Donnerstag, 1. Oktober 2015
Alles Treve oder doch nicht
Für die Buchmacher ist die Sache klar: Treve geht als klare Favoritin in den Prix de l'Arc de Triomphe 2015. Schafft die französische Stute den dritten Erfolg in Serie in diesem Champion-Rennen am Sonntag in Paris-Longchamp? Die Vorzeichen stehen gut, die Quote ist aber entsprechend lausig. Gibt es Alternativen? Starter und Chancen für den Arc 2015.



Im Blickpunkt im Arc: Treve (Foto German Racing/Rühl)

Treve (Trainerin Criquette Head-Maarek): Im Gegensatz zu 2014 kommt die französische Stute diesmal ohne Makel in den Arc 2015. Seit ihrem beeindruckenden Erfolg im letzten Jahr ungeschlagen, gewann drei Rennen ohne große Anstrengungen. Eigentlich passt alles: Distanz, Boden, Form. Und im Gegensatz zu manchem ihrer dreijährigen Kontrahenten ist der Arc 2015 ganz eindeutig der Höhepunkt ihrer Kampagne.

New Bay (Trainer Andre Fabre): Der beste französische Dreijährige, Sieger im Prix du Jockey Club, dem französischen Derby. Zuletzt zeigte er im Prix Niel, dass er auch 2400 Meter kann. Ein Pferd mit viel Speed, in großen Feldern erprobt und zudem trainiert von Trainer-Doyen Andre Fabre, der weiß, wie solche Rennen gewonnen werden. Ein starker Gegner für Treve.

Golden Horn (Trainer John Gosden): Englischer Derbysieger, das beste Pferd in England über längere Distanzen und nachgenannt für den Arc. Die einzige Niederlage seiner Laufbahn gab es in York gegen die Stute Arabian Queen, die diese Form aber in Longchamp gegen Treve nicht bestätigte. Auch zuletzt überzeugte mich Golden Horn nicht völlig, als er die Irish Champion Stakes ziemlich „wackelig“ gewann. Am besten zudem auf guten Boden. Dazu stört mich ein wenig, dass Golden Horn eine ziemlich harte Saison hatte und er diese Strapazen in einem harten Rennen wie dem Arc spüren könnte. Sein Trainer ist aber groß in Form.

Found (Trainer Aidan O’Brien): Top-Stute aus dem mächtigen O’Brien-Stall, als Youngster Gruppe 1-Siegerin in Longchamp und in diesem Jahr mehrfach in Top-Aufgaben knapp gescheitert. Zuletzt gute Zweite in den Irish Champion Stakes in Leopardstown. Aber noch nie über 2400 Meter gestartet. Vom Vater Galileo könnte das Stehvermögen kommen, die Mutter Red Evie war eine hochklassige Stute (Gr.1-Gewinnerin), die aber nur bis 1600 Meter im Einsatz war.

Free Eagle (Trainer Dermot K. Weld): Der Kandidat, den Golden Horn in den Irish Champion Stakes aus dem Rhythmus brachte. Ob er letztlich ohne diese Störung gewonnen hätte, ist Spekulation, jedenfalls ging er vorher sehr gut. Mit vier Jahren immer noch relativ wenig geprüft, Gruppe 1-Sieger über 2000 Meter. Auch für Free Eagle ist es der erste Versuch über 2400 Meter, ich halte ihn nicht für einen Steher.

Flintshire (Trainer Andre Fabre): Fünfjähriger Hengst und schon ein bekanntes Gesicht im Arc. 2014 Zweiter hinter Treve, dreifacher Gruppe 1-Sieger und aktuell gut in Form. Allerdings schon mehrfach hinter der Stute, eine Formumkehr ist schwer vorstellbar.

Erupt (Trainer Francis-Henri Graffard): Erst fünf Starts, ein Aufsteiger aus der französischen Provinz. Sieger im Grand Prix de Paris (Gruppe 1), aber zuletzt sah er Grenzen gegen New Bay.

Tapestry (Trainer Aidan O’Brien): Erst der zweite Start in diesem Jahr, das Comeback als Zweite in The Curragh war in Ordnung. Im letzten Jahr weit geschlagen im Arc, die beste Form war ein Gruppe 1-Sieg in den Yorkshire Oaks in York gegen die sehr gute Taghrooda. Das war damals eine große Überraschung, ein Erfolg im Arc wäre eine ebenso große.

Dolniya (Trainer Alain Royer du Dupré): Hochklassige Stute, aber die letzten Formen reichen nicht.

