Montag, 26. Januar 2015
Ein Hoch auf den Hurricane
Es ist an der Zeit, dass diese Kolumne mal wieder ein Pferd feiert: Hurricane Fly gewann seine fünfte Irish Champion Hurdle in Serie, schlug unter anderem seinen alten Rivalen Jezki und sorgte für großen Jubel auf der Rennbahn in Leopardstown. Welch ein Athlet!

Der sonntägliche Sieg war harte Arbeit. Denn unterwegs sah es gar nicht so gut aus. Jockey Ruby Walsh musste schon im Bogen etwas auf Hurricane Fly arbeiten, während Tony Mc Coy auf Jezki noch ruhig saß. Auch in der Zielgerade ging der Rivale besser. Doch auch mit 11 Jahren gibt sich der Hurricane so schnell nicht geschlagen. Und als dann Jezki am letzten Hindernis strauchelte, war der Weg frei für den Schützling von Trainer Willie Mullins. Allerdings hätte der Hurricane auch ohne das Missgeschick seines Kontrahenten gewonnen. Zweiter wurde Arctic Fire, ebenfalls aus dem Mullins-Stall, für Jezki blieb nur Platz 3.
Der Empfang danach für den Sieger war frenetisch. Nirgendwo werden große Sieger so gefeiert wie in Irland – das ist zumindest mein Eindruck. Selbst als Zuschauer am Bildschirm bekomme ich dabei feuchte Augen. Aber seht selbst…(das Dank für dieses Video geht an Peter Busch).



Dabei sah es in der letzten Saison schon so aus, als wenn sich die großartige Karriere von Hurricane Fly so langsam dem Ende zuneigt. Zweimal hatte ihn Jezki geschlagen, erst in der Champion Hurdle in Cheltenham und dann noch mal in Punchestown. Doch der „alte Herr“ fand eine Antwort: Dreimal trafen die beiden Rivalen in dieser Saison aufeinander und jedes Mal hatte Hurricane Fly die Nase vorn.

Wie Kauto Star und Big Buck's
Es ist die Bilanz eines Superstars: Der Sieg in Leopardstown war der 22. Grade 1-Erfolg, darunter auch zwei erste Plätze in der englischen Champion Hurdle in Cheltenham. Und nicht nur für Jockey Ruby Walsh zählt Hurricane Fly zu den ganz Großen des Hindernissports: Er vergleicht den Wallach mit Kauto Star und Big Buck's, zwei der besten Pferde, die Walsh geritten hat.
Nächstes Ziel für den Montjeu-Sohn ist die Champion Hurdle in Cheltenham. Wie so häufig in den Jahren zuvor scheint der Stall von Willie Mullins auch 2015 bestens gerüstet. Faugheen oder Hurricane Fly lautet die Frage für Ruby Walsh, wen er denn reiten soll. Keine leichte Entscheidung, Ex-Kollege Charlie Swan empfiehlt übrigens den jüngeren Faugheen, noch ungeschlagen und der kommende Star für die Champion-Rennen.
Der Sonntag war mal wieder ein großer Tag für den Mullins-Stall: Un de Sceaux gewann die Frank Ward Solicitors Arkle Chase (das zweite Grade 1-Rennen auf der Karte) und beeindruckte alle. Es waren zwar nur zwei Gegner, aber wie das Pferd mit dem unaussprechlichen französischen Namen die sehr guten Clarcam und Gilgamboa in Schach hielt, das war ganz großes Kino.
Unter 20 steht er bei den Bookies inzwischen für die Arkle Chase in Cheltenham. Für viele wird der Wallach der Banker des Festivals sein. Das ist schon Wertschätzung genug.



Mittwoch, 21. Januar 2015
Der lange Weg zu La Roja
Die letzte Weltmeisterschaft in Brasilien war ein dicker Dämpfer für die spanische Nationalmannschaft. Das Aus in der Vorrunde erinnerte an alte Tage – die vor dem EM-Titelgewinn 2008. Jimmy Burns erzählt in „La Roja“ eine Geschichte des spanischen Fußballs. Die letzte Entwicklung fehlt in dem 2013 erschienenen Buch. Doch ansonsten bietet La Roja alles, was den Kick aus dem Land des Stierkampfes in seiner wechselvollen Historie prägte.

