Donnerstag, 16. August 2018
Roaring Lion empfiehlt den Derby-Jahrgang
Natürlich ist es für ein endgültiges Urteil noch zu früh. Aber es gibt schon erste Indizien, wie gut die dreijährigen Pferde in diesem Jahr sind. In England kann man sogar schon mehr sagen. nurpferdeundfussball nennt ein paar Fakten.

Ganz zum Sieg hat es nicht gereicht, aber es war eine starke Vorstellung: Lange sah Royal Youmzain im Großen Preis von Berlin wie der Sieger von der Spitze aus, aber am Ende konnten es Best Solution und Sound Check ein wenig besser. Aber der Wöhler-Schützling blieb vor Dschingis Secret (leicht behindert in der Zielgerade) und dem letztjährigen Derbysieger Windstoß (der allerdings unter Form blieb), zwei der besten deutschen Pferde über Distanzen ab 2000 Metern.
Es ist jedes Jahr eine beliebte Frage: Wie halten sich die Dreijährigen gegen die Älteren, wenn die Klassiker erst einmal gelaufen sind. Nun ist das Deutsche Derby in Hamburg-Horn gerade mal fünf Wochen alt, zumindest in Deutschland ist es für ein endgültiges Urteil noch viel zu früh. Am Start waren neben Royal Youmzain bereits der Derby-Zweite Destino und der Vierte Salve Del Rio. Es war wie in Union und Derby: Destino besiegte Salve Del Rio, Platz 1 und 2 im Fritz Henkel Stiftung-Rennen (Gruppe 3) in Düsseldorf. Natürlich hatten die beiden Dreijährigen deutliche Gewichtsvorteile, aber der sehr konstante Devastar auf Platz 3 ist schon ein guter Prüfstein.
Aus dem Derby-Feld waren Zargun (unplatziert in einem Listen-Rennen in Deauville) und Capone (Platz 3 in einem Maidenrennen in Düsseldorf) ebenfalls wieder aktiv. Zudem lief Chimney Rock (im Derby Nichtstarter) unplatziert, aber stark gewettet im Düsseldorfer Rennen mit den Derbyplazierten. Weltstar, der Derbysieger 2018, soll Anfang September im Großen Preis von Baden erstmals nach seinem Triumph starten.

Marke schon gesetzt
In England kann man nach über zwei Monaten schon eher ein Fazit ziehen. Leider verletzte sich Derbysieger Masar vor seinem Auftritt in den Coral Eclipse Stakes. Doch andere sprangen in die Bresche: Roaring Lion (3. im GB-Derby) siegte in eben dieser Gruppe 1-Prüfung über 2000 Meter in Sandown, dahinter folgte Saxon Warrior (4. im GB-Derby) aus dem Quartier von Aidan O’Brien – damit blieben zwei dreijährige Starter vor älteren Pferden. Schöner Erfolg, auch wenn die älteren Teilnehmer im Eclipse schon mal stärker erschienen als in diesem Jahr.
Ansonsten enttäuschte Hazapour gegen die Älteren als Dritter in den Meld Stakes (Gruppe 3) in Leopardstown über 1800 Meter. Gar zwei Siege nach dem englischen Derby feierte Kew Gardens in Royal Ascot (Queen‘s Vase, über 2800 Meter) und im Grand Prix De Paris. Beides gelang aber gegen Altersgenossen, ein Start im King George gegen die älteren Cracks um Poet‘s Word und Crystal Ocean verhinderte eine Verletzung. So kam nur Rostropovich (Zweiter im Irischen Derby) als Dreijähriger an den Start und war letztlich chancenlos.
Bereits drei Starts nach dem Derby absolvierte Dee Ex Bee, der Überraschungs-Zweite aus Epsom. Die Bilanz war durchwachsen: Siebter im Irischen Derby, Dritter im Grand Prix De Paris und Zweiter von Vier in den Gordon Stakes, Gruppe 3 in Goodwood.
Fast schon traditionell rücken einige Kandidaten – besonders aus dem großen Aidan O’Brien-Stall – im Irischen Derby in die Startboxen. Saxon Warrior (3.), Delano Roosevelt (4.) und The Pentagon (5.) blieben wie der englische Gast Knight to Behold ohne Chance. Immerhin kam der Sieger auch aus der O’Brien-Familie – Latrobe, trainiert von Joseph O’Brien und geritten von Donnacha O‘Brien
In den nächsten Wochen bleibt es jedoch spannend im Kampf der Generationen: In York steht das Juddmonte International auf dem Programm, dort könnten Roaring Lion und Saxon Warrior auf einige hochkarätige ältere Pferde wie Cracksman oder Poet‘s Word treffen. In Deutschland rückt der Große Preis von Baden in den Fokus: Die ersten Drei aus dem Derby – Weltstar, Destino und Royal Youmzain – vielleicht gegen ältere Kandidaten wie Iquitos oder Walsingham.



