Dienstag, 13. Mai 2014
Die Belächelten aus der Provinz sind Bundesligist
Die Liste wächst. Nach Fortuna Düsseldorf, Dynamo Dresden, dem 1.FC Saarbrücken, dem FC St. Pauli und Eintracht Braunschweig ist der SC Paderborn 07 der nächste Verein, den ich sowohl gegen die erste als auch die Zweite Mannschaft von Borussia Dortmund erleben werde. Herzlich willkommen SC Paderborn 07 im Oberhaus des Fußballs.

Als Bewohner der Ruhrgebiets- und Fußball-Metropole Dortmund ist Paderborn eher ein Ort für dumme Scherze. Generell gilt Paderborn als tiefste ostwestfälische Provinz, Bauern-Metropole eben. Hinzu kommt der Spruch „schwarz, schwärzer, Paderborn", weil die Stadt erzkatholisch und Sitz des Erzbistums ist.
Auch fußballerisch nahmen die wenigsten einen Klub wie den SC Paderborn richtig ernst. Ungeachtet der Tatsache, dass der Verein seit einigen Jahren in der zweiten Liga eine gute Rolle spielt. Aber Paderborn hat keine Fußballtradition, es fehlen die Erfolge der Vergangenheit. Wer hochklassigen Fußball sehen wollte, der musste nach Dortmund fahren. Oder Gelsenkirchen. Oder früher nach Bielefeld.
Ja, liebe Freunde des SC Paderborn, mit dieser Geringschätzung musstet ihr immer leben. Und jetzt gibt es auf einmal Lob von allen Seiten. Das kleine Paderborn mit einem Etat von etwas mehr als sechs Millionen hat sie alle – bis auf den 1.FC Köln – in der zweiten Liga abgehängt und ist aufgestiegen. Vor den Namen mit großer Fanbasis wie Kaiserslautern, 1860 München, St. Pauli oder Dynamo Dresden.
Ab August geht es gegen die Großen wie Bayern München, Dortmund, Schalke oder Mönchengladbach. Dabei verbuchten die Ostwestfalen schon einen Achtungserfolg gegenüber dem Rekordmeister aus München. Während im Paderborner Regen 20 000 Fans ihre Aufstiegshelden feierten, waren es am Samstag auf dem Marienplatz in München nur 15000 (Quelle kicker), die ihre Meister hochleben ließen.

Kein Fußballwunder
Statistisch war der Aufstieg eigentlich logisch: Denn seit dem Wiederaufstieg im Jahr 2009 waren die geraden Jahre immer die besten: 2010 belegte man Platz 5, 2012 belegte Paderborn mit Trainer Roger Schmidt erneut Platz 5 und mischte lange mit im Aufstiegskampf. Und 2014 – das Ende ist bekannt.
Dabei waren vor der Saison 2013/2014 die Erwartungen eher gering: Klassenerhalt lautete dass Ziel, der neue Trainer Andre Breitenreiter sollte den Negativtrend der Vorsaison drehen. Das gelang nach anfänglichen Schwächen: In der Rückrunde drehte das Team richtig auf, mit 39 Punkten war der SC das beste Rückrundenteam – noch vor dem 1.FC Köln.
Mit dem Budget lag Paderborn immer im unteren Drittel der Liga. Vielfach kamen die Spieler aus der dritten Liga oder den zweiten Mannschaften der Bundesliga und entwickelten sich in der Provinz. Dazu hatten die Ostwestfalen um Mäzen und Präsident Wilfried Finke sowie Manager Michael Born ein Händchen für junge Trainer, die in Paderborn durchstarteten: Jos Luhukay zum Beispiel. Oder Roger Schmidt, zuletzt Red Bull Salzburg, demnächst Bayer Leverkusen. Und nun Andre Breitenreiter, ein einstiger Profi (unter anderem Hannover und HSV), als Trainer bislang nur beim Regionalligisten Havelse tätig.
In der Bundesliga gibt es ein Wiedersehen mit einigen alten Bekannten, die bei Borussia Dortmund meist in der zweiten Mannschaft aktiv waren: Uwe Hünemeier, Marvin Bakalorz, Mario Vrancic und Mahir Saglik waren wichtige Stützen der Aufstiegsmannschaft.
Der größte Paderborner beim BVB bleibt allerdings Günter Kutowski. Der kam vom Vorgängerverein 1.FC Paderborn, war ein furchtloser Abwehrspieler und bestritt von 1984 bis 1996 288 Bundesligaspiele für Borussia Dortmund. Und kassierte deutlich mehr gelbe Karten als er Tore schoss.

