Donnerstag, 6. August 2015
Das Bundesliga-Orakel 15/16: Banale Fragen, kluge Antworten
Lange ist auf diesen Seiten nichts mehr in Sachen Fußball passiert. Keine WM, keine EM, nur als kleines Trostpflaster U 21-EM und Frauen-WM. Doch letztere lief überwiegend nachts und fand damit für den Chronisten nur am Rande statt. Aber jetzt geht es wieder los: Die Sonderhefte sind erschienen, Zweite und Dritte Liga kicken wieder und auch die Bundesliga startet am 14. August. Und dieses Wochenende gibt es als passende Vorspeise die erste Hauptrunde im DFB-Pokal. Die wichtigsten Antworten zur Bundesliga-Saison 2015/2016.

Was erreicht Borussia Dortmund in dieser Saison?
Die wichtigste Antwort sofort: Schlimmer als die Hinrunde 2014/2015, als der BVB auf einem Abstiegsplatz überwinterte, kann es nicht mehr werden. Borussia hat bekanntlich einen neuen Trainer namens Thomas Tuchel, der die Gallionsfigur Jürgen Klopp ablöste. Tuchel bekommt von mir viel Zeit, bis mindestens Weihnachten hat er Schonfrist. Ich bin schon gespannt, was der akribische System-Tüftler aus dem BVB-Team herausholt. Aber die Klopp-Jahre waren besonders in den Jahren 2010 bis 2013 die beste Zeit meines schwarz-gelben Fandaseins, das wird schwer zu toppen sein. Die direkte Champions League-Qualifikation wäre dennoch schön und vielleicht kann der BVB ja die Bayern ein wenig ärgern.

Schafft Hendrik Mkhitaryan endlich den Durchbruch beim BVB?
Ein hochbegabter Mittelfeldspieler, doch im letzten Jahr war der Armenier das Sinnbild der BVB-Krise. Besonders in der Hinrunde schlich er meist mit gesenktem Kopf über den Platz. Nichts gelang, eine unendliche Bürde schien sein Spiel fast zu erdrücken. In der Rückrunde wurde es dann es besser, da zeigte er manchmal, welche großartiges Potenzial in ihm technisch und strategisch steckt. Zum Beispiel nach seiner Einwechslung beim DFB-Pokalhalbfinale in München. Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz verloren und prognostiziere Mkhitaryan eine starke Saison, die ihn mindestens in die Internationale Klasse der kicker-Rangliste befördern wird.

Steht Bayern München Ostern schon wieder als Meister fest?
Könnte sein, wäre aber nicht schön. Natürlich haben die Münchner den besten Kader aller Bundesligisten, aber ihre Überlegenheit der letzten drei Jahre hat die Bundesliga nicht gerade attraktiv gemacht. Das Schöne an den Bayern ist zudem das Unruhe-Potenzial im Umfeld. Mein Eindruck ist beispielsweise, dass viele Journalisten nur auf Patzer von Trainer Pep Guardiola warten. Dann wird abgerechnet, dann wird der FC Hollywood wieder seinem Namen gerecht. Ist ja auch ein komischer Typ, der Pep. Gibt keine Einzel-Interviews und hat keine Hofjournalisten, den er etwas exklusiv steckt. Da sind BILD und co. ziemlich nachtragend.

Mario Götze: Wird er bei den Bayern noch glücklich?
Der arme Mario! Die meiste Zeit sitzt er bei den Bayern nur auf der Ersatzbank und dann redet Pep noch nicht mal mit ihm. Wer jetzt meint, ich habe Mitleid mit dem ehemaligen Dortmunder, der liegt falsch. Der Wechsel nach München war doch seine eigene Entscheidung (bzw. die seines Beraters) und so richtig überzeugt hat Götze bei den Bayern auch nicht. Der in Sachen FCB meist gut informierte kicker munkelt von einem „Missverständnis“ (weil Guardiola 2013 lieber
Neymar haben wollte) und schreibt, dass ein Wechsel noch in dieser Transfer-Periode (bis Ende August) „wahrscheinlich scheint“.

Was macht Schalke?
Es herrscht ein wenig Aufbruchstimmung auf Schalke. Im wesentlich verantwortlich dafür ist der neue Trainer Andre Breitenreiter, der vom Abstieger Paderborn kam. Sein Vorgänger Roberto di Matteo war ein Fehlgriff, viel schlimmer als unter dem Italo-Schweizer, der immerhin mal die Champions League gewann, kann es aber auch nicht werden. Dazu scheint sich das Team mit Geis, Di Santo und dem Brasilianer Caicara gut verstärkt zu haben, zudem kommen mit Draxler und Goretzka lange verletzte Spieler zurück. Da juchzt das königsblaue Herz und träumt von neuen Großtaten. Doch die Stimmung kann auf Schalke schnell drehen, dann werden vermeintliche Hoffnungsträger schnell zu Buhmännern. Und die Schlagzeilen der BLÖD-Zeitung werden das Klima weiter aufheizen.