Freitag, 10. August 2018
Polarisierend, aber gut: Spencer im Klub der besten 20
Herzlichen Glückwunsch Jamie Spencer. Der englische Jockey feierte seinen 2069. Erfolg in Großbritannien und schaffte damit den Sprung in die illustre Liste der 20 erfolgreichsten Jockeys auf der Insel. Doch sein Stil gefällt nicht jedem.

Late Change hieß das Pferd, das Spencer am Mittwoch in Yarmouth zum Erfolg steuerte. Mit diesem Sieg reihte der 38järige sich unter die Turf-Größen ein: Sir Gordon Richards (4870 Siege), Pat Eddery (4633), Lester Piggott (4493) oder Willie Carson (3828). Von den noch aktiven Jockeys sind Frankie Dettori (3131), Joe Fanning (2349) und Ryan Moore (2117) vor ihm platziert.
Doch kaum ein anderer Jockey polarisiert so sehr wie Spencer. Man betrachte nur die Kommentare auf der Facebook-Seite der Racing Post. „Fakt ist: Diese Marke hätte er viel eher erreicht, wenn er seine Ritte danach ausrichten würde, was wirklich in einem Rennen passiert“, schreibt User Gabs Silva. Andere nennen ihn den „schlechtesten Jockey aller Zeiten“.
Letzteres ist natürlich Unfug, denn kein „Unfähiger“ gewinnt so viele Rennen und hält sich so lange in der Spitzengruppe gegen starke Konkurrenz. Ohne die Unterstützung eines absoluten Top-Quartiers – ohne etwas Ballydoyle (für die er eine Saison ritt), Godolphin, Gosden, Stoute oder Mark Johnston. Spencer feiert seine Erfolge für die Trainer, die nicht ganz so im Rampenlicht stehen: David Simcock, Michael Bell, James Fanshawe oder Altmeister Luca Cumani.
Es ist der Stil des Jamie Spencer, der vielen Kritikern nicht gefällt. Spencer kommt gerne spät, am liebsten hält er sein Pferd am Ende des Feldes und gewinnt dann von hinten mit viel Speed. Das sieht immer ungemein stilvoll aus, geht aber manchmal auch daneben, wenn er zu spät kommt. Und dann wirkt das oft arrogant – zumindest auf manche Betrachter.