Prince Gibraltar (Trainer Jean Claude Rouget): Gewinner des Großen Preises von Baden. Das war zwar auch Gruppe 1, aber der Arc ist noch mal eine Stufe höher.

Ein Erfolg von Manatee (Andre Fabre), Silverware (Alain Couétil), Eagle Top (John Gosden), Spiritjim (Alain Couétil), Siljan’s Saga (Jean-Pierre Gauvin), Meleagros (Alain Couétil) oder Frine (Carlos Laffon-Parias) würde zumindest die Buchmacher entzücken, denn diese Pferde sind allesamt große Außenseiter. Shabah (Andre Fabre) soll als Tempomacher für Treve agieren.

Urteil
Mehr ein Rennen zum gucken denn zum wetten. Alles spricht für den Hattrick von Treve, es wäre eine famose Leistung einer grandiosen Stute. Dennoch werde ich eine kleine Wette auf New Bay platzieren, denn ich traue dem Fabre-Schützling weitere Verbesserung zu. Und Golden Horn? Der Boden mag passen, die Klasse ist da, aber zuletzt wirkte der Hengst ziemlich unreif. Und deshalb habe ich Bedenken in einem so harten Rennen wie dem Arc.

Zwei Lesetipps aus dem englischen Guardian: Zum einen über
Treve, zum anderen eine sehr interessante Story über Frankie Dettori.



Freitag, 25. September 2015
Die große Talentschau im Herbst
Es naht die große Zeit der Youngster im Turf. Denn wenn sich die Galoppsportsaison – zumindest die auf dem grünen Rasen – dem Ende nähert, rücken die Zweijährigen in den Mittelpunkt des Interesses. Wobei es schon traditionell große Unterschiede zwischen Deutschland und England gibt: In unserem Land spielen die Prüfungen für den Nachwuchs eine eher untergeordnete Rolle, auf der Insel laufen die jungen Vollblüter ab dem ersten Renntag der grünen Saison – und diese beginnt im März. Ein Blick auf die wichtigsten Rennen des Herbstes für den Nachwuchs in Deutschland und England.

Früher war Frühreife kein Merkmal der deutschen Zucht, Deckhengste wie Big Shuffle, Dashing Blade und einige hochdotierte Auktionsrennen haben das ein wenig verändert. Dennoch ist der Unterschied zu England allein von der Zahl der Rennen gewaltig.
So haben nur vier Prüfungen für diese Altersgruppe in Deutschland Gruppen-Status. Und dann auch noch die niedrigste Einstufung, also Gruppe 3. Eine davon, das Zukunfts-Rennen in Baden-Baden, ist schon wieder Geschichte. Wie so häufig, gewann ein Gast aus dem Ausland. Mark Johnston, in diesem Jahr bei den Jüngsten offenbar gut aufgestellt, trainierte die Siegerin. Die drei wichtigsten Prüfungen auf deutschen Bahnen:

Preis des Winterfavoriten, Köln, 11.10., 1600 Meter, Preisgeld 155 000 Euro, Gruppe 3: Die wichtigste deutsche Zweijährigen-Prüfung für die Hengste. Der Sieger dieses Rennens erobert traditionell eine Top-Position in der Jahrgangs-Hierarchie. Zumindest über Winter, allerdings waren die Gewinner der letzten Jahre wie Brisanto, Born to Run und Limario dreijährig nicht unbedingt Top-Pferde. Zuletzt schaffte Precious Boy 2007/2008 den Sprung zum klassischen Mehl-Mülhens-Sieger. Das Doppel Winterfavorit – Derby holte sich zuletzt 1994/1995 Lavirco, auch Lando hatte 1992/1993 die Nase in diesen beiden Prüfungen vorn. Aber oftmals gewannen Pferde, die zweijährig ihre beste Zeit hatten. In diesem Jahr heißt der Favorit Noor Al Hawa, der im Düsseldorfer Junioren-Preis den Gegner davon eilte.



Der unvergessene Adi Furler kommentiert den Winterfavoriten aus dem 1983. Es muss ein Samstag gewesen sein, denn am Ende stellt Furler auch noch die Starter für den Kölner Preis von Europa am Sonntag vor. Ich weiß nicht, ob der Beitrag in der Samstags-Sportschau oder „nur“ regional im WDR lief. Sicher ist aber, dass der überlegene Sieger Lagunas ein Jahr später auch das Deutsche Derby gewann.

