Der Countdown läuft – nur noch drei Wochen bis zum Deutschen Derby in Hamburg-Horn. Am Sonntag in Köln treffen sich acht Kandidaten im Kölner Union-Rennen, der wichtigsten Derby-Vorprüfung.
Wer in der Union gut läuft, macht das auch im Deutschen Derby. Eine alte deutsche Turf-Weisheit, allerdings hätte ich gedacht, dass viel mehr Pferde das Double Union – Derby geschafft hätten. Aber so viele waren das nicht in den letzten 30 Jahren: Sea The Moon (2014), Wiener Walzer (2009), Dai Jin (2003), Next Desert (2002), Lavirco (1996) und Acatenango (1985).
Dabei machten viele Union-Sieger später richtig Karriere. Die Siegerliste des seit 1834 gelaufenen Union-Rennens ist gespickt mit vielen Großen des deutschen Turfs: Ivanhowe, der spätere King George-Triumphator Novellist, Aspectus, Sabiango, Silvano, Caitano, Kornado, Turfkönig, Alkalde oder Kondor etwa. Nur im Derby scheiterten sie aus diversen Gründen.
Favorit in der Union: Shimrano (Bild German Racing/Rühl)
Acht Kandidaten werden wahrscheinlich am Sonntag in der Union in die Boxen einrücken. Leider wird Quasillo, der Führende im Derby-Wettmarkt, wegen einer Hufprellung fehlen. Damit rückt Shimrano in die Pole-Position. Sein Trainer Paul Harley hat noch nie die Union gewonnen. Das verwundert nicht, denn so lange ist Harley ja noch gar nicht im Trainer-Geschäft. Sein Schützling ist ein würdiger Favorit, steigerte sich bislang von Rennen zu Rennen. Gespannt bin ich, ob er wieder von der Spitze aus läuft.
Dahinter folgt mit deutlichem Abstand Nutan, hoch geschätzt im Quartier von Peter Schiergen. Viel falsch gemacht hat der Duke-of-Marmalade-Sohn noch nicht. Der zweite Platz zum Debüt in einem starken Kölner Sieglosen-Rennen war eine gute Leistung, danach folgte ein souveräner Sieg. Jetzt heißt es Farbe in besseren Rennen bekennen, ich habe durchaus Mumm auf das Pferd. Areo konnte hingegen schon in besserer Gesellschaft überzeugen. Was die Form im Frankfurter Metzler-Preis hinter dem Sensations-Sieger Shadow Sadness wert ist, muss sich aber zeigen. Zumindest wird der Boden am Sonntag in Köln nicht so weich wie in Frankfurt sein. Summer Paradiese, Agosteo, Graasten, Los Cerritos (erster Start für Markus Klug) und die nachgenannte Stute Auctorita vervollständigen das Feld. Für die Lady aus dem Wöhler-Stall ist es die Generalprobe zum Preis der Diana, der Rest der Teilnehmer kämpft auch um einen Derby-Startplatz. Graasten und Summer Paradiese liefen zuletzt im italienischen Derby, beide Pferde waren jedoch meilenweit geschlagen.
Glücklich wieder vereint Nordic Flight sollte hingegen seinen Platz im Derby sicher haben. Der Adlerflug-Sohn siegte im Iffezheimer Derby-Trial, bestätigte somit seine guten Formen. Aber so richtig Eindruck machte dieser Arbeitssieg nicht. Etwas enttäuschend lief Devastar, der dem Kolumnisten bei seinem live gesehenen Kampfsieg in Dortmund noch so gut gefallen hatte. Aber für das Derby reicht die Klasse nicht aus, auch wenn der Hengst noch reichlich Luft nach oben hat.
Es war so und so nicht das Wochenende des Kolumnisten. Die Tipps beim zweitägigen Epsom-Meeting waren ein einziges Desaster. Und natürlich siegte dann der Favorit Golden Horn im englischen Derby, dessen Favoriten-Kurs mir einfach zu niedrig war. Aber eventuelle Zweifel am Stehvermögen tilgte der Cape Cross-Sohn in den schwarzweißen Oppenheimer-Farben mit einer großartigen Vorstellung, die eines Favoriten würdig war.
