben Jahre ist die Stute inzwischen und Trainer Chris Waller und ihre Besitzer verdienen großes Lob, dass sie Winx in diesem für Flachpferde schon reifem Alter noch laufen lassen. Das Ende ist nicht absehbar. „Sie bewegt sich gut, sieht gut aus, sie ist stärker und ihre Körpersprache ist so gut wenn nicht sogar besser als sie jemals war“, sagte Trainer Waller nach dem letzten Erfolg. „Das sind viele Zeichen, dass sie vielleicht sogar noch besser ist.“
Die Fakten sprechen für sich: 36 Starts, davon 30 Siege, 19 in Gruppe 1-Prüfungen, Preisgeld über 12,2 Mio Euro. Chris Waller trainiert das Pferd, Besitzer sind die Partnerschaft Magic Bloodstock (Manager Peter Tighe), Debbie Kepitis und Richard Treweeke. Der Vater heißt Street Cry, die Mutter Vegas Showgirl. Die Mutter wurde in Neuseeland trainiert, siegte in immerhin sieben Rennen bei 35 Starts. Der Halbbruder El Divino (2013) gewann beim Debüt immerhin ein Gruppe 3-Rennen und schaffte danach noch zwei Platzierungen in guten Rennen.

Immer noch etwas im Tank
Aber so gut wie seine Schwester ist er natürlich nicht. Ihr Rennstil ist einzigartig: Am Anfang hält sich Winx in der Regel im hinteren Feld, kurz vom Erreichen der Geraden verbessert ihr Jockey (in den meisten Fällen war und ist das Hugh Bowman) die Position. Dabei bleibt er oft außen und geht in der Kurve längere Wege. Das heißt mehr Meter, hat aber den Vorteil, dass Winx nicht von innenliegenden Pferden behindert werden kann.
So Mitte der Zielgeraden lässt Bowman dann die Stute los. Und diese reagiert und lässt die Gegner stehen. Als wenn diese Statisten wären bei der großen Show. Das sieht alles so leicht aus, ihr Speed ist einfach nur phänomenal. Zudem braucht Bowman fast nie die Peitsche, die meisten Siege sind überlegen. Irgendwie scheint sie immer noch was im Tank zu haben.
Außergewöhnlich für europäische Verhältnisse ist zudem ihre Vielseitigkeit: Winx siegte auf Distanzen von 1100 bis 2200 Metern. In Europa sind die Pferde entweder Sprinter, Meiler oder Steher. Winx ist hingegen der Allrounder: Sie hat das Tempo für 1400 Meter als auch Stehvermögen für Distanzen über 2000 Meter.
Ob die Formen jetzt Weltklasse sind, lässt sich schwer beurteilen. Aus europäischer Sicht wohl nicht, aber Winx gewinnt ihre Rennen so leicht, dass sie noch einige Kilos in der Hand hat. In Europa werden wir sie wahrscheinlich nie sehen, der Versuch etwa, sie nach Ascot zu holen, misslang. Leider. Aber vielleicht startet sie ja beim Breeders Cup im Spätherbst. Und da sie so vielseitig ist, bieten sich dort viele Optionen. Das Gipfeltreffen in den USA hätte jedenfalls eine große Attraktion. Ihre Legende würde auch bei einer Niederlage fernab der Heimat bleiben.



Ein Traum: Betreuerin Candice Persijn über Winx