Mittwoch, 17. Februar 2016
Goodbye Flakey Dove
Es gibt Pferde, die vergisst man sein ganzes Leben nicht. Flakey Dove ist so eine Kandidatin. Eine Stute, die sehr erfolgreich über Hindernisse lief und als Krönung 1994 die Champion Hurdle in Cheltenham gewann. Sie bleibt dem Kolumnisten auch ewig im Gedächtnis, weil sie eine der ersten Wett-Treffer beim Cheltenham Festival war. Spätestens seitdem grassiert an vier (bzw. früher an drei) Tagen im März ein gewisser Wahnsinn, der alle anderen Dinge in den Hintergrund stellt. Flakey Dove starb jetzt im hohen Alter von 30 Jahren.

1994 – lang ist es her. Persönlich ging es mir damals nicht so gut, zwei Jobs nach erfolgreichem Studium erwiesen sich als der berühmte Griff ins Klo. Jedenfalls hatte ich damals viel Zeit, aber leider auch wenig Geld.
Immerhin hatte ich einen neuen Zeitvertreib: englische Pferderennen. Die liefen seit etwa zwei Jahren beim Buchmacher meines Vertrauens. Der Kommentator war eine Wucht: Sätze wie „Finger in der Nase“ und „….sitzt noch wie im Kino“ wurde schnell zu Insidergags. Ich war fasziniert.
Im Winter gab es fast ausschließlich Hindernisrennen. Eine neue Welt: Zu dieser Zeit sah es im deutschen Hindernissport zwar besser als heute aus, dennoch spielte er nur eine kleine Rolle. Auf der Insel aber, da liefen Top-Pferde mit großartigen Jockeys wie Peter Scudamore und Richard Dunwoody.
Zudem konnte man beim Bookie die Racing Post kaufen, eine ganz andere Liga als die damals textlich und gestalterisch reichlich angestaubte Sport-Welt.
Jedenfalls konnte ich 1994 das Cheltenham-Festival in voller Breite erleben. Die Champion Hurdle wurde zum ersten Höhepunkt. Flakey Dove gewann mit Mark Dwyer letztlich souverän gegen Oh So Risky und Large Action. Der Kolumnist freute sich über 50 DM, seine Stimmung stieg merklich.

David schlägt Goliath
„Als die kleine Stute inmitten ihrer nobleren und solideren Rivalen paradierte, sah sie aus wie ein unwürdiger Teilnehmer. Auf der Bahn aber war das eine andere Geschichte”, schrieb 1994 der Independent. Es war die klassische Außenseiter-Geschichte: Ihr Trainer war ein Farmer aus Leominister in der englischen Grafschaft Herefordshire, der Rinder und Schafe besaß und nebenbei ein paar Pferde trainierte.
Die „schuppige Taube“ (frei übersetzt) war das beste Pferd, das Richard Price je besaß und betreute. „Sie nahm uns mit zu all den Top-Rennbahnen und lief immer sehr ordentlich“, erinnerte sich Price.
Insgesamt lief Flakey Dove 44 mal sowohl über die Hürden als auch über die Flachbahn, siegte in 14 Rennen und verdiente fast 250 000 Pfund Preisgeld.
Doch dieser 14. März 1994 war der Tag ihres größten Triumphs. Sie war die erste und letzte Stute nach der legendären Dawn Run im Jahre 1984, die sich die Champion Hurdle sicherte.
Ein Jahr später beendete Flakey Dove ihre Laufbahn. Natürlich bleib sie bei Richard Price in der Zucht, doch keiner ihre Nachkommen hatte ihr Format auf der Rennbahn. Flakey Dove starb am 13. Februar im Alter von 30 Jahren.



Der Buchmacher-Vertreter hatte die richtige Vorahnung: Flakey Dove schlägt Oh so Risky in der Champion Hurdle 1994



Montag, 15. Februar 2016
Es gibt härtere Schicksale als Badstuber
Meine erste Reaktion war: „Der Arme. Nicht schon wieder“. Der Grund war die erneute Verletzung des Profi-Fußballers Holger Badstuber vom FC Bayern München. Dabei spielt Badstuber bei einem Verein, den ich überhaupt nicht mag. Muss man mit einem gutverdienenden Sportprofi Mitleid haben? Verdienen andere Menschen, die nicht so im Rampenlicht stehen, nicht eher unser Mitgefühl?

Zugegeben, die Verletzungsgeschichte des Innenverteidigers ist schon sehr schlimm. Die Sprunggelenksfraktur ist die fünfte schwere Verletzung, die sich der Nationalspieler seit Dezember 2012 zuzog: Zwei Kreuzbandrisse, ein Sehnenriss, ein Muskelriss und jetzt der Bruch. „Warum immer ich“, wird sich Badstuber fragen – und titelt auch die FAZ. „Der verletzliche Krieger“, meinen die 11 Freunde.
Aber bei allem Pech und Bedauern: Der gut verdienende Profi-Fußballer Badstuber fällt weich. Er ist materiell abgesichert, sein Leben ist nicht bedroht. Mitleid verdienen eher die Opfer des Zugunglücks im bayerischen Bad Aibling. Oder Leute, bei denen auf einmal eine schwere Krankheit wie etwa Krebs diagnostiziert wird. Oder Leute, die ihren Job verlieren und die trotz bester Qualifikation keinen neuen mehr bekommen, weil sie über 50 sind. Von wegen Fachkräfte-Mangel.
Das sind Schicksalsschläge, die die Existenz bedrohen. Dagegen ist die Verletzung von Holger Badstuber eher „Peanuts“ – so hart das klingen mag.
Die Reaktion seiner Bayern-Kollegen war ganz stark. „Wir sind bei dir. Du schaffst es wieder“, stand auf den T-Shirts der Münchner Spieler vor dem Spiel beim FC Augsburg. Und bislang hat es Badstuber immer wieder geschafft, wieder zu kommen. Das zeugt von großartiger Willenskraft. Auch diese Kolumne drückt fest die Daumen, dass Holger Badstuber wieder Fußball spielen kann. Und das er noch einiges erreichen wird in seiner Karriere.