Zudem freut es mich persönlich, dass mal nicht der mächtige O’Brien-Stall vorne war. Trainer John Gosden (der mit Jack Hobbs auf Platz 2 einen Doppelsieg feierte) hat es verdient. Zum einen ist er schon lang genug im Geschäft, zum anderen lässt er einen Pferden Zeit und jagt sie nicht in unerfüllbare Aufgaben. So könnte es durchaus sein, dass wir Golden Horn und Jack Hobbs auch im nächsten Jahr noch auf der Bahn sehen.
Es war zudem die Rückkehr eines altes Dream-Teams: In den neunziger Jahren arbeiteten John Gosden und Jockey Frankie Dettori schon sehr erfolgreich zusammen. Damals trainierte Gosden viele Pferde für Sheikh Mohammed, die in den bekannten weinroten Farben liefen. Später kam dann das Projekt Godolphin mit eigenem Trainer und aus weinrot wurde blau. Aber auch ohne die Scheich-Pferde feierte der Trainer, der einige Zeit in den USA verbracht hatte, weiterhin gute Erfolge.
Und Dettori reitet seit seinem Godolphin-Abschied besser denn je. Der Erfolg von Golden Horn war übrigens erst der zweite Treffer in diesem Prestige-Rennen für die Routiniers Gosden und Dettori.
Trotz allem Optimismus im Vorfeld blieb Rogue Runner im Epsom Derby chancenlos. Der Wöhler-Schützling hatte ähnliche Probleme mit dem schwierigen Epsom-Kurs wie der deutlich höher eingeschätzte und im gleichen Besitz stehende Elm Park, der ein rätselhaftes Rennen lief. Der Boden dürfte zudem nicht weich genug gewesen sein. Ob er dreijährig an die guten Youngster-Formen anknüpfen kann? Noch hat er eine Nennung für das Deutsche Derby, steht dort sowohl bei racebets als auch pferdewetten.de 15:1.
1985 lief das Union-Rennen sogar noch im Fernsehen. Acatenango siegte und wiederholte diesen Erfolg dann im Derby
„Coach Zoran and his African Tigers“, heißt eine Dokumentation der englischen BBC. Macher Sam Benstead hat den serbischen Coach Zoran Djordjevic bei seiner Arbeit als erster Trainer der neugegründeten Fußball-Nationalmannschaft des Südsudan begleitet. Das Ergebnis ist ein starkes Stück TV über die Kraft und Faszination des Fußballs in Afrika. Trotz aller Widrigkeiten und einem fehlendem Happy-End. Und Djordjevic fasziniert als Typ.
Satter grüner Rasen, First Class-Hotels, komfortable Reisen – der Job eines Nationaltrainers hat seine schöne Seiten. Wenn man die Fußball-Teams aus Deutschland, England oder Italien trainiert. Nicht aber im noch relativ jungen Staat Südsudan: Zoran Djordjevic ist Serbe, als Sportlehrer viel in der Welt herumkommen und 2012 der Coach der Fußball-Nationalmannschaft des 2011 unabhängig gewordenen Landes.
Zoran hat Nichts: kein Geld, kein Auto, der Trainingsplatz ist eine braune Fläche mit vereinzelten Rasenstücken. In Europa würde darauf kein Amateurteam trainieren. Für Scouting-Touren nimmt er den Bus, weil der zur Verfügung gestellte Wagen defekt ist. Bei seinem ersten großen Turnier hat der Verband nicht ausreichend Geld für alle Rückflüge. Das Leben als Nationaltrainer ist ein permanenter Kampf.
Aber Djordjevic verfügt über ein großes Selbstbewusstsein. „Ich bin verantwortlich für zehn Millionen junge Menschen in Südsudan“, sagt er, als er beim zuständigen Minister Geld locker machen will. „Niemand kann Zoran stoppen“.
Väterlich
Wehe, wenn der so gemütlich wirkende Serbe explodiert. Und das passiert häufig. Zoran poltert und flucht, das Verhältnis zum Präsidenten des Fußball-Verbandes ist schnell zerrüttet. Seine Führungsmethoden sind manchmal ein wenig eigentümlich. So ohrfeigt er einen seinen Spielern, damit dieser nicht mehr so weichlich in den Zweikämpfen agiert. Keiner der Spieler spielt als Profi. Zoran behandelt sie wie seine Kinder. Mal streng, mal fürsorglich.