Preis der Winterkönigin, Baden-Baden, 18.10., 1600 Meter, Preisgeld 105 000 Euro, Gruppe 3: Das Pendant zum Winterfavoriten für die Stuten. Seit 2004 wird es in Baden-Baden gelaufen, davor rückten die Pferde in Mülheim in die Boxen. Das Rennen gibt es erst seit 1959. In den letzten sechs Jahren siegten entweder Trainer Andreas Löwe oder Trainer Andreas Wöhler, beide waren jeweils dreimal erfolgreich. Obwohl oft gute Pferde die Winterkönigin gewonnen haben, ist die klassische Ausbeute der Siegerinnen erstaunlich gering. Das letzte Double Winterkönigin – 1000 Guineas schaffte 1992/1993 Quebrada, trainiert vom großen Heinz Jentzsch. 1990/1991 triumphierte Martessa sowohl in Winterkönigin als auch Diana – trainiert von einem gewissen Andreas Wöhler. Immerhin schafften die Winterköniginnen 2013 (Diamond Dove) und 2010 (Djumana) ein Jahr später zweite Plätze in der Diana.

Herzog von Ratibor-Rennen, Krefeld, 8.11., 1700 Meter, Preisgeld 55 000 Euro, Gruppe 3: Eine richtige Traditionsprüfung, seit 1949 in Krefeld beheimatet. Terminlich fast am Ende der Saison, zieht es häufig die etwas späteren Zweijährigen an. Wenn man durch die Liste der Sieger und Platzierten schaut, tauchten dort in letzter Zeit Namen auf, die später große Karriere machten: Protectionist (Zweiter 2012), der spätere Melbourne Cup-Sieger. Oder Pastorius, Gewinner 2012 und ein Jahr später Derby-Held in Hamburg. Noch ein paar gute Namen in der Siegerliste: Der beim Winterfavoriten schon erwähnte Precious Boy (1992), Alkalde (1987), Zampano (1986) oder Lirung (1984).

Die Top-Rennen in England
Middle Park Stakes, Newmarket, 26.9., 1207 Meter, Preisgeld 180.000 GBP, Gruppe 1: Die Gruppe 1-Prüfung für die schnelle Brigade der Zweijährigen. Klarer Favorit für das Rennen am Samstag ist Shalaa aus dem Stall von John Gosden, bereits ein Gruppe 1-Sieger in Deauville und davor ein leichter Gewinner in den Richmond Stakes (Gr. 2) in Goodwood. Klassische Hinweise sollte der Beobachter nicht erwarten, Rodrigo de Trianos Double mit den 2000 Guineas 1992 war eine Ausnahme. 1600 Meter sind für das Gros der Starter in der Regel viel zu weit. Viele Sieger der Middle Park Stakes waren später erfolgreiche Deckhengste, die besonders schnelle Zweijährige produzierten: Dark Angel, Dutch Art, Oasis Dream, Bahamian Bounty oder Diesis sind nur einige Beispiele. Letzterer gewann übrigens auch die Dewhurst Stakes.



Ein seltenes Doppel: Diesis war 1982 sowohl in den Middle Park Stakes als auch im Dewhurst (siehe Video) vorne

Dewhurst Stakes, Newmarket, 10.10, 1408 Meter, Preisgeld 360 000 GBP, Gruppe 1: Die Dewhurst Stakes auf der Rowley Mile in Newmarket sind das prestigereichste Rennen für Youngster auf der Insel. Die Siegerliste ist voller herausragender Pferde, die später in klassischen und Gruppe 1-Prüfungen vorne waren. Nur einige Namen der letzten 15 Jahre: Dawn Approach (2012), New Approach (2007), Teofilo (2006), Sir Percy (2005), Sharmardal (2007), Rock of Gibraltar (2001). Und natürlich Frankel (Erster 2010), das beste englische Vollblut der letzten Jahre. Für ihn war es der Auftakt zu noch größeren Taten.

Racing Post Trophy, Doncaster, 24.10., 1600 Meter, Preisgeld 200 000 GBP, Gruppe 1: Die Racing Post Trophy ist das zweite wichtige Rennen für Youngster mit klassischen Ambitionen. Im Gegensatz zu den Dewhurst Stakes fehlt jedoch die Tradition, erst 1961 wurde die erste Trophy gelaufen. Seit 1989 sponsert die bekannte englische Rennzeitung das Rennen. Ende Oktober kann in Doncaster der Boden schon mal ziemlich schwer sein, da wird von den Youngstern einiges an Stehvermögen verlangt. Immerhin fünf Pferde schafften das Doppel Racing Post Trophy – Epsom Derby, das wären Camelot, Authorized, Motivator, High Chaparral und als erster Reference Point. Der letztjährige Gewinner Elm Park enttäuschte allerdings dreijährig, der Boden für ihn war 2015 nie weich genug.

