Jugend trifft Erfahrung – das Team hinter Rekindling
Es war mal wieder ganz großes Kino: Der Melbourne Cup – das Rennen, bei dem eine ganze Nation still steht – endete mit einem großartigen Erfolg für den irischen Turf. Drei Pferde von der grünen Insel belegten die ersten drei Plätze: Rekindling, Johannes Vermeer, Max Dynamite – letzterer aus dem Quartier von Hindernis Maestro Willie Mullins. Der Name des siegreichen Trainers lautete O’Brien, doch diesmal triumphierte nicht Vater Aidan, sondern Sohn Joseph, gerade mal zarte 24 Jahre alt. Aidan betreute den Zweiten. nurpferdeundfussball stellt das siegreiche Team vor.
Das Pferd: Rekindling
Schon im Vorfeld wurde der High Chapparal-Sohn von manchem Experten hoch gehandelt. Denn eine seiner größten Stärken war das Stehvermögen, das belegen Platz 2 im irischen und Rang 4 im englischen St. Leger, jeweils hinter sehr guten Pferden. Doch der Kolumnist hatte seine Bedenken: Als Dreijähriger am Ende einer harten Saison gegen kampferpobte Gegner, da hätte man ruhig noch ein Jahr warten können mit Rekindling und 2018 das australische Monster-Rennen in Angriff nehmen. Auch die Historie sprach gegen einen Start: Der letzte Dreijährige, der dieses Rennen gewann, war Skipton im Jahre 1941.
Alles Makulatur – dieser Tag gehörte dem Schützling von Joseph O’Brien. Startbox 4 und das leichte Gewicht waren definitiv Vorteile, mit der niedrigen Startbox ersparte er sich weite Wege außen. Jockey Corey Brown fand immer die Lücke und als es dann auf die letzten Meter ging, lief Rekindling noch locker an Johannes Vermeer vorbei und siegte mit einer halben Länge. „Er ist ein hartes Pferd und sehr leicht zu trainieren“, sagte sein Trainer. Und alles lief optimal, er sei während des Rennens immer zufrieden gewesen, erklärte O’Brien.
Der Trainer: Joseph O’Brien
Natürlich ist Joseph O’Brien quasi mit dem „goldenen Turflöffel“ geboren. Sein Vater Aidan ist der erfolgreichste Trainer von Galopprennpferden der letzten Dekade, die Herren Magnier, Tabor und co. sind seit Jahren die dominierenden Züchter und Besitzer im Turf. Wer allerdings meinte, dass der junge O’Brien den Top-Jockey-Job im Ballydoyle-Quartier bekommen hat, weil sein Papa Trainer war, der lag schon damals falsch. Auch Turf ist knallharter Profisport und „Learning by Doing“ auf den edlen und teuren Vierbeinern geht gar nicht. Bei Borussia Dortmund spielt ja auch nicht der Sohn des Geschäftsführers im Tor.
Jedenfalls lernte Joseph schnell, feierte große Erfolge, unter anderem mit Australia und Camelot im englischen Derby. Das dumme Gerede verschwand rasch, denn der Mann überzeugte mit Leistung im Sattel.
Mit über 1,80 Meter Körpergröße war allerdings eine weitere Jockey-Karriere sehr fraglich. So wurde O’Brien junior 2016 Trainer und bereitet sowohl Flach- als auch Hindernispferde vor. Seinen ersten Gruppe 1-Sieg als Coach feierte er 2016 mit Intricately in den Moyglyare Stud Stakes, in diesem Jahr folgte der Triumph im Melbourne Cup – ausgerechnet in Australien. „Ich habe jedem erzählt, dass Joseph der führende Trainer der Welt wird. Sein Vater muss aufpassen“,
berichtete Lloyd Williams, der Besitzer von Rekindling. Prominente Leute wie die Ballydoyle-Meister, J P Mc Manus und eben Williams werden den weiteren Weg nach oben begleiten.