Der Pferdeversteher
Sein Jubiläumsgewinner Late Change am Mittwoch in Yarmouth war ein typischer Spencer-Ritt. Zuerst hielt er das Pferd von Trainer David Simcock an letzter Stelle und schob sich dann in der Zielgerade an den Gegnern vorbei.
Simcock setzt gerne Spencer ein – ebenso Altmeister Luca Cumani, bei dem Simcock mal Assistent war. Es ist eine lange Zusammenarbeit. „Er ist genauso gut von der Spitze als von hinten“, sagt der Trainer. „In neun von zehn Fällen reitet er meine Pferde wie ich es will.“ Eben, weil er nicht mit Gewalt den Erfolg wolle, wenn ein Pferd mal nicht so gut in Form sei. Und das „ist so wichtig für das Wohlbefinden und die langfristige Karriere des Pferdes.“
„Jamie ist ein Pferdemann und er hat den Überblick. Wetter mögen das nicht immer, aber Trainer“, meint Richard Hughes, heute Trainer, vor gar nicht langer Zeit noch Top-Jockey und in seiner aktiven Zeit auch jemand, der gerne wartete und spät zum Angriff ansetzte. Spencer mache Pferde besser, betont Hughes.
Wie viele Top-Jockeys kommt auch Jamie Spencer aus Irland. Sein Vater George trainierte erfolgreich Rennpferde, sein Schützling Winning Eye triumphierte 1963 in der Champion Hurdle. Sein Sohn wurde Jockey, gewann Ende 1996 sein erstes Rennen und holte sich im zarten Alten von 18 Jahren den ersten Klassiker mit Tarascon in den irischen 1000 Guineas. Schnell galt er als eine Art Wunderkind des Turfs. Doch sein Gastspiel als Ballydoyle-Jockey dauerte nur eine Saison und es war ein relativ schlechtes Jahr für Aidan O' Brien.

Zidane
2004 war Spencer Champion-Jockey in Irland, 2006 und 2007 holte er sich den Meistertitel in England. 2014 kündigte er den Rücktritt aus dem Sattel an, denn er später im Jahr wieder revidierte.
Mir hat Jamie Spencer mal wunderbar die Wette versaut. 2007 war es im Stewards Cup, diesem unglaublich schwerem Sprint-Handicap in Goodwood. In diesen auf dem Papier unmöglich erscheinenden Aufgaben einen Sieger zu treffen, ist das Nonplusultra für den sportiven Zockers. Egal, ob er 100 oder nur 1 Euro eingesetzt hat.
Jedenfalls sah es bis kurz vor Schluss günstig aus, als mein Tipp Borderlescott schon in Sicherheit vor den anderen 25 Mitstreitern schien. Doch dann kam er angeflogen – Zidane mit Jamie Spencer. Zielfoto und am Ende hatte Zidane gewonnen. Ein perfekt abgestimmter Spencer-Ritt, der mir das Herz brach. Aber perfekt gemacht war es schon, auch wenn ich immer noch meine, dass die Stewards in Goodwood falsch entschieden haben. Aber das ist ein anderes Thema.

Jamie Spencer im Detail



Einer der größten Spencer-Erfolge: 2009 der Sieg in den englischen Oaks mit Sariska für Trainer Michael Bell. Auch wenn der Erfolg gegen Midday ein wenig glücklich ausfällt.



Donnerstag, 2. August 2018
Mut oder Größenwahn
Manchmal wundert sich der Fachmann und der Laie staunt: Warum lassen manche Besitzer und Trainer ihre Pferde in Prüfungen starten, in denen sie nach ihren Vorleistungen absolut chancenlos sind?

