Mittwoch, 10. September 2014
Ivanhowe wie einst Lando
Das Schöne, aber auch Schreckliche am Pferderennen? Man weiß nie, wie es ausgeht. So schlug der hochbegabte, aber unbeständige Ivanhowe den ebenso hochbegabten, aber beständigen Sea The Moon im Großen Preis von Baden – und damit hatte kaum einer gerechnet.

Wenn ich das Rennen wie früher oft beim Buchmacher gesehen hätte, dann wäre es nach diesem Resultat erst einmal einen kleinen Moment ganz ruhig gewesen. Dann wäre irgendeiner gekommen und hätte gesagt „Ich habe es doch gewusst“. Vielleicht hätte er auch noch den Sieger gewettet und würde jetzt den Schein schwenken. Aber die meisten hätten geschwiegen – ein Schockresultat.
Es gibt keine Unverlierbaren im Rennsport und an diesem Sonntag in Iffezheim war der Schlenderhaner das eindeutig bessere Pferd. Ivanhowe zeigte sein herausragendes Potenzial und siegte leicht gegen den Favoriten Sea the Moon. „Das ist das beste Pferd, das ich bisher geritten habe“, sagte Jockey Filip Minarik nach dem überzeugenden Drei-Längen-Sieg von Ivanhowe und nannte ihn ein „Ausnahmepferd“. „Es ist ein Klassepferd“, erklärte Trainer Jean-Pierre Carvalho, „aber ich wusste nicht so genau, wo wir stehen. Eigentlich dachte ich, dass wir noch zwei, drei Wochen Zeit benötigen.“
Zu erwarten war dieser Erfolg nicht unbedingt. Zum einen war Ivanhowe laut Trainer ja gar nicht bei 100 Prozent, zum anderem war die Stallform der Schlenderhan-/Ullmann-Pferde während der Großen Woche durchgehend schlecht. Am Freitag enttäuschte der hochgehandelte Ito etwa als 18:10-Favorit in einem allerdings stark besetzten Ausgleich 1. Und auch ansonsten war das konstanteste an den Schlenderhaner Startern in den letzten zwei Jahren die fehlende Konstanz.
Ivanhowe ist das beste Beispiel: Der tollen Leistung im Gerling-Preis folgte der Flop in Chantilly, nach dem Union-Triumph im letzten Jahr kam der Einbruch im Derby. Nach einer Pause lief Ivanhowe aber immer gute Rennen.
Doch auf dem Wettschein hatte ich den Schlenderhaner nicht. Irgendwie erinnern mich solche Überraschungen immer an den Derby-Sieg 1993 von Lando. Der war zweijährig der Winterfavorit und das Top-Pferd des Jahrgangs, enttäuschte aber dreijährig. Doch im Derby platzte dann wieder der Knoten – nur die meisten Wetter hatten ihn vergessen.

Auch nicht 100 Prozent
Und Sea The Moon? Nach dem Großen Preis kursierten im Netz mal wieder die Gerüchte, einer hatte ihn sogar lahm aus dem Rennen kommen sehen. Dass der Hengst nicht bei 100 Prozent war, hatte Trainer Markus Klug schon vorher erklärt.
Angesichts dieser Tatsache ist der Görlsdorfer gar nicht so schlecht gelaufen. Auffällig war aber schon die tiefe Kopfhaltung (das mögen die absoluten Pferde-Experten interpretieren), zudem konnte STM diesmal auf den letzten Metern nicht mehr zulegen.
Manche Beobachter sagen jetzt, dass Sea The Moon doch überbewertet sei, zumal er im Hamburger nur Durchschnitt besiegt habe. Das ist völliger Humbug, auch wenn Lucky Lion, der Zweite aus Hamburg und ganz klar die Nummer 2 des Jahrgangs, diesmal chancenlos war und eigentlich aus der Startmaschine geschlagen war. Aber Sea The Moon war im Derby so überlegen und hätte noch überlegender gewonnen, denn Christophe Soumillion ließ ihn regelrecht austrudeln, weil das Rennen entschieden war. Diese Form war die beste, die ich in 30 Jahren Derby gesehen habe.
Ivanhowe und STM werden wahrscheinlich im Arc aufeinander treffen, für den Görlsdorfer ist endlich eine realistische Quote erhältlich. Beide werden sich in diesem Monstererennen noch mal steigern müssen, aber so schlecht sehe ich ihre Chancen nicht. Zumal auch die europäische Konkurrenz ihre Dämpfer erhalten hat und beim japanischen Top-Starter Just A Way zwar mächtig viele Einsen stehen, die Distanz von 2400 Metern aber ein großes Fragezeichen ist.



