Mittwoch, 28. Oktober 2015
Die DFB-Sommermärchen-Posse: Die Beteiligten von A-Z
Was wäre eigentlich gewesen, wenn Franz Beckenbauer und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sofort Tacheles geredet hätten? Wenn sie auf einer Bühne vor den Journalisten gesessen hätten und Franz Beckenbauer das Wort ergriffen hätte?

„Ja, es ist Bestechungsgeld geflossen“, hätte der Kaiser gesagt und dabei hätte die Stimme ein wenig gestockt. „Leider mussten wir bei einigen Leuten finanziell nachhelfen, denn sonst hätte es keine Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und damit kein Sommermärchen in Deutschland gegeben.“ Und dann nach einer kurzen Pause: „Jo mei, eine Weltmeisterschaft gibt es nicht ohne Gegenleistung.“ Niersbach hätte seinen Freund umarmt, viele Journalisten Verständnis gezeigt. Der Kaiser hatte nur das Beste im Sinn.
Nicht umsonst verglichen amerikanische Behörden den Weltfußballverband FIFA mit der Mafia. Viele FIFA-Verantwortliche saßen nur im Verband, um sich möglichst die Taschen zu füllen. Ich prophezeie, viele Mitbürger in Deutschland hätten Verständnis für das Handeln der WM-Organisatoren Beckenbauer und Niersbach gehabt. Die Welt ist eben schlecht und das Sommermärchen war a) eine geile Zeit und b) beste Public Relations für Deutschland.
Aber nein, die Realität war bekanntlich eine andere: DFB und Beckenbauer wiesen alle Vorwürfe ab. So tobt seit etwa einer Woche eine Posse mit immer neuen Anschuldigungen und Dementis. Da verliert der Beobachter schnell den Überblick. Zeit für ein A bis Z der wichtigsten Beteiligten.

Franz Beckenbauer: Die Lichtgestalt des deutschen Fußballs, die sowohl Weltmeister als Spieler (1974) und Trainer (1990) wurde. Und dann holt er auch noch die WM nach Deutschland – kein Wunder, dass ihn seine Freunde von der BILD (siehe Alfred Draxler) zur nationalen Ikone machten. Beckenbauer dementierte einen Stimmenkauf, „räumt aber inzwischen Fehler ein.“

Sepp Blatter: Suspendierter FIFA-Boss, der sich trotz aller Korruptions-Vorwürfe nicht geschlagen gibt. In seiner Zeit als Generalsekretär und später als Präsident entwickelte sich der Weltfußballverband zum Selbstbedienungsladen für viele Funktionäre. Blatter aber überstand bislang alle Krisen. Mag die Deutschen nicht besonders und dementierte auch sofort Beckenbauer/Niersbachs-Geschichte über einen eventuellen FIFA-Zuschuss.

Alfred Draxler: Journalist im Dienste der BILD-Gruppe, einst Chefredakteur von BILD und jetzt Boss von Sport-Bild. „Wir Fußball-Fans“, schreibt Draxler gerne, dabei sitzt er doch mit am Tisch der Mächtigen. Guter Freund von Franz Beckenbauer, den er jetzt mit allen Mitteln reinwaschen will. Macht sich dabei aber zunehmend lächerlich.

Wolfgang Niersbach: Einstiger Sportjournalist, der dann beim DFB Karriere machte und als DFB-Präsident den Gipfel erklomm. Guter Freund von Franz Beckenbauer und sein treuer Gehilfe im OK der WM 2006. Sein aktuelles Krisenmanagement verdient die Note ungenügend, seine Pressekonferenz in der letzten Woche sollte zum „Befreiungsschlag werden, entwickelte sich aber zum Fiasko“ (WDR Sport inside). Neues Spiel bei 11 Freunde: „Das Wolfgang-Niersbach-Antworten-Bingo.“

Der Spiegel: Einst ein Enthüllungs-Organ erster Güte, in den letzten Jahren aber ein Magazin mit vielen Enttäuschungen – quasi von selbsternannten „Sturmgeschütz der Demokratie“ zum Schreckschuss-Revolver. Jetzt gab es mal wieder einen Knüller mit dem „geplatzten Sommermärchen“, obwohl in der ersten Titelgeschichte in der letzten Woche doch noch vieles ziemlich vage bleib. Aber dank Theo Zwanziger konnte das Nachrichtenmagazin nachlegen. Und Spiegel online ist natürlich erste Liga.

Jens Weinreich: Freier Journalist, neben Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung der wohl beste deutsche Kenner des FIFA-Sumpfes, den er schon seit Jahren versucht trockenzulegen. Dürfte die treibende Kraft hinter der Spiegel-Geschichte sein, arbeitet ironischerweise mit Theo Zwanziger zusammen, den er einst einen „Demagogen“ nannte und der ihn dann verklagte.