Ältere werden sich erinnern: Der spanische Fußball hinterließ jahrelang ratlose Beobachter. Denn die Nationalmannschaft verabschiedete sich vor 2008 spätestens im Viertelfinale einer Welt- und Europameisterschaft. Dabei waren Teams wie Real Madrid oder der FC Barcelona hocherfolgreich in den europäischen Klub-Wettbewerben.
Die Ursachen waren vielschichtig: Das Nationalteam scheiterte an unfähigen Trainern, an Animositäten zwischen Katalanen, Basken oder Kastiliern oder einfach an Pech und Unvermögen. Erst 2008 änderte sich dies bekanntlich, als Spanien Europameister wurde. Es folgten Weltmeisterschaft und noch mal der europäische Titel. Und alle Welt schwärmte vom Tiki Taka, dem spanischen Spielstil.
Es war ein langer Weg zu „La Roja“, übersetzt die Rote und der Kosename des Teams. Die erfolgreiche Nationalmannschaft schweißte nach den Beobachtungen des Autors eine Nation zusammen. Der spanische Bürgerkrieg in den 30er Jahren und die anschließende Franco-Diktatur hatten die Gräben zwischen den einzelnen Volksgruppen verschärft. Katalanen und Basken strebten nach Autonomie. Alles was mit dem zentralistischen Spanien zu tun hatte, hatte einen schweren Stand in diesen Landesteilen.
Burns erzählt die Geschichte des spanischen Fußballs streng chronologisch – von den britischen Anfängen über die Zeit des Bürgerkriegs, der folgenden Rechts-Diktatur, der Demokratie nach dem Tod des Faschisten Franco bis zur heutigen Zeit.

Stärken
Burns ist ein sehr lebhafter Schreiber. Bei manchen seiner Schilderungen fühlt sich der Leser so, als wenn er mittendrin wäre. Besonders stark sind die historischen Teile: die Zeiten des Bürgerkrieg, die spätere Rivalität zwischen dem (angeblichen) Franco-Verein Real Madrid und dem katalanischen Widersacher FC Barcelona. Besonders bei Barca und den Katalanen blüht Burns auf. Kein Wunder, der Mann hat eine immer noch sehr lesenswerte Barca-Biografie verfasst. Aber auch die Kapitel über Real Madrid und den Fußball im Baskenland sind fesselnd und faktenreich.

Schwächen
Eigentlich eher Kleinigkeiten: Die Eitelkeit des Autors nervt etwas, wenn er mal wieder auf ein höchst exklusives Gespräche verweist. Auch finde ich den Teil über Real Madrid in der Ära Butragueno und Michel schwächer, zumal die Beiden Spieler meine Generation waren und ich mich an einige packende Spiele in den 80er Jahren erinnere. Manchmal nervt zudem die Heldenverehrung von Nationaltrainer Vicente Del Bosque. Etwas mehr Distanz wäre da ganz schön.

Urteil
Trotz der kleinen Schwächen ist das ein sehr gutes Werk. Pflichtlektüre für alle, die den spanischen Fußball verstehen wollen.

Jimmy Burns: La Roja. Eine Geschichte des spanischen Fußballs



Donnerstag, 15. Januar 2015
Ticketpreise wie bei den Rolling Stones
Manchmal muss es den Geschäftsführer oder Manager einer deutschen Rennbahn doch richtig schütteln. Etwa, wenn er auf die Eintrittspreise englischer Rennbahnen schaut. Denn die nehmen Preise, die ein deutscher Rennbahn-Manager nie durchdrücken könnte. Und die Zuschauer in England zahlen dies auch noch. In Deutschland blieben hingegen die Tribünen leer und es gebe heftige Proteste gegen diesen Bonzensport.

