Sven Wissel hatte die Lage schnell erfasst: „Das ist nur eine Trainingseinheit für Quasillo“, kommentierte der Rennbahnkommentator den Zieleinlauf des pferdewetten.de - Bavarian Classics, das in diesem Jahr nicht in München, sondern in Hannover stattfand. In der Tat – es war ein sehr leichter Sieg des Fährhofers in dieser Gruppe III-Prüfung über 2000 Meter.
Das Bavarian Classic ist eine wichtige Vorprüfung für das Deutsche Derby in Hamburg. Viele prominente Pferden siegten hier schon: Acatenango, Monsun, Tiger Hill, Ransom O’War oder Scalo sind nur einige jüngere Beispiele, Lucky Speed und Samum schafften in den letzten Jahren sogar das Double Bavarian Classic und Derby.
Ob Quasillo ihnen nacheifern kann, wissen wir natürlich noch nicht. Fest steht: Es war ein sehr leichter Sieg, Eddie Pedroza musste gar nicht die Peitsche bemühen. Alle Reserven sollte der Sea The Stars-Sohn noch lange nicht aufgedeckt haben. Zumal ihm beispielsweise sein Trainer Andreas Wöhler noch etwas Unreife attestierte. Verständlich, es war ja erst der zweite Start. „Aber er macht das einfach durch sein Können wett“, bemerkte sein Betreuer auf der Homepage des Stalles.
Besonders imponierte die Coolness von Quasillo, den offenbar wenig aus der Ruhe bringen kann. Ein stabiles Nervenkostüm ist gerade im Hamburger Derby-Rummel von großem Vorteil.
Natürlich weiß man noch nicht, was die Form wert ist. Der Zweite Ajalo war zuletzt im Busch-Memorial hinter Karpino, hat keine Derbynennung. Lovato, der Dritte, ist noch sieglos. Etwas mehr hätte ich von Iraklion erwartet, der vorher in München sehr souverän zum Zuge kam.
Jedenfalls ist Quasillo nach langer Zeit mal wieder ein chancenreicher Kandidat in den schwarz-gelben Farben des Gestütes Fährhof. Der großartige Lavirco triumphierte zuletzt 1996 in Hamburg-Horn für dieses Traditions-Gestüt. Ein Sieger in diesen Farben erfreut den Kolumnisten immer, aber wer den Wöhler-Schützling jetzt zu Kursen von 3,5 wettet, dem ist nicht mehr zu helfen. Denn jede Wette, dass Quasillo in Hamburg zu höheren Kursen an den Ablauf kommt.
Nutan, Devastar und Elm Park
Ansonsten tat sich relativ wenig im Derbymarkt: Der hochgehandelte Nutan aus dem Quartier von Peter Schiergen gewann seine Pflichtaufgabe völlig mühelos und ist nach zwei Starts nicht mehr sieglos.
Gut gefallen hat mir Devastar, der in einem Sieglosen-Rennen in Dortmund am Himmelsfahrt-Tag vor Sweet Thomas und Mister Universum (auch schon Dritter hinter Quasillo) blieb und dabei bei seinem Lebensdebüt viel Kampfgeist und noch reichlich Unreife verriet. Devastar war an diesem Tag Teil einer großartigen Stallform von Trainer Markus Klug, der die Hauptrennen in Dortmund und Hoppegarten gewann.
Das Deutsche Derby spielte auch bei den Dante Stakes in York eine Rolle – allerdings eine nur sehr untergeordnete. Die Prüfung gilt als wichtigster Trial für das Englische Derby in Epsom und wurde von Golden Horn, dem Tipp des Kolumnisten, sehr überzeugend gewonnen. Doch dieser Golden Horn hatte ursprünglich gar keine Nennung für das Englische Derby, war für das kürzere französische Derby vorgesehen. Inzwischen wurde der Schützling von John Gosden aber nachgenannt für den Klassiker auf dem schwierigen Kurs von Epsom.
Dritter an diesem Tag in York wurde Elm Park. Dieses Pferd aus dem Stall von Andrew Balding hat bekanntlich auch noch eine Derbynennung für das deutsche Pendant. Ob er in Hamburg laufen wird, das ist alles noch rein spekulativ. Ich glaube eher nein. Erst einmal aber geht es nach Epsom. Das Jahresdebüt kann ich schwer einschätzen – gegen den Sieger und den Zweiten Jack Hobbs war Elm Park chancenlos. Aber offenbar brauchen viele Balding-Pferde in diesem Jahr ihren ersten Start.