Die Facebook-Seite von Holger Badstuber



Donnerstag, 11. Februar 2016
England ist ein schlechtes Vorbild
Auf einmal flogen die Tennisbälle aus dem Fanblock auf den Platz, dazu skandierten die BVB-Fans „Fußball muss bezahlbar sein“. Die Dortmunder Fanszene machte mobil gegen die Stuttgarter Preisgestaltung beim DFB-Pokal-Viertelfinale VfB gegen Borussia.

So blieb der Gästeblock 20 Minuten lang leer, gab es auch keine Anfeuerung und wurden die Tennisbälle geworfen. Zum Glück waren es keine Golfbälle. Aber Fußball sei eben kein Tennis, bei dem solche hohen Preise bezahlt werden.
Der Kolumnist mag die Sache mit den Tennisbällen ein wenig pubertär finden, aber die Aktionen der Dortmunder Fans gegen hohe Eintrittspreise fanden sehr viel Aufmerksamkeit.. Bis zu 70 Euro für einen Sitzplatz sind ein ziemlicher Brocken und auch 19,50 Euro für einen Stehplatz sind an der Schmerzgrenze. Selbst der Verein Borussia Dortmund hatte den Protest unterstützt.
„Diese Preise sind seit der Saison 2012/2013 unverändert und aus Sicht des VfB der Bedeutung des Spiels angemessen“, antwortete der VfB vor dem Spiel in den sozialen Medien. So „angemessen“, dass es auch im Besucher-Bereich der Heimmannschaft ziemliche Lücken gab.
Die Proteste waren nicht die ersten. Es gab ähnliche Aktionen der Initiative „Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein“ schon vor Gastspielen der Borussia in Hoffenheim und Hamburg. Drohen also auch in der Bundesliga Verhältnisse wie in der englischen Premiere League?
England sei ein warnendes Beispiel, schrieb Ex-Nationalspieler Didi Hamann im kicker vom 4. Februar. Der Volkssport Nummer 1 entferne sich dort immer mehr von den Menschen. „Stadiontickets von happigen 80 Euro und mehr kann sich schon lange nicht mehr jeder leisten“, so Hamann, auf der Insel als Spieler und Manager tätig. Dazu passt auch die aktuelle Meldung, dass viele Fans des FC Liverpool am letzten Samstag aus Protest über Preiserhöhungen auf 77 Euro und mehr in eben jener Minute das Stadion verließen. Sie verpassten, dass die Gäste aus Sunderland aus einem 0:2 noch ein 2:2 machten.
Die Geschichte von der ach so günstigen Eintrittspreisen in der Bundesliga stimmt jedenfalls schon lange nicht mehr. Der Kolumnist ist selbst in der glücklichen Lage, eine Dauerkarte für die legendäre Südtribüne zu besitzen. Diese ist noch relativ preisgünstig, ist ja auch ein Stehplatz. 207 Euro kostet sie, das macht pro Spiel bei 17 Spielen etwas mehr als 12 Euro. Allerdings: im Vergleich zum Jahr 2005 ist die Stehplatz-Dauerkarte um rund 40 Prozent teuerer geworden.

Preisspirale
„Schluss mit billig“ titelte dann auch das Fußball-Kulturmagazin 11 Freunde bereits im August 2014. Die Tageskarten seien sogar in den letzten zehn Jahren bis zu 100 Prozent teuerer geworden, so eine Botschaft des Textes. Autor ist der im letzten Jahr leider verstorbene Arne Steding, einer der Initiatoren von „Kein Zwanni“ und sehr aktiv beim BVB-Fanzine Schwarzgelb.de. Die Fakten gelten immer noch, denn billiger sind die Tickets auch in der Saison 2015/2016 5 nicht geworden.
Die Bundesliga boomt weiterhin. Fußball ist schon lange kein „Proll-Sport“ mehr. Auch Mittel- und Oberschicht mögen ihn. Nicht nur in Dortmund, sondern auch bei anderen Vereinen wie Bayern, Schalke oder Gladbach sind Tickets Mangelware. Da können die Verantwortlichen die Preisspirale anheizen, es gibt ja genügend Interessenten.
Und: Im Vergleich zur Premiere League steht die Bundesliga immer noch gut dar. Das zeige auch diese beiden Übersichten mit aktuellen Dauerkartenpreisen in Deutschland und England. In Deutschland dämpfen zum Glück die Stehplätze, die es in England bekanntlich nicht mehr gibt, die Preise.
Aber Fußball muss für alle bezahlbar bleiben. Noch ist etwa ein Besuch im Dortmunder Signal Iduna Park ein magisches Erlebnis. Weil dort alle gesellschaftliche Schichten vertreten sind und besonders die riesige Südtribüne mit den vielen Fans fast schon „Fußballkulturerbe“ ist. Das sollte bitte auch so bleiben – die Eintrittsgelder spielen im Etat der Klubs eh’ nur noch eine geringe Rolle.