Nehmen wir einmal an, der (in diesem Fall) fiktive Geschäftsführer einer deutschen Rennbahn sieht die Ticketpreise für das Grand National Meeting in Aintree. Da kosten die teuersten Karten für den Princess Royal Roof und den Lord Daresbury Roof am Samstag jeweils 95 Pfund (ca. 123 Euro) – und die sind auch schon ausverkauft.
Wer unbedingt sitzen möchte, dem bleiben „nur“ die Earl of Derby Terrace und die Lord Sefton Terrace (beide 90 Pfund, ca. 116 Euro) oder die etwas günstigeren „West Tip Seats“ für schlappe 72 Pfund oder 93 Euro. Der „normale“ Tattersalls“-Bereich kostet am Tag des durchaus umstrittenen Klassikers 49 Pfund (ca. 63 Euro).
Dafür hat der Besucher keinen Sitzplatz, aber Zugang zum Führring und kann die Rennen auf dem oder der „Mound“ verfolgen, einem aufgeschütteten asphaltierten Hügel. Die Stimmung dort ist famos, wie überhaupt die ganze Atmosphäre toll ist. Dennoch: 63 Euro ohne festen Platz für maximal sieben Rennen sind eine ganze Menge Holz.
Wohlgemerkt: Das sind nur die Kosten für das Betreten des Rennkurses. Wer noch was essen und trinken will, muss zusätzlich kräftig bezahlen. Da kann der Besucher nur auf einen dicken Wett-Treffer hoffen, wenn ihm seine Finanzen wichtig sind.
Nun, merkt unser fiktiver Geschäftsführer aus Deutschland an, sei das Grand National das bekannteste Rennen der Welt und somit einzigartig. Aber andere Top-Veranstaltungen wie das Cheltenham Festival oder Royal Ascot in England nehmen auch diese hohen Ticketpreise.
Das Limit nach oben ist scheinbar unbegrenzt. Doch die Zuschauer bezahlen diese Preise, Cheltenham etwa meldete in den letzten Jahren häufig ausverkauft. Dabei kann der Besucher das Ganze auch viel gemütlicher im TV oder im Internet schauen und sieht dabei viel besser. Unser fiktiver Geschäftsführer wundert sich und träumt davon, dass so etwas auch in der Heimat möglich wäre.
Generell gilt, dass der Besuch einer Rennbahn in England ein kostspieliges Vergnügen ist (siehe Preise York). Es gibt auch billigere Plätze, doch die sind weit vom Ziel entfernt und ermöglichen noch nicht mal den Besuch des Führrings. Gelegentlich gibt es mal leise Proteste gegen die hohen Ticketpreise, doch es ändert sich nicht viel. Freier Eintritt wie auf dem Kurs in Towcester bleibt eine Ausnahme.

Anderer Status
In Deutschland ist die Situation ganz anders. 17 Euro für einen Stehplatz am Hamburger Derbytag, dem wichtigsten Renntag des Jahres, sind eine Ausnahme. Auf den nordrhein-westfälischen Bahnen (zum Beispiel Köln) zahlt der Besucher auch bei Grupperennen weniger als 10 Euro für einen Stehplatz. Oder kommt umsonst hinein.
Sind die Engländer also viel reicher als die Deutschen? Im Gegenteil zu Deutschland hat England die Bankenkrise 2009 wirtschaftlich hart getroffen. Aber es gibt auf der Insel eine ganze Menge reicher Leute, alt- und neureich. Andere belasten ihre Kreditkarte bis zum Limit. Die deutsche Mentalität unterscheidet sich deutlich: „Geiz ist geil“, der einstige Slogan einer Elektrokette, gilt immer noch viel im Land der Discounter Aldi und Lidl.
Hinzu kommen Status der Veranstaltungen und die Bedeutung des Sports. Cheltenham und Aintree sind sportliche Höhepunkte des Jahres. Genügend Leute sind daher bereit, diese Preise zu zahlen. Dazu hat der Rennsport einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland.
Während der Turf hier Randsport ist, hat er auf der Insel zwar auch ein paar Probleme, zählt aber dennoch zu den Top-Sportarten wie Fußball, Rugby oder Kricket. Englische Medien berichten mehr über Pferde als über die Formel 1.
Übrigens: Für mindestens 103 Euro war der Interessent im letzten Jahr bei den Rolling Stones dabei. Und manche Londoner Fußballclubs wie Chelsea oder Arsenal sind auch nicht günstiger. Eine komische Welt, denkt sich da unser fiktiver Geschäftsführer.