Eine kleine Presseschau zum Aufstieg:

Spiegel Online

11 Freunde

Westfalenblatt



Mittwoch, 7. Mai 2014
Daumen hoch für Atletico
Seit ewigen Zeiten habe ich mal wieder ein „Zweit-Lieblingsteam“ nach dem BVB: Atletico Madrid rockt in dieser Saison nicht nur Champions League und spanische Liga, sondern hat auch einen neuen Anhänger – mich. Nun ist das mit den zweiten Teams so eine Sache. Bei mir ist das meist nur eine temporäre Angelegenheit, im Laufe der Zeit kühlt sich die Sympathie wieder ab. Aber aktuell hat die Beziehung einen Höhepunkt erreicht.



Atletico (rot) und der Stadtrivale Real (weiß) am Madrider Ratshaus. (Foto: Wikipedia Commons/ Laura Hale/)

Sonntag, 17:00, saß ich am Computer. Nicht um Pferderennen zu sehen (oder diese Kolumne zu füllen), sondern um Fußball zu gucken. Die spanische Liga kann man schön bei LaOla TV schauen, für 4,99 Euro im Monat sogar in HD-Bildern.
Atletico Madrid gastierte an diesem Tag bei UD Levante. Die Zeichen standen gut: Barcelona hatte nur Remis gespielt, nach einem Erfolg gegen Levante, dem zweiten Team aus Valencia, hätte sich Atletico drei Spieltage vor Schluss an der Spitze der Primera Diversion absetzen können.
Doch es war einer dieser Tage, an dem alles daneben ging. Bereits nach 7 Minuten sprang Verteidiger Luis Filipe nach einer Levante-Ecke den Ball unglücklich an die Brust und zum Entsetzen der meisten rollte der Ball zum 1:0 für die Heimmannschaft ins Tor.
Das blieb der einzige Angriff von Levante in Halbzeit 1, doch Atletico fehlten die Ideen, um eine gut stehende gegnerische Abwehr zu knacken. Nach der Pause kamen Arda Turan, Adrian und später der Ex-Wolfsburger und Ex-Bremer Diego ins Spiel, die Madrilenen erarbeiteten sich jetzt Chancen um Chancen, doch der Ball wollte – auch dank Levante-Keeper Navas – nicht ins Tor.
Mit dem dritten Angriff machten die Hausherren nach 69 Minuten nach einem schönen Konter das 2:0. Und die Gesichter der vielen mitgereisten Atletico-Fans in ihren rot-weiß- gestreiften Trikots wurden immer länger.

Die beste Saison
Aber trotz dieser Niederlage: Atletico spielt unter Trainer Diego Simeone eine grandiose Saison, vielleicht die Beste der Vereinsgeschichte: Platz 1 in der spanischen Liga vor Barca und dem Lokalrivalen Real. Und als Krönung das Erreichen des Finales in der Champions-League, ausgerechnet ein Madrider Lokalduell gegen Real, sonst die klare Nummer 1 in der Stadt.
Das 3:1 im Halbfinal-Rückspiel bei Chelsea war vielleicht das Meisterstück des Simeone-Teams. Im Hinspiel hatte Coach Jose Mourinho quasi den Mannschaftsbus im Chelsea-Strafraum geparkt und so ein 0:0 ermauert. Es war eines dieser Fußballspiele, nach denen man froh war, sie nicht gesehen zu haben.
Doch im Rückspiel siegte das Gute. Die „Colchoneros“ drehten einen 0:1-Rückstand an der Stamford Bridge und zogen völlig souverän mit 3:1 ins Finale ein. Real mag zwar den tolleren Fußball gegen die Münchener Bayern gespielt haben, aber „mehr Eier“ zeigte Atletico.
Seit Dezember 2011 trainiert der ehemalige argentinische Internationale Diego Simeone Atletico und seitdem geht es mit dem einstigen Skandalclub aufwärts. Dabei spielt das Team nicht unbedingt wahnsinnig attraktiven Fußball, aber es ist eine gut abgestimmte Einheit, bei der ein Rädchen ins andere greift. Diese Einheit muss erst einmal besiegt werden. Und mit Diego Costa, Koke oder Arda Turan hat die Mannschaft auch einige starke Individualisten. Barca oder Real sind deutlich besser besetzt, aber als Underdog liefert Atletico den beiden Top-Teams einen heldenhaften Kampf und hat sie fast in die Knie gezwungen. Das gefällt mir. Zumal das Publikum im Estadio Vicente Calderon deutlich lebendiger wirkt als die Operetten-Kulissen im Camp Nou (Barca) und Santiago Bernabeu (Real).