Der Hengst war zweijährig sehr erfolgreich, triumphierte in vier seiner fünf Starts. Unter anderem siegte er auf sehr weichem Boden in der Gruppe 1 Racing Post Trophy in Doncaster. Ob da dreijährig noch weitere Steigerung möglich ist? Ich bin da eher skeptisch und denke da immer an den Fährhofer Sumitas, der auch ein großartiger Zweijähriger war, aber dreijährig eher stagnierte. Später war er allerdings in den USA durchaus erfolgreich.
Sehr interessante Aussagen über Elm Park von Andrew Balding und seinem Team. Das große Ziel heißt Epsom. Wenn er da gut läuft, wird er sicher nicht in Hamburg starten.
Wetter sind abergläubisch. Ich bin da keine Ausnahme. So ist es seit gewisser Zeit ein schlechtes Zeichen, wenn ein am Mittag hoffnungsvoll ausgetüftelter Wett-Tipp im Laufe des Renntages auf einmal von vielen anderen geteilt wird und dieses Pferd richtig gewettet wird. Oder noch schlimmer: Der eigene Tipp avanciert zum Favoriten in einem dieser englischen Mega-Handicaps. Diese Wette scheitert garantiert – so war es auch gestern.
Am Mittwoch begann das Dante-Meeting im englischen York. Die Pferderennen auf der Vorzeigebahn im englischen Norden sind immer eine Empfehlung wert. Ich mag die Bahn, zumal ich dort schon einige schöne Treffer hatte.
Die meisten Prüfungen auf dem Knavesmire sind sowohl quantitativ als auch qualitativ stark besetzt. Speziell die Handicaps zählen zur hohen Schule der Pferdewette. Dafür gibt es attraktive Quoten, Erfolge lohnen sich also.
So war es auch gestern. Wie häufig habe ich mittags ein paar Tipps beim Buchmacher abgegeben und dann die Rennen am Nachmittag am Computer verfolgt. Konkret: Siegwetten auf Satellite im ersten Rennen, Another Wise Kid in einem dieser ultraschwierigen Sprint-Handicaps, Lightning Moon im Gruppe 2-Sprint sowie Ribblehead im abschließenden Handicap. Dazu kam noch eine Siegschiebe mit den Pferden Lightning Moon und Ribbleshead.
Gut, Satellite und Another Wise Kid waren nur chancenreiche Außenseiter und spielten dann auch keine große Rolle in ihren Prüfungen. Bei Lightning Moon war ich zuversichtlicher. Obwohl es in den Sprints immer ziemlich eng hergeht und in dieser Prüfung ziemlich viele chancenreiche Kandidaten am Start waren: Astaire, Muthmir, Naadirr oder Lucky Kristale etwa. Doch die Leute wetteten alle den noch ungeschlagenen Schützling von Ed Walker, der sich bei allen Starts kontinuierlich verbessert hatte und als Kandidat für noch höhere Weihen galt. Nicht umsonst hat Godolphin ihn gekauft, jedoch bei Walker im Training belassen. Als 50:10-Favorit ging Lightning Moon ab, hatte auch ein reelles Rennen (also kein Grund, den Jockey zu beschimpfen), war aber ohne Chance. Es siegte ein 40:1-Schuss namens Glass Office.
Days Steamer
Bei 130 oder mehr stand Ribblehead am Mittag. Da musste der Kolumnist zugreifen, zumal die Formen gut waren und der Name Easterby in York immer beachtet werden muss. Für Trainer Tim Easterby (und seinen Onkel Mick Easterby) sind die Rennen auf dem Knavesmire quasi Heimspiele, die sie gewinnen wollen.
Das gleiche Wissen teilten jedoch unzählige andere Zocker. „Ribblehead ist das best gewettete Pferd des Tages“, berichtete der Racing UK-Reporter aus dem Wettring. Oder wie es im Englischen so schön heißt: „The days steamer“. Kein Wunder, der Hengst hatte gute Formen und Clipper Logistics, die Besitzer, sponserten den Gruppe-Sprint auf der Bahn. Da wäre es schön, wenn man sich Sponsorgelder durch Siegprämien teilweise zurückholen könnte. Am Ende ging Ribblehead zu einem Kurs von 80:10 ab.
