Donnerstag, 7. Juli 2016
Boscacchio ist unsere Wahl
Es droht mal wieder ein Derby der Extreme: Am Dienstag und am Mittwoch war der Boden schwer, kein gutes Omen für das Deutsche Derby 2016. Da bleibt nur die Hoffnung auf einige trockene Tage. Starter und Chancen im Derby 2016.

Wai Key Star (Trainer Andreas Wöhler): Nach GAG das höchst einzuschätzende Pferd im Feld. Leichter Sieger im Iffezheimer Derby-Trial, schlug dabei El Loco. Das Rennen war über 2000 Meter, eine längere Distanz hat das Pferd des Stalles Salzburg bislang noch nicht gesehen. Nach Abstammung nicht sicher, ob die 2 400 Meter ideal sind. So wie er läuft, sollte er aber Stamina haben. Bislang nur auf gutem Boden unterwegs.

Boscaccio (Trainer Christian Sprengel): Von Rennen zu Rennen gesteigert und offenbar noch mit weiteren Reserven. In der Union, der wichtigsten Derby-Vorprüfung, hatte er noch einiges in der Hand gegen El Loco und Dschingis Secret. Die Form aus Hannover wurde durch den Erfolg von Moonshiner im Bremer Derby Trial noch mal aufgewertet. Der logische Favorit und offenbar ein völlig unkompliziertes Pferd. Hat auf weichem Boden bereits gewonnen.

El Loco (Trainer Markus Klug): Auf den Auftaktsieg folgten vier zweite Plätze, allerdings immer in sehr guter Gesellschaft. Zuletzt Zweiter in der Union hinter Boscaccio, davor Zweiter im Iffezheimer Derby-Trial hinter Wai Key Star. An eine Formumkehr glaube ich nicht so recht. Wird ein gutes Rennen laufen, aber zum Sieg wird es nicht reichen. Weicher Boden kein Problem.

Landofhopeandglory (Trainer Aidan O'Brien): Natürlich nicht die erste Wahl im Top-Quartier von Aidan O'Brien, eher ein Pferd der guten zweiten Kategorie. Das mag bei den vielen Top-Kandidaten dort nicht viel heißen, aber Landofhopeandglory verbirgt bei bereits neun Starts keine große Geheimnisse. An fehlendem Stehvermögen wird er nicht scheitern, weichen Untergrund kann er auch, aber es würde nicht für die Qualität des deutschen Derby-Jahrgangs sprechen, wenn er gewinnen würde.

Dschingis Secret (Trainer Markus Klug): In diesem Jahr gut gesteigert, war aber zweimal hinter Boscacchio. Der Hengst kam jedes Mal mit viel Speed angeflogen. Die 2400 m sollten ihm noch mehr liegen und auch Hamburg hat eine lange Zielgerade. Bei weiterer Verbesserung ein Kandidat mit Chancen, hat schon auf schwerem Boden gewonnen.

Larry (Trainer Uwe Stech): Der große Unbekannte. Beim ersten Lebensstart schlug er locker über 1800 Meter immerhin Wai Key Star und lief dabei, als wenn er noch viele, viele Reserven hat. Beim zweiten Start in Hannovers Derby Trial wurde er stark gewettet, weigerte sich aber, seine Startbox zu beziehen. Es folgte ein leichter Erfolg auf der Heimatbahn gegen Draconis und das Alex Ferguson-Pferd Topography. Um das Derby zu gewinnen, ist aber ein weiterer und gewaltiger Sprung zu bewältigen.



So war es im Vorjahr: Nutan siegt überlegen, es war sein letzter Start

Isfahan (Trainer Andreas Wöhler): Inzwischen ist es fast schon eine Rarität, dass der Winterfavorit der Zweijährigen im Deutschen Derby startet. Isfahan bildet da eine Ausnahme, seine gute Youngster-Form bestätigte er mit dem Sieg im Bavarian Classic Anfang Mai. Es folgte der Start im Derby Italiano, wo ihm die Distanz von 2200 Meter deutlich zu lang wurde. Das Derby ist noch mal 200 Meter länger.

Parthenius (Trainer Mario Hofer): Der Start im französischen Prix de Jockey Club scheiterte aus formellen Gründen, auch im Oppenheim-Union-Rennen war er Nichtstarter. Der Bruder des Derbysiegers Pastorius war ein sehr guter Zweijähriger, der erste Start in diesem Jahr im Krefelder Busch-Memorial war schwach. Auf dem Papier nicht unbedingt ein Steher und daher bin ich gespannt, ob Parthenius das Stehvermögen seines Bruders geerbt hat. Wenn, dann ein Pferd für die Überraschung.