Steigt der HSV diesmal ab?
Liebe Hamburger Fans, zweimal mal am Abgrund 2. Liga gekratzt, zweimal mit viel Glück in der Liga geblieben. Eigentlich müsstet ihr doch längst gegen Heidenheim, Sandhausen oder den Lokalrivalen St. Pauli in der 2. Liga spielen. Viele bekannte Namen wie van der Vaart, Westermann oder Jansen sind nicht mehr da, aber diese Leute standen auch für die sportliche Krise des Dinos. Und jetzt wird alles gut? Mal schauen, ob Trainer Bruno Labbadia noch im Amt ist, wenn der HSV im Oktober am Tabellenende ist. Ob dann die gleiche Prozedur wie in den Vorjahren läuft?. Trainer raus, neuer Trainer rein. Oder ob die Verantwortlichen schlau geworden sind und merken, dass erfolgreiche Vereine viel mit Kontinuität verbindet.

Wie schneiden die Neulinge Ingolstadt und Darmstadt ab?
Beide Aufsteiger haben vieles gemeinsam: großartige Trainer wie Ralph Hasenhüttl (Ingolstadt) und Dirk Schuster (Darmstadt), ein ruhiges Umfeld, Kontinuität und einen starken Mannschaftsgeist. „Der Star war hier die Mannschaft“, um den alten Berti-Vogts-Spruch mal wieder wiederzugeben.
Ihr Erfolg ist auch ein Schlag ins Gesicht mancher Traditionsvereine wie etwa Nürnberg oder München 60. Bei diesen Klubs herrscht immer Theater, ein Ergebnis sind permanente Personalwechsel.
Besonders der Aufstieg der Darmstädter ist ein kleines Fußballwunder: 2013 sportlich schon aus der Dritten Liga abgestiegen und nur durch den Lizenzentzug von Kickers Offenbach die Klasse gehalten, 2014 der Aufstieg in die Zweite Liga und jetzt der Durchmarsch in die Eliteklasse. Das mit einem Team von Unbekannten und anderswo Aussortierten, solche Geschichten liebe ich im Fußball. Der Klassenerhalt wäre das nächste Wunder.
Ingolstadt könnte langfristig ähnlich erfolgreich agieren wie der FC Augsburg. Aber dafür muss erstmal die Liga gehalten werden.



Dienstag, 4. August 2015
Richard Hughes: „Mr. Cool” macht Schluss als Jockey
Die Prüfung war nicht unbedingt einer der sportlichen Höhepunkte des Glorious Goodwood Festivals in der letzten Woche, aber die Jack Berry House Nursery für zweijährige Pferde über schnelle 1207 Meter am letzten Donnerstag wird dennoch in die Geschichte des englischen Turfs eingehen: Es war der letzte Sieg für Richard Hughes, der zum 1. August seine Jockey-Karriere beendete und nun Trainer wird.

Der Erfolg auf Belvoir Bay, trainiert von seinen Schwager Richard Hannon, dokumentierte noch einmal eindrucksvoll die herausragenden Qualitäten des irischen Jockeys. Zuerst ließ er die Stute in aller Ruhe auf die Beine kommen und hielt sie hinten im Feld. Nun ist der Weg von hinten auf der geraden Bahn im so idyllischen Goodwood oftmals eine nerven kostende Angelegenheit. So war es auch diesmal: Mehrmals suchte Hughes eine Lücke, doch jedes Mal war der Weg versperrt.
Kein Grund zur Panik: „Hughesie“ wartete, bugsierte sein Pferd in aller Ruhe nach außen und da war auf einmal Platz. Und während alle anderen Reiter ihre Pferde schon heftig bemühten, saß Richard Hughes immer noch „wie im Kino“. Erst auf den letzten Metern begann Hughes zu arbeiten und Belvoir Bay zog noch leicht an den Gegnern vorbei.
Es war ein typischer Richard Hughes-Ritt. Eine Mischung aus Coolness, Eleganz und Lässigkeit, die fast schon arrogant wirkt. Doch Hughes fand fast immer den richtigen Gang. Besonders auf dem anspruchsvollen Kurs in Goodwood galt er als Meisterjockey.
Taktisch und stilistisch war Hughes Weltklasse, nur im Endkampf gab es stärkere Jockeys. Man sehe sich nur den Ritt auf Nancy from Nairobi am Goodwood-Mittwoch an.