Auf der Bahn war er jedoch chancenlos und mit Platz 10 deutlich geschlagen. Kein schlechtes Rennen, kein großer Fehler des Jockeys – einfach nicht gut genug an diesem Tag.
Umgekehrt – Pferd mittags gewettet, vor dem Rennen geht der Kurs hoch und höher – habe ich zuletzt hingegen gute Erfahrungen gemacht. Beim Cheltenham-Festival zum Beispiel. Es war vorher eine Zeit des Leidens – kein Tipp kam an, den Kolumnisten neigten schon arge Selbstzweifel. Aber als die Verzweiflung immer größer wurde, kam am Freitag die Rettung in Form von Martello Tower in der Albert Bartlett Hurdle. Eigentlich hatte der Gast aus Irland nach den Vorformen allererste Chancen, doch die Masse bevorzugte andere. Auf 150:10 ging das Pferd von Margaret Mullins hoch – und gewann überzeugend. Und mein Festival war halbwegs gerettet.
Teil 2 unserer Serie über große Galopper. Diesmal steht Phar Lap im Blickpunkt – ein Pferd, das zwischen 1929 und 1932 einen ganzen Erdteil elektrisierte und den Sprung in die australische Hall of Fame des Galopprennsports schaffte. Um seinen Tod gab es jahrelang Spekulationen – erst 2010 fanden Forscher heraus, dass Phar Lap an einer Arsenvergiftung starb. Der Text basiert auf einem Artikel von Jutta Lindner, der zuerst in der Facebook-Gruppe Galopp Info veröffentlicht wurde.
Doch immer noch bleiben Fragezeichen um den Tod: Denn nach so vielen Jahren sei nicht mehr festzustellen, ob das Pferd von Neidern vergiftet wurde oder an der Überdosierung eines damals zur Leistungssteigerung verwendeten arsenhaltigen Mittels starb. „Dies wird wohl immer ein Mysterium bleiben“, betonte Ivan M. Kempson, federführender Autor der Studie. Phar Lap kam 1926 in der Nähe der neuseeländischen Stadt Timaru zur Welt. Sein Vater war der 1919 in England geborene Night Raid. Dieser lief in England und Australien, war aber nicht gerade eine Leuchte auf der Rennbahn. Gerade mal zwei Siege und eine Platzierung bei 25 Starts waren eine eher magere Bilanz.
Dafür war der Radium-Sohn als Deckhengst in Australien umso erfolgreicher. 13 Gruppesieger setzte Night Raid in die Welt. Seine besten Nachkommen waren Nightmarch, ein Gewinner des Melbourne Cups, und eben Phar Lap.
Auch mütterlicherseits war Phar Lap nicht unbedingt ein Blaublut: Entreaty blieb bei ihrem einzigen Start unplatziert. So kostete der Sohn auf der Auktion 1928 gerade mal 160 Guineas. Sein neuer Besitzer hieß David J. Davis, Trainer Harry Telford hatte den in Australien lebenden Geschäftsmann aus den Vereinigten Staaten überzeugt, den Hengst zu kaufen. Er kam zu Telford nach Sydney ins Training.
Dem Vernehmen nach war Davis entsetzt, als er zum ersten Mal „sein Pferd“ in echt sah. Phar Lap war nicht gerade eine Schönheit. So war sein Gesicht beispielsweise mit Warzen überzogen. Davis wollte ihn nicht, Trainer Harry Telford stieg quasi als Mitbesitzer ein. Um damit sich Phar Lap besser auf die Rennen konzentriert, wurde er zum Wallach.
Bei den ersten Starts landete er dann auch im geschlagenen Feld. Erst im fünften Versuch legte er seine Maidenschaft ab und gewann ein RRC Maiden Juvenile Handicap.
Seriensieger
Erst mit zunehmendem Alter und längeren Distanzen wurde der fuchsfarbene Wallach richtig gut. 1929 triumphierte er unter anderem sowohl im Australia Derby als auch im Victoria Derby. Der erste Versuch im Melbourne Cup endete nur drei Tage nach dem Erfolg im Victoria Derby mit einem guten dritten Platz.