Savoir Vivre (Trainer Jean Pierre Carvalho): Die Enttäuschung in der Union, kam da als stark gewettetes Pferd nie ins Rennen. Nach seinem Debüt hoch gehandelt, doch die hohen Erwartungen (Arc-Nennung) hat er in den zwei Starts bislang nicht erfüllt. Mit der Distanz sollte er keine Probleme haben, auf weichem Boden war er zudem schon vorne, aber ansonsten muss sich Savoir Vivre reichlich verbessern.

Berghain (Trainer Jens Hirschberger): Machte in der Union vom letzten Platz noch reichlich Boden gut, ohne die drei Pferde vorne zu gefährden. Damit war die schwache Form aus dem Bavarian Classic vergessen. Lief in Köln wie ein großer Steher, weichen Boden kann er zudem, könnte Potenzial nach oben haben. Vielleicht der Außenseiter für einen Platz. In den gleichen Farben schaffte das schon mal Ransom O'War.

Our Last Summer (Trainer Niels Petersen): Norwegischer Guineas-Triumphator, „verdiente“ sich seinen Platz im Derby durch seinen zweiten Platz im Bremer Derby Trial. Das war der erste Versuch über eine längere Distanz, das Derby ist noch mal 200 Meter länger. Außenseiter.

Licinus (Trainer Yasmin Almenräder): Fünfter im Bremer Derby-Trial, eine Länge hinter Our Last Summer, zeigte dabei guten Speed. Im Mai chancenlos im Bavarian Classic. Außenseiter, aber einer mit ein wenig Charme. Obwohl weicher Boden eher nicht passend scheint.

Noble House (Trainer Mario Hofer): Die beste Form war der dritte Platz im Iffezheimer Derby-Trial, davor erfolgreich in einem Münchner Maidenrennen. Beides über 2000 Meter, ein Erfolg im Derby wäre eine Sensation.

Landin (Trainer Peter Schiergen): Erst drei Starts, die beste Platzierung war der vierte Platz im Bremer Derby Trial. Offenbar viel Stehvermögen, aber das Derby dürfte zu früh kommen oder eine Nummer zu groß sein.

Nimrod (Trainer Peter Schiergen): Im gleichem Besitz wie der Vorjahressieger Nutan. Viel Stehvermögen, aber nach allen Vorformen wäre der Sieg eine Sensation.

Bora Rock (Trainer Peter Schiergen): Noch sieglos und immer relativ weit geschlagen, aber immer von sehr guten Pferden.

Rosenhill (Trainer Gerard Geisler): Immerhin ein Sieg über 1600 Meter, aber nach allen Vorformen nur Riesen-Außenseiter.

Buzzy (Trainer Guido Förster): Hat immerhin schon beim diesjährigen Derby-Meeting gewonnen, am Samstag das Hamburg Huskies über 1800 Meter bei weich bis schweren Boden. Ein Sieglosenrennen, als Mamool-Sohn sollten ihm die 2400 Meter liegen. Aber ein Erfolg wäre ein ähnlicher Kracher wie der von Ako aus dem Jahre 1982.

Zanini (Trainer Karl Demme): Nach neun Starts noch sieglos. Kaum vorstellbar, dass sich dieser Status beim zehnten Start ändert.

Urteil
Favoriten in Rennen wie dem Derby zu wetten ist eigentlich nicht mein Ding. Aber spätestens nach dem Kölner Erfolg in der Union ist der Kolumnist ein Freund von Boscacchio. Denn der Erfolg gegen El Loco und Dschingis Secret war einer quasi mit angezogener Handbremse, bei dem der Schützling von Trainer Christian Sprengel noch einiges in der Hand hatte. Gefährliche Gegner gibt es einige: Dschingis Secret, dem die längere Strecke liegen sollte, Wai Key Star. Aidan O'Brien nennt keinen chancenlosen Kandidaten nach, aber nach den Formen ist Landofhopeandglory schlagbar. Berghain ist ein Außenseiter mit Chancen.



Dienstag, 5. Juli 2016
Großer Deutsch-Italienischer Abend
Deutschland gegen Italien – das sind doch die Spiele, für die sich Fußball-Welt- oder Europameisterschaften lohnen. Bei denen man den ganzen ekligen Kommerz vergisst. Diesmal gewann Deutschland den Klassiker im Viertelfinale der Fußball-Europameisterschaft 2016 und das alles auf höchst dramatische Weise im Elfmeterschießen. Kein Abend für schwache Nerven.