Jüngstes Beispiel im Großen Dallmayr-Preis am letzten Sonntag in München: Nach Vorleistungen schien die Prüfung der höchsten Kategorie für Clearly, Matchwinner und Rapido viel zu schwer. Auch in der Realität: Diese Pferde belegten dann auch die letzten drei Plätze des Rennens.
Bei Clearly könnte man noch argumentieren, dass sie vielleicht das Tempo für den Stallgefährten Wai Key Star – beide im Besitz des Stalles Salzburg und beide trainiert von Sarah Steinberg – machen sollte. Machte sie aber nicht, die Stute kam nie vom Ende des Feldes weg und wurde mit elf Längen Rückstand Drittletzte. Nach Bestformen – dritter Platz in einem Listen-Stutenrennen, Zweiter in einem Ausgleich 2 – müssen die Verantwortlichen nur auf das Prinzip Hoffnung gesetzt haben. Allerdings: Das hohe GAG von 89.5 (Quelle Formenspiegel Racebets) macht das Management des Pferdes nicht einfach.
Überfordert wirkte auch Rapido, dessen Comeback nach schwerer Verletzung im Herbst für einige Unruhe sorgte und dessen beste Form 2014 ein zweiter Platz in der Union hinter Sea The Moon war. Das war der letzte Auftritt für Trainer Andreas Löwe, das Pferd verletzte sich so schwer, dass es keine Rennen mehr laufen konnte. Jedenfalls gaben seine Besitzer, das Gestüt Winterhauch, Rapido als Reitpferd ab. Doch der Neustart in neuem Besitz und mit neuem Trainer folgte. Es kam zu Turbulenzen und Gerichtsurteilen, kann man beim Kollegen Blücher schön nachlesen. Das Pferd gewann zweimal im belgischen Mons – das war weit von Gruppe 1-Format entfernt. In Hamburg war er im Großen Hansa-Preis (Gruppe 2) chancenlos, davor war er im Ausgleich 2 Letzter. Für ihn gäbe es deutlich lösbarere Aufgaben.
Bei Matchwinner liegen die Dinge vielleicht ein wenig anders: Immerhin siegte er 2017 in zwei Grupperennen und war auch sonst sehr beständig. Aber die alte Form ist nicht mehr da, zuletzt lief er in drei Top-Rennen hinterher. Mit 91 kg GAG kann er aber nicht zurück ins Handicap.
Warum laufen diese Pferde in diesen schweren Prüfungen? Ist es das Preisgeld? Immerhin gab es für den Fünften in München noch 3000 Euro, der Sieger im Ausgleich 2 in München hätte 6000 bekommen, der Fünfte wäre leer ausgegangen.
Ist es das Prestige für den Besitzer, der auf einmal einen Starter bei den Besten hat? Ob das nicht vielleicht zum Bumerang wird, wenn das Pferd immer nur hinter her läuft?

Ako und Clive Brittain
Manchmal gibt es ja auch diese Sensationen, über die die Turf-Welt noch Jahre lang spricht. Gestern triumphierte zum Beispiel im englischen Goodwood Feel Glorious für den Toto 67:1. Aber das war ein Sieglosenrennen für zweijährige Pferde, von denen viele ihr Lebensdebüt gaben und deren Leistungsvermögen noch nicht eingeschätzt werden kann.
In Deutschland verweist die Turf-Gemeinde immer auf das Beispiel Ako aus dem Jahr 1982. Mit diesem Derbysieger hatte niemand gerechnet, das war die Sensation. Im Sattel saß der legendäre Erwin Schindler, in Training war der Hengst bei Besitzertrainer Hans-Günther Heibertshausen.
In England hatte Trainer Clive Brittain, inzwischen längst im Ruhestand, zeitweise eine Art Kultstatus. Denn der Mann aus Newmarket, unter anderem Betreuer von Warrsan, Luso und Crimplene, schickte immer wieder sieglose Pferde in die Klassiker wie Derby, Oaks oder die Guineas. „Keine Angst vor großen Aufgaben“, schrieb dann gerne die Fachpresse. Natürlich scheiterte diese Politik in den allermeisten Fällen, doch manchmal ergatterte sich so ein Außenseiter ein Platzgeld. Und die Szene feierte den Trainer mit dem angeblich so goldenen Händchen.
Dass Clive Brittain jahrelang ein Trainer mit einer sehr schlechten Starts/Sieg-Statistik war – vergessen. Ich halte jedenfalls von dieser Strategie nichts. Pferde verlieren auch die Lust am Laufen, wenn sie immer abgehängt werden. Ein guter und verantwortungsvoller Trainer kann das Leistungsvermögen seiner Starter realistisch einschätzen und verheizt sie nicht in zu schweren Aufgaben. Auch wenn der Besitzer etwas anderes möchte.