„Wenn er bei mir trainiert, spielt er in zwei Jahren in Liverpool oder Manchester“, sagt Djordjevic über Hassan Ismail Konyi. Der hochaufgeschossene Spieler hat 26 Schwestern und 35 Brüder, doch der Traum von den Profiligen scheitert schon beim Probetraining für einen unbedeutenden kanadischen Klub.
Der erste Start beim CECAFA-Turnier 2012 wird zur Pleite: Der Südsudan verliert seine Gruppenspiele gegen Kenia, Äthiopien und Uganda und bleibt torlos. Und Zoran Djordjevic verliert seinen Job. „Er ist unglaublich arrogant“, meint der Verbands-Präsident Chabur Goc Alei. Freunde werden er und Djordjevic definitiv nicht mehr.
John Gosden ist einer der Top-Trainer in England, doch das englische Derby ist nicht unbedingt sein Lieblings-Rennen. Im letzten Jahr belegte Romsdal mal Platz 3, aber es gab auch lange Perioden, in denen Gosden überhaupt keinen Starter in dieser Prestigeprüfung hatte. Fast 20 Jahre ist es her, da triumphierte auf dem schwierigen Kurs in Epsom Benny The Dip mit Willie Ryan im Sattel und bescherte dem Trainer seinen einzigen Derbysieg.
2015 sattelt Gosden auf einmal gleich zwei chancenreiche Kandidaten: Golden Horn und Jack Hobbs, Erster und Zweiter in den Dante Stakes. Kann er die Aidan O’Brien-Serie der letzten Jahre brechen? Drei Kandidaten schickt der Ballydoyle-Maestro ins Rennen, doch diesmal fehlt ein klarer Favorit a la Australia oder Camelot. Starter und Chancen im Epsom-Derby 2015.
Carbon Dating (Trainer James Patrick Shanahan/Jockey Ronan Whelan): Nach vier Starts noch sieglos, nach keiner bislang gezeigter Form dürfte er eine Chance haben.
Elm Park (Trainer Andrew Balding/Jockey Andrea Atzeni): Überragender Zweijähriger, siegte unter anderem in der Gruppe 1 Racing Post Trophy auf weichem Boden. Der Hengst hat jedoch auch schon auf gut bis festem Boden gewonnen. Das Jahresdebüt in den Dante Stakes als Dritter war in Ordnung, zumal er wie viele Pferde seines Stalles den ersten Start noch benötigte. Muss sich dennoch steigern, das ist ihm aber zuzutrauen. Stehvermögen sollte da sein.
Epicuris (Trainer Christine Head-Maarek/Jockey Thierry Tulliez): Gast aus Frankreich, der zuletzt nicht in die Startboxen einrücken wollte. Davor vier Längen Zweiter hinter dem hochgehandelten Silverwave, der diese Form im französischen Derby jedoch nicht bestätigte. Zweijährig dreifacher Sieger, unter anderem im Gruppe 1 Criterium de Saint Cloud. Beste Formen auf weichem Untergrund, jedoch schon auf gutem Boden erfolgreich. Schwer einzuschätzen, das Pferd für die Überraschung.
Giovanni Canaletto (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Ryan Moore): Der Halbbruder des Derbysiegers Ruler of The World wird offenbar sehr geschätzt im O’Brien-Quartier und ist die Wahl von Ryan Moore. Die Formen lassen aber noch etwas zu wünschen. Der zweite Platz in den Gallinule-Stakes hinter Curvy reicht nicht, auf etwas weiterer Strecke hätte Giovanni Canaletto jedoch gewonnen. Immer noch etwas unreif, vielleicht könnte das Derby etwas zu früh kommen.