Was wäre in Deutschland los gewesen, wenn Italien die Lotterie 11Meter-Schießen gewonnen hätte?. Wenn in diesem Duell auf Augenhöhe die Squadra Azzura das glücklichere Team gewesen wäre und ins Viertelfinale eingezogen wäre? Die Kritik an Trainer Joachim Löw wäre hart gewesen. Die heftigen Worte von ARD-Experte Mehmet Scholl wären nur der Anfang gewesen, andere Experten wären mit der gleichen Leier gekommen. Auf Spiegel online jedenfalls teilte die Mehrheit der User die Kritik von Scholl. Über 50 Prozent der Befragten meinten: „Ja, das DFB-Team ist dann am stärksten, wenn es sein eigenes Spiel durchzieht.“ Deutlich weniger finden, dass „Anpassung an den Gegner sinnvoll“ sei.
Jedenfalls bleiben uns diese Diskussionen jetzt glücklicherweise erspart. Denn auch der Kolumnist – der sonst „Yogi“ Löw“ nicht so positiv sieht – fand die Entscheidung des Bundestrainers für die Dreier-Abwehrkette richtig. Weil das DFB-Team sonst gegen schnell umschaltende Italiener zu offen gewesen wäre.
Normalerweise finde ich Spiele attraktiv, in denen es viele Strafraumszenen gibt. Diese gab es in Bordeaux nicht. Aber dennoch war schon die erste Halbzeit faszinierend. Weil sich beide Teams belauerten, weil jeder auf den ersten Fehler des anderen wartete. Es war ungemein intensiv, es knisterte vor Spannung – auch ohne großartige Strafraumszenen. „Die Deutschen übertreffen die Italiener fast an taktischen Finessen“, meinte der englische Alt-Internationale Alan Shearer, der für die BBC als Experte arbeitet. (Die englische BBC übertrifft übrigens ARD und ZDF in ihren Analysen um Längen. Beispiel: die Diskussion nach dem Deutschland-Italien-Spiel).

Elfmeter Nr. 18
In der zweiten Halbzeit schien sich das Spiel dann doch zugunsten des DFB-Teams zu wenden. Deutschland verstärkte den Druck, kam zu guten offensiven Aktionen. Besonders Mario Gomez zeigte, warum das Team einen richtigen Stürmer braucht. Gomez schuf Räume, war wesentlich am 1:0 beteiligt. Als er dann verletzt aus dem Spiel ging, kam Italien besser ins Spiel. Die Stürmer Pelle und Eder, die vorher bei Hummels und Boateng abgemeldet waren, verteilten die Bälle, das 1:1 war verdient, auch wenn der Handelfmeter etwas unglücklich war.
So beharkten sich die Teams auf hohem Niveau und weil in der Verlängerung beide das Risiko scheuten, kam es zum Showdown. Das Ergebnis ist bekannt: Jonas Hector traf entscheidend bei Elfmeter Nr. 18, Deutschland beendete seine Niederlagen-Serie gegen Italien bei großen Veranstaltungen.
Groß gefeiert wurde nicht. Schon eine halbe Stunde nach Jonas Hectors Schuss ins Glück sei es ruhig geworden in der Kabine, erzählte Bundestrainer Löw. Das Spiel habe „körperlich wie psychisch Spuren hinterlassen“. Und jetzt wartet im Halbfinale Gastgeber Frankreich auf Löws geschundene Mannschaft.



Freitag, 1. Juli 2016
Nightflower, Time Test und Techno Queen
Mal wieder großer Turf-Sport am Wochenende. Drei Höhepunkte: die bet 365 Lancashire Oaks in Haydock, die Coral Eclipse Stakes in Sandown (beide am Samstag) und natürlich der Große Hansa Preis am Sonntag in Hamburg mit dem Australien-Heimkehrer Protectionist. Zweimal Gruppe 2, einmal Gruppe 1. Eine kleine Vorschau.