Theo Zwanziger: Ehemaliger DFB-Präsident, dessen Zeit die Mitarbeiter dort als „Schreckensherrrschaft“ empfunden haben. Vorgänger von Wolfgang Niersbach, beide mochten sich schon früher überhaupt nicht. Das wird sich aktuell nicht ändern, denn aktuell nennt Zwanziger seinen Nachfolger einen Lügner. Offenbar der Kronzeuge des Spiegels, allerdings wirft Zwanzigers Verhalten auch einige Fragen auf.



Donnerstag, 22. Oktober 2015
Die einstigen „Himmelsstürmer“ von Westfalia Herne
Früher waren die Ansprüche doch ein wenig anders. Westfalia Herne spielt heute in der Westfalenliga 2, die sechste Klasse von oben gesehen im deutschen Ligasystem. Die Westfalia ist einer dieser Traditionsvereine aus dem Ruhrgebiet mit einer stolzen Vergangenheit und einer eher mauen Gegenwart.

Sonntag Nachmittag, der Sportplatz des SV Brackel 06 im Dortmunder Osten: Die Gastgeber empfangen in der Westfalenliga 2 Westfalia Herne. Es ist ein Duell, das vor Jahren keiner erwartet hätte.
Auf der einen Seite der SV Brackel 06: ein gut organisierter Vorortclub aus Dortmund mit einer starken Jugendabteilung. Früher kickte die 1. Mannschaft jahrelang in der Bezirksliga, in den letzten Jahren aber gab es offenbar zusätzliche Gelder. Neue höherklassige Spieler kamen und so bleib die Landesliga nur eine Zwischenstation. Seit dieser Spielzeit tritt Brackel in der Westfalenliga 2 an, die höchste Liga seit Vereinsbestehen.
Andererseits Westfalia Herne: Für den Club ging es in den letzten Jahren eher abwärts. In der letzten Saison folgte der Abstieg aus der Oberliga.
Rund 150 Zuschauer sind da, ein paar davon aus Herne. Besucher mit Schal und Trikot sind kaum zu sehen. Die Anhänger der Heimmannschaft kommen in Outdoor-Jacken und mit Regenschirm.
Das Spiel ist wie so häufig in der Westfalenliga: Torszenen gibt es wenige, die beiden Mannschaften neutralisieren sich quasi. Erst in der zweiten Halbzeit dreht Herne ein wenig auf, der vorher reichlich unauffällige Mittelstürmer Christian Knappmann – ein Veteran der Halbprofi-Ligen und unter anderem mal bei Borussia Dortmunds Zweiter Mannschaft aktiv – trifft zweimal. Brackel konnte nur noch auf 1:2 verkürzen.



Erinnerungen an bessere Tage: Westfalia Herne.

Herr Goldbach wollte nach oben
Für viele Herner Fans muss diese Spielklasse wie eine Demütigung wirken. Dabei liegen die glorreichen Zeiten weit entfernt. Von 1975 bis 1979 etwa, da spielte die Westfalia in der 2. Bundesliga, hatte eine namhafte Mannschaft und mit Erhard Goldbach einen Sponsor, der mächtig Geld in den Verein pumpte.
„Goldene Zeiten“, titelte das Fußballmagazin 11 Freunde über diese Zeit und zitierte dabei den Journalisten Harald Landefeld. „Wohl dem, der einen Goldbach hat«, schrieb dieser in der längst verblichenen Zeitschrift »Fußball-Woche«. „Was Westfalia Herne heute ist, ist es zweifellos durch diesen Mann geworden, der den Niedergang des Vereins in die Bedeutungslosigkeit radikal gestoppt hat. ‚Männer machen Mannschaften‘ – so hat Goldbach Westfalia Herne gemacht.“
Goldbach hatte die Tankstellen-Kette Goldin aufgebaut und wollte jetzt den maximalen Erfolg auch im Fußball. Die Bundesliga war das Ziel, dafür griff der Unternehmer tief in seine Tasche. Rund 200 000 bis 300 000 DM steckte Goldbach aus der eigenen Schatulle monatlich in den Klub.
Prominente Namen kickten in dieser Zeit am ehrwürdigen Schloss Strünkede: Die ehemaligen Schalker Klaus Scheer, Mittelstürmer Jochen Abel (der später beim VfL Bochum für Furore sorgte) oder Sören Busk, der in Herne zum dänischen Nationalspieler avancierte.
Auch der Trainer dürfte nicht billig gewesen sein: Irvica Horvath trainierte unter anderem den FC Schalke 04 zu Beginn der Siebziger Mannschaft. Eine Schalker Truppe, die vieles versprach, die sich aber durch die Teilnahme am Bundesliga-Skandal die Zukunft ruinierte.
Doch aller finanzieller Protz war vergebens. Herne blieb im Mittelmaß der Zweiten Liga stecken: 1975/1976 war es Platz 10, 1976/77 Platz 11, 1977/78 Platz 14. Erst 1978/79 wurde es mit Platz 5 deutlich besser.
Doch 1979 kam das große Erwachen. Erhard Goldbach hatte jahrelang betrogen und Steuern hinterzogen. Nach einer Razzia durch die Zollfahndung floh Goldbach und tauchte später in der Fahndung im ZDF-Klassiker Aktenzeichen XY auf. Das Zweitliga-Abenteuer von Westfalia Herne war jedenfalls zu Ende.