Der Jockey: Corey Brown
Es war der zweite Erfolg im australischen Prestige-Rennen für Jockey Corey Brown: 2009 gewann er den Melbourne Cup mit Shocking für Trainer Mark Kavanagh, übrigens das letzte erfolgreiche Pferd, das in Australien geboren wurde. Brown hatte mit Rekindling ein ideales Rennen, lag immer gut an den Rails und fand dann die Lücke. Es war ein perfekter Ritt. Oder wie er selbst sagt: „Ein Traumritt“. Der am 15. Juni 1976 geborene Jockey zählt zu den Routiniers im australischen Turf und kehrte nach vierjährigem Aufenthalt in Frankreich und Singapur in diesem Jahr nach Australien zurück. Die ersten Monate nach seiner Rückkehr waren ein harter Kampf, der Cup-Sieg ein willkommener Aufheller. Den ersten großen Gewinner ritt Brown 1994, sein erster Gruppe 1-Sieger hieß Camino Rose in den Coolmore Classics von 1999.
Der Besitzer: Lloyd Williams
Unter dem Bayern München-Syndrom leidet Lloyd Williams definitiv nicht. Denn er feierte seinen sechsten Erfolg im Melbourne Cup strahlend und frenetisch – im Gegensatz zum deutschen Rekord-Fußballmeister, der sich ja inzwischen noch nicht einmal über den Bundesliga-Titel mehr freut, weil er vorher in der Champions League ausgeschieden ist. Jedenfalls ist Williams der Mann mit den meisten Cup- Siegen als Besitzer bzw. Mitbesitzer – Rekindlings Vorgänger hießen Almandin (2016), Green Moon (2012), Efficient (2007), What A Nuisance (1985) und Just A Dash (1981). Williams zählt zu den reichsten Australiern, sein Vermögen machte er unter anderem mit Glücksspiel und Immobilien. Seine Turfbasis heißt Macedon Lodge, dort trainiert Robert Hickmott den größten Teil der Williams-Pferde.
Der Spiegel hat sich mit dem deutschen Turf beschäftigt, das Ergebnis überrascht nicht: Die Lage ist schlecht. Es kann also nur besser werden? Der Kolumnist ist da anderer Meinung. So lange es zumindest so weitergeht.
Der gute alte Spiegel hat sich dem Galopprennsport gewidmet. Wer den Artikel noch nicht kennt, kann ihn hier abrufen. Der Text kostet allerdings 39 Cent, diese Investition sollte man sich aber gönnen.
82 Prozent weniger Totalisator-Umsatz seit 2000 und auch sonst sieht es düster aus: Der Artikel von Autor Jesko zu Dohna läuft unter dem Titel „Der Niedergang des deutschen Galopprennsports“ und beschreibt mit vielen Fakten die Misere im deutschen Turf. Sehr gut geschrieben und allein deshalb schon empfehlenswert, weil das Nachrichtenmagazin sich den Zynismus erspart, der ansonsten das Blatt manchmal unlesbar macht. Jedenfalls: Kein Vergleich mit der unsäglichen Reportage des NDR im Frühjahr, die nur auf Krawall gebürstet war.
Der Journalist war beim Hamburger Derbymeeting, bei der Großen Woche in Iffezheim und der Bad Harzburger Rennwoche und hat unter anderem Eugen Andreas Wahler, den Vorsitzenden des Hamburger Rennclubs, begleitet. Der Text ist eine gute Bestandsaufnahme, Strategien aus der Krise nennt er natürlich nicht. Aber das erwartet auch niemand vom Autoren und Spiegel. Zumal es diese eine Strategie auch nicht gibt – aber dazu später.
Als ich den Text las, stellte sich fast automatisch die Frage, wann die Krise des deutschen Turfs eigentlich begann? Die goldenen Zeiten, das müssen die achtziger Jahre und die frühen neunziger Jahren gewesen sein. Jedes Jahr notierten die Verantwortlichen stolz neue Umsatz-Rekordergebnisse, der Zocker wettete brav in den deutschen Toto.
Der Kolumnist erinnert sich durchaus daran. Auch an die Besucher auf den NRW-Bahnen, die zweimal im Jahr nach Baden-Baden zu den Meetings fuhren und auch das Hamburger Derby-Meeting regelmäßig frequentierten. Der Kolumnist kannte einige Zeitgenossen, deren jährliche Urlaubs- und Zeitplanung nur auf die Meetings-Termine ausgerichtet war. Diese Klientel ist heute schon aus Altersgründen nicht mehr groß.