Canford Cliffs, Paco Boy und viele mehr
Nichtsdestotrotz machte der Sohn des irischen Hindernistrainers Dessie Hughes eine tolle Karriere. Englischer Champion der Flach-Jockeys der letzten drei Jahre, großartige Erfolge mit Pferden wie Oasis Dream, Paco Boy, Canford Cliffs, Toronado, Sole Power, Sky Lantern oder Tiggy Wiggy – da kam einiges zusammen. Dabei war er mit einer Körpergröße von 1,79 Metern fast ein Riese unter seinen Reiterkollegen.
Nur das englische Derby hat Hughes nie gewonnen. Das lag aber auch daran, dass er in diesem Klassiker eigentlich nie auf einem chancenreichen Kandidaten saß. Sein Hauptpatron Richard Hannon (und später dann sein Sohn mit dem gleichen Namen) war mehr spezialisiert auf frühreife Zweijährige. In den Siegerlisten der großen Zweijährigen-Rennen speziell im Frühsommer und Sommer tauchen die Namen Hannon und Hughes permanent auf. Viele dieser Youngster trumpften während Royal Ascot auf und siegten in wichtigen Prüfungen. Das waren in der Regel aber keine Kandidaten für Steherdistanzen, eher Pferde für Kurz- oder Mitteldistanzen. Allerdings hat in den letzten Jahren die Qualität der Pferde im Hannon-Quartier deutlich zugenommen.



Canford Cliffs triumphiert in den St. James Palace Stakes 2010 in Ascot. Auch hier wartet Richard Hughes lange, findet die Lücke und siegt in großem Stil.

Letzte Rettung
Der Autor mag das Team Hannon und Hughes sowieso. Wenn das Online-Wettkonto sich langsam leerte und gegen Null ging, half häufig nur noch die Kombination der beiden Richards. Das letzte Geld auf einen Zweijährigen von Trainer Hannon und mit Richard Hughes, diese Strategie funktionierte fast immer. Wenn dann noch andere große Ställe wie etwa Godolphin blaublütig gezogene Pferd ins Rennen schickten und dieses dann gewettet wurden, gab es für manche Hannon-Pferde erstaunlich viel Geld.
Mit 42 Jahren endet jetzt eine erfolgreiche Jockey-Karriere. Seit dem 1. August trainiert Richard Hughes Rennpferde, eine neue Herausforderung wartet auf den eloquenten Iren. Auch wenn er die alten Kollegen vermissen wird.
„Die Jockey-Stube ist ein spezieller Platz“, erklärt Hughes. „Manchmal ist sie wie ein Klassenzimmer verwöhnter Kids. Wenn du drin bist, kannst du dich verstecken. Das ist ein schönes Gefühl. Du weißt, du bist beschützt von der Außenwelt und bist mit deinen Kollegen viel enger verbunden als angenommen.“
Zumindest wird es ihm in England als Trainer nicht so gehen wie in seiner Jockey-Zeit in Indien. „Wenn man auf einem Favoriten verloren hatte, bewarfen einen die Leute“, sagte Hughes beim englischen Fernsehsender Channel 4. Groß gestört hat es ihn nicht. „Das war einfach so“. Und dabei grinste er.

Richard Hughes in der Datenbank des Guardian und bei Wikipedia



Freitag, 24. Juli 2015
Golden Horn in Nashwans Spuren
Die King George VI & Queen Elisabeth Stakes in Ascot, ein Höhepunkt der englischen Flachsaison, waren in den letzten Jahren ein lohnendes Ziel für deutsche Vollblüter. Die Erfolge von Danedream (2012) und Novellist (2013) sind noch in bester Erinnerung. Diesmal aber gibt es keine Beteiligung aus Germany, aber dafür einen klaren Favoriten mit dem Namen Golden Horn. Kann er überhaupt verlieren? Oder gilt einer der Lieblingssprüche des Autors: Kein Pferd ist unschlagbar außer Frankel.