Der Bürgermeister von Marbella
Natürlich hat Atletico immer noch einen Batzen Schulden, zum Beispiel beim Finanzamt. Es sind Spätfolgen: Einst hatten die Colchoneros mit Jesus Gil y Gil einen der beklopptesten Fußball-Präsidenten aller Zeiten, noch heute bestimmen einstige Weggefährten den Klub. Aber das ist in diesem Fall egal. Auch in der Vergangenheit von Borussia Dortmund gab es schlechten Zeiten und peinliche Gestalten – das negative Format des einstigen Bürgermeisters von Marbellas hatte aber bei weitem niemand.
Allerdings sind meine Zweitsympathien nicht unbedingt eine dauerhafte Sache. In den neunziger Jahren mochte ich besonders Newcastle United, weil diese Stadt ebenso fußballverrückt wie Dortmund ist, und Fulham, weil ich dort mal einen netten Fußball-Nachmittag erlebt habe. Später kam noch Greuther Fürth hinzu, als ich einige Zeit in Nürnberg lebte und dort die Fürther ins Herz schloss.
Heute sind mir die Klubs mehr oder weniger egal. Im Gegenteil: Fulham mit Felix Magath ist wahrlich nicht mein Fall.

Zwei durchaus kritische Artikel über Atletico vom Internetportal goal und aus dem Schweizer Tagesanzeiger.



Montag, 5. Mai 2014
Die Helden aus Köln, Kentucky und Newmarket
Kentucky, Newmarket und Köln – es war eine Wochenende der Höchstleistungen im Turf. Und es bestätigte sich mal wieder die Weisheit, dass die Leistungen von Pferden nur schwer vorhersehbar sind. Oder anders gesagt: Grau ist alle Theorie, entscheidend ist auf dem Platz.

Unsere Reise beginnt in der Heimat – in Köln, fußballerisch wieder erstklassig, Vize im Eishockey. Und Heimat der Rennbahn in Weidenpesch, immer noch meine deutsche Lieblings-Rennbahn.
Dort gab es am Sonntag eine sehr interessante Karte, in dessen Mittelpunkt der Gerling-Preis über 2400 Meter stand. Und der Sieger sah nach Rennpferd aus. Ivanhowe gewann sehr überzeugend.
Zugegeben, es war nur eine Gruppe 2-Prüfung, aber wie leicht der Hengst aus dem Gestüt Schlenderhan nach nicht optimalem Rennverlauf noch an den Konkurrenten vorbeizog, das stimmte den Beobachter froh. Vielleicht hat der deutsche Rennsport wieder einen Kandidaten der Kategorie Novellist oder Danedream, der in den europäischen Top-Rennen mitmischen kann.
Es war erst der vierte Start des Hengstes: Ivanhowe beeindruckte bereits im letzten Jahr mit dem leichten Erfolg im Union-Rennen, lief dann als Derbyfavorit schlecht und pausierte danach. Jetzt also folgte dieses vielversprechende Comeback.