Wir beginnen mit den Ladies in den englischen Lancashire Oaks in Haydock, einer Gruppe 2-Prüfung über 2400 Meter. Aus deutscher Sicht steht eindeutig der Start von Nightflower im Fokus. Die Stute aus dem Quartier von Peter Schiergen gewann im letzten Jahr immerhin den Kölner Preis von Europa (Gruppe 1), war mehrfach Gruppe 1-platziert hinter starken Pferden, bei ihrem einzigen diesjährigen Start war sie jedoch im GP der badischen Wirtschaft enttäuschend früh geschlagen. Der weiche Boden in Haydock wird ihr entgegenkommen, nach Bestform sollte sie diese Aufgabe lösen können.
Aber hätte wenn aber: Viele ihrer Gegnerinnen haben noch Potenzial nach oben. Da ist die Godolpin-Stute Endless Time, die fünf ihrer sechs Starts gewonnen hat, allerdings ihr Jahresdebüt gibt. John Gosden hat seit 2011 dreimal dieses Rennen gewonnen, mit Furia Cruzada(Top-Stute aus Südamerika) und Lady of Camelot sattelt er zwei interessante Kandidatinnen. Dann ist da noch die Dreijährige Fireglow aus dem Mark Johnston-Quartier, Vierte in den englischen 1000 Guineas und Zweite hinter der guten So Mi Dar über 2000 Meter. Die Distanz in den Oaks ist also Neuland, aber die längere Strecke könnte Fireglow entgegenkommen. Meinen zumindest einige Experten, ich bin da nicht so sicher.

Tipp: Nightflower

Ein paar Meilen südlich kommt es in Sandown über 2000 Meter zu den Coral Eclipse Stakes, traditionell oft das erste Aufeinandertreffen der Top-Dreijährigen mit den besseren älteren Pferden über die quasi neutrale Strecke von 2000 Metern. Klarer Favorit ist The Gurkha aus dem O'Brien-Stall, eindrucksvoller Gewinner der französischen Poule d'Essai des Poulains in Deauville (den französischen 2000 Guineas) und zuletzt guter Zweiter in den St. James Palace Stakes in Ascot. Das sind zwei Top-Formen über die Meile auf weichem Boden. Die 400 Meter längere Strecke in Sandown sollte der Galileo-Sohn auch können, die Quoten unter Pari schrecken mich aber ab.
Wer sind also die Gegner? Time Test könnte vierjährig noch mal zulegen, mag die Bahn in Sandown (drei Starts, zwei Siege, ein zweiter Platz) und hat auf gut bis weichem Boden schon gewonnen. Die Form in diesem Jahr war gut, die Pferde von Trainer Roger Charlton laufen derzeit ganz ordentlich. Das Fragezeichen ist der Boden. Wenn es er zu weich wird, dann würde ich eine Alternative zu suchen.
Die wäre My Dream Boat, der zuletzt in den Prince of Wales' Stakes (Gruppe 1) auf weichem Boden alle überraschte und als Außenseiter gewann. Das war die bislang beste Form des Hengstes. Eine Erwähnung verdient zudem der Godolphin-Starter Hawkbill, der fünf seiner sieben Starts siegreich gestaltete. Die Eclipse Stakes sind aber noch einmal eine Stufe höher.

Tipp: Time Test, alternativ My Dream Boat bei weichem oder schweren Boden



Erinnerungen an 1997: Pilsudski mit Mick Kinane schlägt die hohe Favoritin Bosra Sham und den damaligen englischen Derbysieger Benny The Dip

Damit geht unsere Reise weiter nach Hamburg-Horn. Am Samstag beginnt die Derby-Woche, am Sonntag ist der Große Hansa Preis (Gruppe 2, 2200 Meter) das sportliche Highlight. In den Jahren zuvor ließ die Besetzung oftmals zu wünschen übrig, in diesem Jahr kommt aber ein starkes Feld an den Start. Da ist zum Beispiel der Melbourne Cup-Sieger von 2014, Protectionist.
Seine Geschichte ist viel dokumentiert: Irgendwann verlor der Steher bei Rennen über viel zu kurze Strecken Form und Lust, die Besitzer Australian Bloodstock schickten den Hengst zurück zu Trainer Andreas Wöhler nach Deutschland. Natürlich haben die Besitzer den Melbourne Cup wieder im Visier. Der erste Auftritt von Protectionist in Düsseldorf war sehr ordentlich, jetzt sind im Hansa-Preis, den der Hengst vor zwei Jahren gewann, die Gegner stärker.
Zum Beispiel der nachgenannte Iquitos, der alle Vorleistungen noch mal bei seinem Erfolg im GP der badischen Wirtschaft noch mal steigerte. Guignol, Sirius und die dreijährige Stute Meergörl sind weitere interessante Kandidaten. Mein Tipp ist allerdings Techno Queen. Natürlich ist der Hansa-Preis ihre bislang schwerste Aufgabe, aber das Pferd von Trainer Toni Potters könnte immer noch Reserven haben. Die Distanz passt, die lange Zielgerade liegt der speedstarken Stute. Zudem hat sie schon in Hamburg gewonnen.

Tipp: Techno Queen