Ein Jahr später aber siegte Phar Lap im Melbourne Cup – der Prüfung des fünften Kontinents, bei der Australien einen Moment lang stillsteht. „Die ungewohnte gespannte Stille der Menge während des Rennens und der große Applaus, der ausbrach, als der Favorit mit großer Leichtigkeit davonzog, erzählten von einem Sieg von großer Popularität", berichtete der Sydney Morning Herald damals.
Zwischen 1930 und 1931 siegte das Pferd in 14 Rennen hintereinander. 1930 versuchte jemand, ihn zu erschießen. Vermutlich war es in Buchmacher, der durch ihn viel Geld verloren hatte.
Für sein letztes Rennen wurde er von seinem Eigentümer per Schiff nach Tijuana in Mexiko gebracht, um im Aqua Caliente Handicap zu laufen. Das Rennen am 20. März 1932 bot die höchste Börse, die zu diesem Zeitpunkt jemals in Nordamerika aufgeboten wurde.
Jedoch war Harry Telford mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und weigerte sich, mit nach Mexiko zu reisen. Kurzer Hand beförderte Davis Phar Laps bisherigen Betreuer Tommy Woodcock zum neuen Trainer.
Woodcocks Einstand glückte: Phar Lap gewann mit neuem Streckenrekord, obwohl er 58,5 Kilo tragen musste. Anschließend wurde er zu einer Ranch nach Menlo Park in Kalifornien gebracht. Dort versuchte sein Besitzer, neue Rennen für ihn zu vereinbaren.
Der Schock kam am Morgen des 5. Aprils 1932: An diesem Tag fand Woodcock den Wallach mit erhöhter Temperatur, zudem litt er offensichtlich an großen Schmerzen. Nach wenigen Stunden starb Phar Lap mit sechs Jahren, ein intensives und kurzes Rennpferdeleben fand ein trauriges und frühes Ende.
Herz im Nationalmuseum
In seiner vierjährigen Rennkarriere gewann Phar Lap 37 seiner 51 Rennen. Den dritten Versuch im Melbourne Cup 1931 beendete er als Achter, musste jedoch 68 kg tragen. Leider hatte der Wallache nie die Gelegenheit, gegen das seinerzeit führende US-amerikanische Rennpferd Equipoise, Pferd des Jahres 1932 und 1933, zu laufen.
Als der Nachricht von Phar Laps Tod Australien erreichte, trauerten viele Menschen. Einige Bücher wurden über ihn geschrieben, zuletzt kam 1983/1984 dieser Film über den berühmten Wallach in die Kinos.
Die Rennwelt ehrte Phar Lap mit einem Platz in der australischen Racing Hall of Fame, zusammen mit den Rennpferden Carbine, Tulloch, Bernborough und Kingston Town. In der Rangliste der 100 bedeutendsten Rennpferde des zwanzigsten Jahrhunderts des amerikanischen Blood-Horse-Magazins nimmt er Platz 22 ein.
Phar Lap im Museum von Melbourne (Foto: Ciell/Wikimedia Commons)
In Australien und Neuseeland gilt der Wallach, dessen Rennkarriere so mühselig begann, als nationales Heiligtum. Sein Herz befindet sich im National Museum of Australia, 1978 erschien eine Briefmarke mit seinem Konterfei. Australische Neubürger müssen in einem Einwanderungstest Fragen zu Phar Lap beantworten. Ein Denkmal schmückt seine Geburtsstadt Timure, eine Bronzestatue erfreut die Besucher der Rennbahn Flemington in Melbourne.
Es gab Spekulationen über die Ursache seines Todes, da eine Autopsie zum Vorschein brachte, dass seine Eingeweide entzündet gewesen waren. Viele glaubten, dass das Pferd vergiftet worden sei. Es gab verschiedene Theorien, von Bleivergiftung durch bleihaltige Insektizide bis zu natürlichen Ursachen wie Darmverschlingung.
Diese Fragen wurden nach achtzig Jahre zumindest teilweise beantwortet – siehe Anfang des Textes. Aber vieles bleibt rätselhaft.