Kölner Verwalter der Misere
Die Realität sieht anders aus: Eigentlich gibt es seit gefühlt ewigen Zeiten fast nur schlechte Nachrichten aus dem deutschen Turf.
Seit Mitte der neunziger Jahre bin ich im Internet, Ende der neunziger Jahre startete das erste Galopper-Forum von Maike Hanneck auf ihren Turfkönig-Seiten. Schon damals lieferte sich die Turf-Gemeinde heftige Diskussionen über die Krise im deutschen Turf und was man besser machen könnte. Mehrere Foren danach und auch später bei Facebook wurde und (wird) oft geschimpft und kritisiert, Änderungen gab es höchstens punktuell. Das Ergebnis ist eher mau, der Abwärtstrend ging unaufhörlich weiter. Viele der früheren Diskutanten haben resigniert, manche haben sich andere Hobbies zugelegt.
Natürlich wurden dicke Fehler gemacht. Das Direktorium als oberstes Gremium hat mit verschiedenen Verantwortlichen einiges vermasselt – Bildrechte, Internet etc… Die sogenannte Struktur-Reform entpuppte sich als größte Leerformel der letzten Dekade. Eine Strategie sucht der Beobachter vergebens, in Köln wird die aktuelle Misere einfach verwaltet und ausgesessen. Auch die vor einigen Jahren gegründete Dachorganisation German Racing - eigentlich eine positive Sache - wirkt inzwischen ziemlich ausgebremst. Ohne die französische PMU-Beteiligung würde es noch düsterer aussehen.
Nun stellt sich jetzt die Frage, ob es die eine Erfolgsstrategie überhaupt gibt? Auch die Turfwelt hat sich dramatisch verändert. Schon die Zahl der Kommunikationskanäle ist viel größer geworden, früher erreichte man die Masse noch über TV und Print-Presse. Heute nicht mehr: Internet und später Smartphones haben die Welt einfacher, aber auch zugleich komplizierter gemacht.
Die Bahnen wie hier in Dortmund an Himmelfahrt sind oft gut besucht, aber gewettet wird wenig. Zumindest nicht in den Bahn-Toto (Bild uk)
Einer These im Spiegel-Text widerspreche ich aber: Die Besucherzahlen auf deutschen Bahnen sind nicht gesunken. Manche Kurse wie Hannover oder Köln – wobei Köln an Großkampftagen wie Union-Rennen oder Preis von Europa immer gut gefüllt war – ziehen an manchen Renntagen viele Zuschauer an.
Aber die Leute kommen mehrheitlich nicht zum Wetten – Autogramme der örtlichen Fußballer zum Beispiel sind mehr gefragt. Oder man genießt einfach einen netten Renntag mit der Familie auf der Bahn, guckt sich dabei ein paar Pferde an, riskiert vielleicht mal eine kleine Platzwette und ärgert sich im schlechtesten Fall, dass die Schlangen an den Verpflegungsständen so lang sind.
C-Promis führen zwar zu Notizen bei RTL, Gala oder Bunte, aber den Umsatz steigern sie leider nicht. Und die Großwetter? Die wetten nicht in den deutschen Totalisator, weil die Quoten zu schlecht sind. Die Wetter haben heute dank des Internets Alternativen – ein Samstag in England macht einfach viel mehr Spaß als ein normaler deutscher Turf-Sonntag. Weil allein schon die Präsentation der Rennen von der Insel viel professioneller ist.
Wer also von diese Kolumne die Erfolgsstrategie für den deutschen Turf erwartet hat, mag enttäuscht sein. Ich habe sie nicht – aber solange an den wichtigen Stellen nur gebremst wird, versinkt dieser schöne Sport immer mehr in der Bedeutungslosigkeit. Bis er irgendwann von der Bildfläche verschwindet.