Freitag, 5. September 2014
Kein Spaziergang für Sea The Moon
Von wegen Mini-Besetzung: Der Große Preis von Baden (Gruppe 1, 2400 Meter, Sonntag 16.50) lockt mit einer tollen Besetzung und ist wahrlich ein Höhepunkt der Großen Woche in Iffezheim. Dabei hatten viele befürchtet, dass der herausragende Derbysieger Sea The Moon die Gegner abschreckt.
Doch Trainer und Besitzer sehen ihre Chancen: So schickt Trainer Andreas Löwe seine Top-Dreijährigen Lucky Lion und Sirius ins Rennen. Der an guten Tagen grandiose Ivanhowe, die formstarke Stute Berlin Berlin, Derbysieger 2013 Lucky Speed und die neue Wöhler-Hoffnung Terrubi vertreten unter anderem die ältere Generation. Starter und Chancen.


1. Amonit (Trainer Jens Hirschberger/Jockey Anthony Crastus): Derbysieger in Russland, seit diesem Jahr trainiert von Jens Hirschberger. Ein Start 2014 auf sehr weichem Boden in Deauville, dort abgeschlagen Letzter. Schwer vorstellbar.

2. Iniciar (Trainer Jean Pierre Carvalho/Jockey Gerald Pardon): Talentierter Schlenderhaner, beste Form war wohl der vierte Platz im Kölner Gerling-Preis im Mai. Dort lief er von der Spitze ein beherztes Rennen und hielt lange stand. Zuletzt aber chancenlos im Großen Preis von Berlin. Außenseiter.

3. Ivanhowe (Trainer Trainer Jean Pierre Carvalho/Jockey Filip Minarik): In Bestform ein herausragender Kandidat, das stellte der Schlenderhaner eindrucksvoll im Gerling-Preis nach schlechtem Rennverlauf und besonders im Union-Rennen 2013 unter Beweis. Den anderen Ivanhowe sah man zuletzt in Chantilly und im letztjährigen Deutschen Derby. Dort zündete sein Speed überhaupt nicht. Letztes Rennen im Juni, läuft nach einer Pause aber immer gut. Sehr interessanter Kandidat.

4. Lucky Speed (Trainer Peter Schiergen/Jockey Adrie de Vries): Derbysieger 2013 nach einem tollen Ritt von Andrasch Starke. Starke ist bekanntlich noch verletzt, aber an Adrie de Vries liegt es nicht, dass Lucky Speed in diesem Jahr noch sieglos ist. Die letzte Form aus Hoppegarten war schon besser als die Hamburger Vorstellung, wo sich der Silvano-Sohn extrem schwer tat. Trotzdem wäre Lucky Speed hier eine Überraschung. Die Meetingsform von Peter Schiergen ist zudem schwach in diesem Jahr.

5. Night Wish (Trainer Wolfgang Figge/Jockey Alexander Pietsch): In diesem Jahr noch mal gesteigert, hat den Platz in diesen Prüfungen durchaus verdient, nach allen Vorformen aber Außenseiter.



Man entschuldige die etwas maue Bildqualität, aber es war schon ein packendes Rennen 2007: Der schwarz-gelbe Globetrotter Quijano schlägt den Schlenderhaner Adlerflug.


6. Terrubi (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Eduardo Pedroza): Der große Unbekannte im Feld. Seit Juli im Stall von Andreas Wöhler, vorher bei Trainer Pascal Bary in Frankreich. Die Besitzer kommen aus Australien und der Schimmel ist natürlich ein Kandidat für den Melbourne Cup. Nachgenannt, zuletzt Gruppe 2-Sieger auf sehr weichem Boden über 2800 Meter, gut gesteigert, mag schweres Geläuf und ein großer Steher. Und das ist etwas, was mich ein wenig stört: Diesen Pferden fehlt oft ein wenig der Speed, um auf kürzeren 2400 Metern gegen die Besten zu bestehen. Dennoch ein interessanter Kandidat.