Golden Horn (Trainer John Gosden/Jockey Frankie Dettori): Überzeugender Sieger in den Dante Stakes in York, der wichtigsten Derby-Vorprüfung. Dabei besiegte er Jack Hobbs und Elm Park, die er Samstag wieder trifft. Noch ungeschlagen und hat in allen Prüfungen immer gute Pferde hinter sich gelassen. Der klare Favorit bei den Buchmachern, nachgenannt für 75 000 Pfund. Golden Horn sollte ursprünglich im kürzeren französischen Derby laufen, weil ihm sein Besitzer die englische Derbydistanz von 2400 Metern nicht zutraute. Es gibt dann auch kleine Fragezeichen zum Stehvermögen.
1997 feierte Trainer John Gosden seinen bislang einzigen Erfolg im Derby: Benny The Dip wehrte knapp den Ansturm des Schimmels Silver Patriach ab.
Hans Holbein (Trainer Aidan O’Brien/ Jockey Seamie Heffernan): Überzeugender Sieger in der Chester Vase, an mangelndem Stehvermögen wird der nach dem deutschen Maler benannte Hengst definitiv nicht scheitern. Storm The Stars, der Zweite in dem Rennen, bestätigte die Form mit seinem Erfolg im Goodwooder Derby-Trial. Hat auf weichem und gut bis weichem Grund gewonnen, kleines Fragezeichen bei gut bis festem Boden. Nicht zu unterschätzen.
Jack Hobbs (Trainer John Gosden/Jockey William Buick): Der Stern von Jack Hobbs ging auf, als er ein Handicap in Sandown im gewöhnlichsten Handgalopp gewann. Danach ging er als Favorit in die Dante Stakes, hatte dort aber keine Chance gegen den Stallgefährten Gold Horn. So recht glaube ich nicht an eine Formumkehr. Auch bei ihm gibt es leichte Zweifel, ob die 2400 Meter ideal sind. Wenn der Boden zu fest ist, soll er nicht laufen.
Kilimanjaro (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Joseph O’Brien): Gewinner des Derby-Trials in Lingfield. Dreijährig stark verbessert, aber andere Kandidaten haben deutliche bessere Meriten. Der Außenseiter aus dem O’Brien-Quartier.
Moheet (Trainer Richard M. Hannon/Jockey Pat Dobbs): Talentierter Hengst und einer der seltenen Starter des großen Hannon-Quartiers im Derby. Zuletzt landete Moheet im Mittelfeld der 2000 Guineas, jetzt geht man deutlich in der Distanz hinauf. Außenseiter.
Rogue Runner (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Oisin Murphy): Deutscher Gast mit Besitzern aus Katar. Noch nicht ausgereifter Kandidat, zuletzt aber enttäuschend im Frankfurter Metzler Preis. Die Wöhler-Stallform ist aktuell großartig, das ist jedoch der größte Pluspunkt für Rogue Runner. Ein Erfolg wäre eine Sensation, zumal die 2400 Meter etwas lang werden könnten.
Storm The Stars (Trainer William Haggas/Jockey Pat Cosgrave): Sieger der Vorprüfung in Goodwood, davor Zweiter hinter Hans Holbein in der Chester Vase. Steher durch und durch, aber trotz sechs Starts immer noch nicht ausgereift und laut Trainer-Gattin Maureen Haggas eher ein Typ für das St. Leger. Dem schließe ich mich an, aber zumindest für Platzwetter eine interessante Alternative.
Success Days (Trainer Ken Condon/Jockey Shane Foley): Ebenfalls für 75 000 Pfund nachgenannt, Sieger zweiter Derby-Trials in Leopardstown, die schon einigen irische Derbysieger als Sprungbrett dienten. Die größte Unbekannte bei Success Days ist jedoch der Boden, denn bislang ist er nur auf schwerem bzw. weichem Untergrund gelaufen.
Urteil
So richtig überzeugt mich in diesem Jahr keiner der Kandidaten, bei jedem gibt es irgendetwas etwas zu bemäkeln. Hans Holbein mag der Glamour anderer Teilnehmer fehlen, aber wenn anderen die Distanz auf dem schwierigen Epsom-Kurs zu lang wird, wird er weitermarschieren. Golden Horn wird aber nach der Dante-Form nur schwer zu schlagen sein, wenn er mit Bahn und Distanz zurechtkommt.