Was man nicht alles so auf seinem Computer findet: Dies ist ein Leserbrief aus dem Januar 1999, den ich per Fax an die Sport-Welt geschickt habe. Ob das Fachblatt den abgedruckt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls ging es damals um die Präsentation der Telewette auf dem Fernsehsender n-tv, die manchmal ziemlich dilettantisch daherkam. Aufmerksame Leser werden schnell erkennen, dass manche Kritikpunkte heute immer noch akut sind. Eigentlich hat sich gar nicht so viel verändert. Allerdings muss man sagen, dass viele Sendungen der Telewette auch völlig problemlos liefen. Und es war ein großen Fehler, das Format 2003 nicht mehr fortzuführen. Der Niedergang beschleunigte sich. Der Brief im Wortlaut:
Sehr geehrte Sport-Welt-Redaktion,
natürlich sind alle dankbar, dass der Galopprennsport am Samstag regelmäßig in der n-tv-Telewette im Fernsehen zu sehen ist. Doch so langsam bin ich über die Art, wie der Turf dort präsentiert wird, mehr als verärgert. Was nicht an den Moderatoren liegt, die angesichts der zahllosen Pannen ihren Job noch erstaunlich gut verrichten und deren Gelassenheit ich nur bewundern kann.
Klassisches Beispiel war die Sendung am 9.1. aus Neuss: Nicht nur, dass es kurz nach Start des vierten Rennens wieder einmal den inzwischen fast schon obligatorischen Bildausfall gab.
Die Krönung geschah jedoch nach Start des 6. Rennens: Kurz nachdem die Pferde die Boxen verlassen hatten, verabschiedete sich n-tv. Und auf dem Bildschirm erschien nicht etwa ein Sprecher mit einer Nachricht, die die Welt in Atem hält - es kam Werbung!
Natürlich startete das Rennen durch diverse Verzögerungen an der Startstelle etwas später. Doch die n-tv-Verantwortlichen hätten sich wahrlich keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wenn sie die rund drei Minuten noch auf Sendung geblieben werden. Zumal die Nachrichtenlage an diesem Samstag eher flau war.
Zum schlechten Gesamteindruck passen auch zahlreiche kleine Pannen, die sich wie ein roter Faden durch die Sendung ziehen. Darunter fallen zum Beispiel die häufig falsch geschriebenen Pferdenamen auf der Quotentafel. Von den nervigen, aber offensichtlich unvermeidlichen Spots der Buchmacher (einmal pro Sendung würde vollkommen reichen) und der Telewette, die auf Kosten der Information in der so und so viel zu knappen Sendezeit gehen, ganz zu schweigen.
Laien-TV
Natürlich sind das nur Banalitäten, die aber zum teilweise dilettantischen Gesamteindruck passen. In dieser Form ist die Sendung kein Aushängeschild für den Galopprennsport. Im Gegenteil - es entsteht sogar ein Imageschaden. Und ob durch die Sendung in dieser Form neue Zielgruppen gewonnen werden, bezweifle ich sehr.
Denn woher sollen Außenstehende die für den Turf notwendigen Informationen erhalten? So ist die Sendung nur etwas für Insider, die an diesem Tag nicht auf der Rennbahn oder beim Buchmacher sein können und durch die Unzulänglichkeiten dann noch verärgert werden.
Leider wird das Niveau, das zum Beispiel Channel 4 in England in seinen Sendungen bietet, in Deutschland nur Utopie bleiben. Bedingt auch durch die unterschiedliche Bedeutung des Turfs in den beiden Ländern.
Dass es aber anders geht, zeigen diverse (aber leider viel zu seltene) Übertragungen des WDR. Und gab auch einmal ein „Rennen der Woche“ in SAT 1 und später DSF (heute Sport1). Warum versuchen die Verantwortlichen diese Sendung nicht wiederzubeleben?
Inzwischen laufen auch Sportfischen und Sumo-Ringen auf diversen Sportkanälen. Da sollte es doch möglich sein, den Galopprennsport, dessen Fangemeinde doch weitaus höher ist, in einem adäquaten Umfeld zu zeigen.
Aber ab April soll ja offensichtlich in der Telewette alles besser werden. Ich lasse mich gerne positiv überraschen - allein mir fehlt der Glauben.