7. Berlin Berlin (Trainer Markus Klug/Jockey Frederik Tylicki): Sehr beständige Stute, zuletzt Zweite hinter Sirius im großen Preis von Berlin. Den Löwe-Schützling trifft sie jetzt ein halbes Kilo günstiger. Zweite Görlsdorfer Farbe, soll nicht als Tempomacher für den Stallgefährten Sea The Moon agieren. Berlin Berlin müsste aber ihre Bestform noch mal steigern, um hier eine Chance zu haben.

8. Giant’s Cauldron (Trainer Peter Schiergen/Jockey Andreas Helfenbein): Gewann zuletzt eine leichte Aufgabe souverän in Krefeld und legte damit endlich seine Maidenschaft ab, bekam aber davor seine Grenzen in Union und Derby aufgezeigt. Der Schiergen-Schützling müsste sich schon gewaltig verbessern, um hier erfolgreich zu sein.

9. Lucky Lion (Trainer Andreas Löwe/ Jockey Ioritz Mendizabal): Das beste deutsche Pferd des Jahrgangs, wenn es nicht einen gewissen Sea The Moon geben würde. Ungemein formbeständig in diesem Jahr, zeigte zuletzt in München über 2000 meter eine großartige Leistung, als er den guten Engländer Noble Mission besiegte. Zeigte im Derby, dass er auch 2400 Meter kann. Auf dem Papier der Hauptgegner für Sea The Moon, auch wenn ich Lucky Lion über kürzere Distanzen noch stärker einschätze.

10. Sea The Moon (Trainer Markus Klug/Jockey Mirco Demuro): Das neue Wunderpferd des deutschen Turfs, gewann das Deutsche Derby mit sensationellen elf Längen. Nach dieser Form kaum schlagbar und auch davor sehr beeindruckend trotz Unreife. Das Rennen in Baden soll der Aufgalopp zum Arc, sprich noch höheren Aufgaben, sein. Im Internet gab es heftige Spekulationen, ob er denn läuft.

11. Sirius: Trainer Andreas Löwe/Jockey Stephen Hellyn): Ein weiterer toll gesteigerter Dreijähriger aus dem Formstall von Andreas Löwe. Kam quasi über den kleinen Dienstweg, siegte in Iffezheim im Derby-Trial und danach zwei starke Formen gegen die älteren Pferde, zuletzt Sieger im Großen Preis von Berlin und zeigte viel Speed. Könnte noch etwas im Tank haben, für mich das Pferd für die Überraschung. Seinem Jockey Stephen Hellyn gelingt derzeit fast alles.

Urteil
Eigentlich eher ein Rennen zum Genießen als zum Wetten. Sea The Moon steht schon über dem Feld, alles andere als ein Sieg wäre eine Überraschung. Ich versuche es mal mit einem Einlauf Sea The Moon und Sirius und mache diesen natürlich auch zurück. Man weiß ja nie und Unverlierbare gibt es nicht im Turf.



Dienstag, 2. September 2014
Der nächste verlorene Sohn kehrt zurück
Nun ist er also wieder bei Borussia Dortmund – Mittelfeldspieler Shinji Kagawa, in Dortmund gefeiert, in Manchester aber quasi gefeuert. „Nur“ acht Millionen Euro zahlte der BVB diesmal, Manchester United hatte den japanischen Offensivspieler noch für 16 Millionen vom BVB erworben.

„Jetzt bin ich einfach nur froh, wieder in Dortmund zu sein. Bei dieser tollen Mannschaft, diesem Wahnsinns-Umfeld, den einzigartigen Fans. Der BVB ist wie eine Familie. Ich bin stolz, dass sie mich nie vergessen hat und ich wieder dazugehören darf", sagte Kagawa nach der Heimkehr.
Man könnte jetzt sagen, das übliche PR-Gewäsch, was Profifußballer nach so einem Transfer von sich geben. Aber irgendwie glaube ich noch ein wenig an das Gute in diesem hartem Geschäft und behaupte, dass sich Kagawa wirklich über diese Rückkehr freut. Denn die Zuneigung, die ihm in Dortmund entgegenschlug, war immens – kaum ein Spieler wurde so in den letzten Jahren von den BVB-Fans verehrt, kaum ein anderer schwarz-gelber Akteur gewann so schnell die Herzen des Borussen-Anhangs wie dieser quirlige Japaner. Jedenfalls wird der Empfang für Kagawa im Stadion beim Spiel gegen den SC Freiburg frenetisch sein.