Churchill Downs/USA
Zweite Station unserer Reise ist Kentucky, genauer die Rennbahn Churchill Downs/Louisville, die Heimat des berühmten Kentucky Derbys. Nun bin ich nicht gerade ein glühender Anhänger des US-Turfs, weil dort Apotheke gegen Apotheke läuft. Auch ansonsten plagen den Sport so seine Skandale.
Das ist aber alles vergessen am Tag des Kentucky Derbys: Zum ersten Mal schaue ich dieses Rennen live im Netz und bin zutiefst beeindruckt, wie die Amerikaner dieses Ereignis zelebrieren. Ganz großes Kino – und dazu passt auch, dass mit California Chrome der Favorit gewinnt. Grandios, wie er sich vom Feld löst. Die Freude bei allen Beteiligten ist immens, so wie beim Gewinn von Champions League und Meisterschaft im Fußball zusammen.
Der Trainer ist bereits 77 Jahre alt, trainiert gerade mal 20 Pferde und schlägt jetzt all die großen Namen. Die beliebte Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär gehört zum amerikanischen Mythos – und an diesem Tag wurde sie mal wieder Realität. Fast 165 000 Besucher waren auf der Rennbahn – Wahnsinn! Und auch die Homepage ist Weltklasse.

Newmarket/GB
Im Vorfeld der englischen 2000 Guineas sprachen alle von Kingman. Der Galopper aus dem Stall von John Gosden hatte nicht nur alle seine Rennen leicht gewonnen, manche sprachen sogar schon von einem neuen Frankel – auch weil die beiden Pferde die gleichen Farben von Khalid Abdullah tragen. Ich bin bei diesen Vergleichen immer etwas skeptisch – und diese Skepsis bestätigte sich.
Kingman lief zwar ein gutes Rennen, doch im Ziel hatte der Außenseiter Night of Thunder mit einer halben Länge knapp die Nase vorn, obwohl er zum Schluss fast noch einmal quer über die Bahn schrammte. Ausgerechnet Night of Thunder, der in den Greenham Stakes noch chancenloser Zweiter und viereinhalb Längen hinter Kingman war. Ja, entscheidend ist immer auf dem Platz.
Der Sieger war auch nicht die erste Wahl aus dem großen Quartier von Richard Hannon. Die war Craven-Sieger Toormore mit Stalljockey Richard Hughes. Das war auch mein Tipp, doch er lief eher enttäuschend und endete im geschlagenen Feld. Eine gute Analyse des Rennens gibt es hier von Florian Christoph.
Auch Florian war beeindruckt von Australia aus dem Quartier von Aidan O’Brien. Der Hengst, dessen Abstammung (Vater Galileo, Mutter die mehrfache Gruppe I-Siegerin Quija Board) nobel zu nennen fast schon untertrieben ist, wurde Dritter und zog trotz aller Unreife noch mal gut an. Definitiv ein Pferd für weitere Wege – und O’Brien schickt ihn dann auch ohne Umwege ins englische Derby.
Der Sonntag begann schon vielversprechend. Andre Fabre im Interview bei Racing UK – das gibt es doch gar nicht. Ich dachte immer, der französische Meistertrainer spricht nicht mit den Medien. Von wegen, der Mann macht einen sehr freundlichen Eindruck und spricht sogar verständliches Englisch. Jedenfalls verdanke ich Fabre zwei Sieger an diesem Sonntag in Newmarket – zum einem schlug Esoterique in den Dahlia-Stakes (Gruppe 3) die Favoritin Integral nach Zielfoto, zum anderen triumphierte Miss France in den englischen 1000 Guineas.
Allerdings hätte ich die Stute aus Frankreich auch ohne die lobenden Einschätzungen ihres Trainers gespielt. Miss France enttäuschte zwar bei ihrem ersten Jahres-Start in diesem Jahr, doch die Formen aus 2013 waren gut genug. Bedenken bereitete mir nur ein wenig die Tatsache, dass französische Spitzenjockeys in England manchmal grottenschlecht reiten.
Aber dieses Mal machte Maxim Guyon alles richtig, auch wenn sein Trainer meinte, dass die Stute etwas früh an der Spitze gewesen wäre. Es reichte knapp und wieder war die tapfere Lightning Thunder knapp geschlagen gegen Miss France. Wie schon im September in Newmarket. Aber Trainer Olly Stevens war trotzdem glücklich.
Wenn mich übrigens jemand fragen würde, wem ich von den jungen Trainern eine große Karriere im englischen Turf zutraue, dann würde ich zwei Namen nennen: Roger Varian und eben jenen Olly Stevens.
Lobenswerte 80:10 gab es übrigens für die Siegerin Miss France, obwohl sie im Vorfeld als Mitfavoritin galt. Viel Geld floss auf Tapestry aus dem irischen O’Brien-Quartier. Doch die Stute endete weit geschlagen.