Quellen: Galopp-Sieger, Wikipedia, eigene Recherchen



Montag, 21. September 2015
Was Tuchel mit Klopp verbindet
Der gleiche Gedanke, aber vielleicht habe ich mich am Sonntag auch unbewusst mit einem Schreiber von schwatzgelb.de unterhalten: Der aktuelle Siegeszug von Borussia Dortmund zeigt viele Gemeinsamkeiten mit der Saison 2010/2011 – die Spielzeit, in der Borussia zum ersten Mal in der Ära Jürgen Klopp Deutscher Meister wurde.

Diese Lust am Spielen, diese Freude am Kombinieren – all das erinnert in den ersten fünf Bundesliga-Spielen unter Trainer Thomas Tuchel an die Zeit, in der Klopps „Rasselbande“ die Liga aufmischte. Das souveräne 3:0 gegen Bayer 04 Leverkusen, einem Team normalerweise auf Augenhöhe mit dem BVB, war der fünfte Sieg in der Bundesliga und der inklusive Europa League und DFB-Pokal elfte Erfolg in der Saison. Borussia ist noch ungeschlagen und erlebt den besten Saisonstart, an den ich mich erinnere.
Nie klang der Song nach der Melodie aus Pippi Langstrumpf früher durch das Stadion als in dieser Spielzeit. Gegen Leverkusen ertönte er direkt nach dem 1:0 in der 19. Minute und irgendwie ist das von Fanseite auch eine Attacke auf den übermächtigen „Rivalen“ aus München. Die Bayern marschieren leider auch und sind ebenso noch ohne Verlustpunkt.
Am Sonntag hatte der BVB-Anhänger nie den Eindruck, dass die Werkself wie in den Jahren zuvor die Punkte aus Dortmund mitnahm. Borussia begann ungemein konzentriert, hielt das Tempo hoch und kombinierte hoch kreativ. Das 1:0 war der verdiente Lohn, denn bereits vorher hatte Schwarz-Gelb mehrere gute Einschuss-Möglichkeiten.

Spiel und viel Spaß
Nur in den 15 Minuten vor der Pause kam Leverkusen etwas besser ins Spiel, ohne dass der BVB wackelte. Doch das war nur eine kurze Unterbrechung: Nach der Pause wirbelte Dortmund weiter, schoss zwei Tore und hatte noch weitere Chancen.
Es ist diese unbändige Lust am Fußball spielen, die derzeit besonders viel Spaß macht und nicht nur den Gang ins Stadion zum großen Vergnügen macht. Natürlich agiert der BVB im ersten Tuchel-Jahr anders als unter Jürgen Klopp. Borussia spielt auch mal „hinten rum“, presst zwar noch immer konsequent, befördert den Ball aber dann wird nicht mehr bedingungslos nach vorne.
Dazu können die Mannschaften 2010 und 2015 nicht mehr verglichen werden. Vor fünf Jahren war das Jugend forsch – viele Spieler standen am Anfang ihrer Karriere. Von den damaligen Akteuren zählen aktuell noch Hummels, Schmelzer und Kagawa zum Stamm; Spieler wie Weidenfeller, Piszczek, Subotic, Bender oder Sahin sitzen auf der Bank bzw. sind verletzt. Andere Spieler wie Barrios, Großkreutz oder Kuba haben den Verein verlassen.
2015 ist die Mannschaft nach den ganzen Erfolgen hochkarätiger besetzt. Aber diesen ganzen Individualisten bilden ein sehr homogenes Team, das perfekt aufeinander abgestimmt ist. „Der Himmel scheint die Grenze zu sein“ – diesen Eindruck hinterlässt der BVB jedenfalls.
2010 verlor die Borussia das erste Heimspiel 0:2 gegen Bayer Leverkusen. Dortmund spielte dabei gar nicht schlecht, doch Leverkusen präsentierte sich als ganz starkes Team mit einem überragenden Michael Ballack. Wie ein zukünftiger Meister. Doch Schwarz-Gelb startete dann die Serie, blieb danach 15 Spiele ohne Niederlage und wurde am Ende Champion. Bayer wurde Vize – und Ballack war doch eher ein Missverständnis.