Manchmal ist das eine zweischneidige Sache mit den herausragenden Rennpferden. Zum Beispiel Golden Horn, noch ungeschlagen, englischer Derbysieger und zuletzt Sieger gegen den grandiosen The Grey Gatsby in den Eclipse Stakes. Wenn der Hengst en Sommerklassiker in Ascot gewinnen würde, wäre er das erste Pferd seit dem großen Nashwan im Jahre 1989, der in diesen drei Rennen triumphierte.
Einiges spricht für Golden Horn: Das Pferd aus dem Stall von Trainer John Gosden trägt als Dreijähriger weniger Kilos als die älteren Gegner. Distanz und Boden sind passend und nach Rating (130) steht Golden Horn deutlich über der Konkurrenz. Nur zu einer Quote von 15:10 und tiefer ist der Cape Cross-Sohn leider nicht zu wetten für Kleinwetter wie mich. Aber gibt es Alternativen? Die Gegner in der Analyse

Clever Cookie (Rating 114): Großartiges Pferd sowohl flach als auch über Hürden, sein Trainer Peter Niven trainiert eigentlich Hindernispferde. Schaffte den Sprung von der Handicap- in die Gruppe-Klasse, zuletzt Sieger in einem Gruppe 3-Renenn in Chester. Der angesagte Regen sollte ihm entgegenkommen, aber die Distanz ist viel zu kurz sein und zum Gruppe 1-Sieg fehlt vieles – keine Chance gegen Golden Horn.

Dylan Mouth (Rating 111): Gruppe 1- und Seriensieger aus Italien, vielleicht das aktuell beste Pferd von dort, beim einzigen Start in England in den King Edward VII Stakes 2014 deutlich geschlagen unter anderen von Eagle Top. Italiens Gruppe 1-Prüfungen sind nicht vergleichbar mit englischen – keine Chance gegen Golden Horn.

Eagle Top (Rating 119): der zweite Vertreter aus dem Gosden-Stall, im letzten Jahr Vierter in diesem Rennen und dabei durchaus gewettet. Der Hengst könnte noch Reserven haben, aber zuletzt als Favorit in den Hardwicke Stakes war er nach schlechtem Rennverlauf chancenlos gegen Snow Sky. Nach Form alleine keine Chance gegen Golden Horn.

Flintshire (Rating 121): kampferprobter Gruppe 1-Galopper, unter anderem Zweiter im Prix D’Arc de Triomphe hinter der Ausnahmestute Treve, die ihn auch zuletzt im Prix De Saint Cloud besiegte. Pferde von Trainer Andre Fabre sind in England immer zu beachten – kleine Chance gegen Golden Horn.

Postponed (Rating 118): Gut gesteigerter Gruppe 2-Sieger von Trainer Luca Cumani. Ordentliche Formen 2015, aber der letzte Kick fehlte immer ein wenig. Jetzt sitzt wieder Andrea Atzeni im Sattel, mit dem er im letzten Jahr zweimal gewann. Eher ein Platzkandidat, aber eine ganz kleine Chance gegen Golden Horn.

Romsdal (Rating 112): Godolphin-Vertreter, beste Form ein zweiter Platz im englischen St. Leger 2014 hinter Kingston Hill auf gut-weichem Boden. Der Regen sollte ihm entgegenkommen, aber ein Gruppe 1-Sieg über 2400 Meter ist schwer vorstellbar. Keine Chance gegen Golden Horn.

Snow Sky (Rating 124): gut verbesserter Kandidat aus dem Stall von Sir Michael Stoute. Siegte zuletzt imponierend Start-Ziel als 130-Schuss in den Hardwicke Stakes gegen Eagle Top und Postponed (die allerdings beide nicht das beste Rennen hatte). Das war die bislang beste Form seiner Karriere. Viel Stehvermögen, aber ob das gegen den speedstarken Favoriten über 2400 Meter reicht? Dennoch kleine Chance gegen Golden Horn, zumal mit Pat Smullen ein sehr cleverer Mann reitet.

The Corsican (Rating 116): Keine schlechte Vorstellung als Vierter in den Prince of Wales Stakes (Gr. 1). Die längere Strecke im King George sollte noch mehr passen. Aber auch wenn The Corsican noch nicht alle Karten aufgedeckt hat – keine Chance gegen Golden Horn.

Madame Chang (Rating 113): Die zweite Starterin neben The Corsican aus dem Stall von David Simcock. Gruppe 1-Siegerin in Ascot, beste Form auf weichem oder schwerem Boden, den sie nicht antreffen wird – keine Chance gegen Golden Horn.

Urteil
Das ist ein Rennen mehr zum Gucken als zum Wetten. In Pferderennen kann viel passieren, aber wenn alles formgemäß läuft, bleibt Golden Horn unbesiegt. Die größte Gefahr droht vom routinierten Flintshire.



Erinnerungen werden wach: Danedream schlägt Nathaniel im King George 2012