Schon wieder keine Ahnung, Mario B..
Shinji Kagawa war vielleicht das größte Transfer-Schnäppchen des Dortmunder Managers Michael Zorc. 350 000 Euro hatte die Borussia zu Beginn der Spielzeit 2010/20111 an Cerezo Osaka gezahlt. Es war der Transfer eines hochtalentierten Nachwuchsspielers aus Asien, der in Dortmund reifen und irgendwann mal zum Erfolg des Teams beitragen sollte. „Und dann haben sie da noch einen Neuen: Japans Nationalspieler Kagawa. 1,72 Meter groß, 63 Kilo schwer. Wenn die 25000 Fans auf der Südtribüne mal brüllen, weht der dir weg. Mit dem stürmst du vielleicht den Fanartikel-Markt in Asien, aber nicht im Derby gegen Schalke“, höhnte Mario Basler im Sommer 2010 in seiner Vorschau für die BlÖD. „Der kleine Racker muss sich erst mal daran gewöhnen, dass Tauben im Ruhrpott keine Delikatesse sind. Und dass es in der Bundesliga immer schön auf die Stäbchen gibt...“
Wie so häufig lag Nikotinexperte Basler falsch, entpuppte sich sein Geschreibsel (für das er wahrscheinlich nur seinen Namen hergab, jedoch gut bezahlt) als völlig sinnfrei. Von Saisonbeginn an brillierte Shinji Kagawa, spätestens nach seinen zwei Toren beim Derbysieg auf Schalke rückte er in den Heldenstatus. Und von wegen zweikampfschwach, das war vielleicht Mario B. in seiner aktiven Zeit: Kagawa war für die meisten Abwehrspieler einfach viel zu schnell; Zweikämpfe hatte er nicht viele.
Dortmund wurde am Ende völlig überraschend Meister und Shinji Kagawa leistete in dieser starken Mannschaft herausragende Dienste. Der 2,62 Notenschnitt im Fachblatt kicker war sensationell, sein Spiel war die pure Lust am Fußball und zeigte, wie schön dieser Sport doch sein kann. Auch im zweiten Jahr überzeugte der Offensivmann und holte mit Dortmund Meisterschaft und Pokal.
Einige Mitspieler berichteten später, dass es Kagawa ungemein schwer gefallen sei, Dortmund zu verlassen. Aber die Premier League und besonders Manchester United haben in Japan einen deutlich höheren Stellenwert als die Bundesliga und Borussia Dortmund. Und etwas mehr Geld gab es zudem auf der Insel.

Die fehlende Leichtigkeit
Doch die Zeit bei United wurde bekanntlich zum Flop. Es waren turbulente Tage beim Traditionsverein von der Insel. Auf die Manager-Legende Alex Ferguson folgte David Moyes und der Club legte die schlechteste Saison seit Ewigkeiten hin. Kagawa spielte entweder gar nicht und oder auf dem Flügel, wo er total verschenkt wirkte.
Beim diesjährigen Champions League-Viertelfinale zwischen Bayern München und Manchester United habe ich ihn zuletzt über 90 Minuten gesehen. In München durfte Kagawa mal wieder ran und fiel in einer eher defensiv ausgerichteten Mannschaft nicht besonders auf. Nur diese Leichtigkeit, die sein Spiel in Dortmund so auszeichnete, war verschwunden. Er wirkte bedrückt.
Jetzt ist er also wieder in Dortmund, nachdem auch Manchester Neu-Manager Louis van Gaal nicht auf den Spieler setzt. Und so sehr ich mich auch freue, sollte man die Erwartungen nicht zu hoch ansetzen. Denn Kagawa muss erst einmal die Enttäuschung aus England überwinden, er kommt diesmal nicht als Nobody, der eigentlich nur gewinnen kann.
Geduld ist angesagt, zumal Dortmund auf Kagawa Lieblingsposition – der 10 – mit Marco Reus und Henrikh Mkhirtaryan sehr gut besetzt ist. Und besonders letzterer wird in diesem Jahr noch einmal einen Sprung nach vorne machen, weil er einfach ein herausragender Spieler ist.
Aber eine Saison ist lang, die Belastungen aus Liga, Champions League und Länderspielen sind groß und Verletzungen werden kommen. Da kann der Klub froh sein, jemanden wie Shinji Kagawa zu haben. Oder vielleicht sehen wir ja wieder den alten „Shinji“ aus den Jahren 2010 bis 2012. Das wäre aber fast schon ein Wunder. Aber Jürgen Klopp und sein Team haben schon andere Spieler wieder in die Spur gebracht.