Vom Kellerkind zum Meister
So krass war der Absturz zu Beginn der sechziger Jahre nicht ganz. Ende der fünfziger Jahre, da war die Westfalia sogar mal die Nummer 1 in Deutschlands Fußball-Westen – vor Schalke 04, Borussia Dortmund oder dem 1.FC Köln.
In der Saison 1958/59 rockten die Herner die damalige Oberliga West. „Das war ein bisschen so wie der amerikanische Traum: vom Tellerwäscher zum Millionär. Herne hatte eine junge, sympathische Mannschaft, die begeisternden Fußball spielte. Die Himmelsstürmer waren der Liebling der Presse und des Publikums“, schrieb der Sporthistoriker Ralf Piorr.
Der 1955 gekommene Trainer Fritz Langner hatte den einstigen Abstiegskandidaten von Grund auf umgewandelt und die Mannschaft Jahr für Jahr mit Spielern aus der Umgebung verjüngt. Langner holte unter anderen den späteren Nationaltorhüter Hans Tilkowski aus dem Dortmunder Vorort Husen und Helmut Benthaus, später als Trainer sehr erfolgreich. Weitere Stützen des Teams hießen Alfred Pyka und Gerhard Clement.
Doch die Erfolge bleiben erst einmal aus, erst in der Rückrunde der Saison 1957/58 deutete sich die neue Stärke an. Ein Jahr später feierten die Herner dann den großen Triumph: Mit sechs Punkten Vorsprung vor dem 1.FC Köln und Fortuna Düsseldorf wurde der Underdog Meister der Oberliga West, Dortmund und Schalke landeten im geschlagenen Mittelfeld. Zuhause am Schloss Strünkede blieben die Langner-Schützlinge ungeschlagen. In der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft aber scheiterte Herne. Es wäre auch zu schön gewesen.
Ein Jahr später belegte Westfalia Herne noch mal den zweiten Platz in der Oberliga West. Danach ging es Jahr für Jahr ein Stück abwärts, den Sprung in die Bundesliga 1963 schaffte Herne nicht. Und auch später blieb die Top-Klasse ein Traum – bis dann ein gewisser Erhard Goldbach diesen Traum realisieren wollte. Das Ergebnis ist bekannt.



1986 traf Westfalia Herne als Oberligist im Westfalenpokal auf den Dortmunder Landesligisten FC Merkur 07. Es regnete, das Spiel fand auf einem Aschenplatz statt, der gegen Spielende einer Schlammwüste ähnelte. Am Ende verlor Herne nach Elfmeterschießen und der klassentiefere Klub aus der Dortmunder Nordstadt jubelte. Der FC Merkur hatte auch dank einer exzellenten Nachwuchsarbeit damals eine sehr lange erfolgreiche Periode, zählte zu den erfolgreichsten Dortmunder Amateurvereinen. Heute kickt Merkur in der Kreisliga C, also ganz unten.



Montag, 19. Oktober 2015
Der tolle Nachwuchs des Markus Klug
Es war ein großes Turf-Wochenende mit Highlights in Baden-Baden (Sales und Race-Festival) und Ascot am Champions Day. Eine persönliche Nachlese.

Millowitsch: Was wird die Kölner Rennbahn im nächsten Jahr beben, wenn dieses Pferd – benannt nach dem Kölner Volksschauspieler – das Mehl-Mülhens-Rennen gewinnen würde. Noch ist Millowitsch nur ein sehr guter Zweijähriger, der bislang alles richtig gemacht hat und sich am Freitag mit dem Ferdinad-Leisten-Memorial, dem BBAG-Auktionsrennen, eine weitere lukrative Prüfung holte. Noch zeigte er reichlich Unreife, driftete über die halbe Bahn nach links.
„Ich habe das Gefühl, dass Millowitsch die Badener Kursführung nicht mag, denn wenn er in die Zielgerade kommt, und kein Pferd rechts neben sich hat, tendiert er zur Außenseite, das war auch im Zukunftsrennen so“, meinte sein Trainer Markus Klug. Immerhin ist er jetzt Deutschlands gewinnreichster Zweijähriger. Das würde dem Kölner Willi M. auch gefallen.

Dhaba: Bei den Youngstern scheint Markus Klug auch so gut aufgestellt. Dhaba triumphierte am Sonntag in der Winterkönigin und machte dabei nicht nur den Kolumnisten glücklich, der die Stute gewettet hatte. Es war eine beeindruckende Vorstellung: Als Adrie de Vries im Sattel ernst machte, war die Sache gelaufen. Eigentlich, weil die Stewards den Rennvorlauf noch mal überprüften, weil die Stute in die Spur der Zweitplatzierten Serienholde lief. Aber das Ergebnis blieb, die Siegerin zeigte schönen Speed.
„Noch vor vier Monaten hätte ich nicht gedacht, dass Dhaba so etwas gewinnen kann. Dann hat sie sich allerdings prächtig entwickelt. Der weiche Boden kam ihr heute wie zuletzt bei ihrem Sieg im Dortmunder Auktionsrennen entgegen“, sagte Klug nach dem Rennen. Die Kasse für den Winterurlaub sollte gut gefüllt sein.


Winterkönigin 2015: Dhaba (Foto: Rühl/German Racing)

Sam: In der Regel sind besonders die unteren Handicaps in Iffezheim eine knifflige Sache. Eine Menge Pferde, viele davon in guter Form, andere extra für so eine Prüfung aufgespart, der Wetter steht oft vor schwer zu entschlüsselnden Rätseln. Doch Sam machte den Preis der VR Bank Mittelbaden (Agl.IV) am Sonntag zu einer Prozession. Drei Längen Vorsprung waren es am Ende und Jockey Steffi Hofer schien selbst überrascht, wie leicht der Wallach sich löste. Der Kolumnist war hingegen verärgert, weil er Sam quasi übersehen hatte. Dabei stand das Pferd nach allen Formen zum Sieg und rechtfertigte das eindeutig. Vier Starts hatte der Wallach der Besitzertrainerin Sabine Gossens in dieser Saison absolviert, der Formspiegel lautete 2-2-3-2. Die Siegquote von 88:10 war ein Geschenk.

Muharaar: Sprinter, so lautet eine Turf-Weisheit, werden mit dem Alter erst richtig gut. Entsprechend viele ältere Wallache tummeln sich in der Spitzenklasse der ganz schnellen Pferde. Doch keine Regel ohne Ausnahme (und von denen gibt es einige): Der dreijährige Muharaar gewann sein viertes Gruppe 1-Rennen in Folge. Zuletzt musste der Oasis Dream-Sohn zwei Mal kämpfen, doch sein Erfolg am Samstag in den British Champion Sprint Stakes war mal wieder reine Magie. Da konnte der starke Twilight Son noch so viel Speed zeigen, am Ende hatte er zwei Längen Rückstand auf Muharaar. „Er ist das beste Pferd, das ich je trainiert habe“, lobte Charlie Hills, der Trainer des Siegers. Angus Gold, Racing Manager von Besitzer Hamdan Al Maktoum, stellt den Hengst auf eine Stufe mit Sprint-Größen wie Dayjur und Oasis Dream.
Es war der letzte Rennbahn-Auftritt von Muharaar, denn er geht Ende dreijährig in die Zucht. Schade, aber was will er vierjährig auch noch gewinnen. So ist das mit den erfolgreichen Flachpferden. Von wegen, Sprinter werden erst im Alter richtig gut.

Solow: Von einem eventuellen Rücktritt war bei Solow nach seinem Erfolg in den Queen Elizabeth II Stakes beim britischen Meister-Tag keine Rede. Kein Wunder, auf den markanten Schimmel wartet ja keine Deckhengst-Karriere. Fünf Jahre ist der Wallach inzwischen und diese Saison steigerte sich der Schützling von Trainer Freddie Head noch mal gewaltig. Es war der fünfte Gruppe 1-Sieg in Serie und sein französischer Betreuer charakterisiert seinen Schützling schlichtweg als „brillant“. Schade nur, dass der Zweikampf mit Gleneagles nicht richtig stattfand. Aidan O’Brien ließ seinen klassischen Gewinner zwar starten, aber der Boden war leider viel zu weich. So endete Gleneagles im geschlagenen Feld.