Mittwoch, 7. Mai 2014
Daumen hoch für Atletico
Seit ewigen Zeiten habe ich mal wieder ein „Zweit-Lieblingsteam“ nach dem BVB: Atletico Madrid rockt in dieser Saison nicht nur Champions League und spanische Liga, sondern hat auch einen neuen Anhänger – mich. Nun ist das mit den zweiten Teams so eine Sache. Bei mir ist das meist nur eine temporäre Angelegenheit, im Laufe der Zeit kühlt sich die Sympathie wieder ab. Aber aktuell hat die Beziehung einen Höhepunkt erreicht.



Atletico (rot) und der Stadtrivale Real (weiß) am Madrider Ratshaus. (Foto: Wikipedia Commons/ Laura Hale/)

Sonntag, 17:00, saß ich am Computer. Nicht um Pferderennen zu sehen (oder diese Kolumne zu füllen), sondern um Fußball zu gucken. Die spanische Liga kann man schön bei LaOla TV schauen, für 4,99 Euro im Monat sogar in HD-Bildern.
Atletico Madrid gastierte an diesem Tag bei UD Levante. Die Zeichen standen gut: Barcelona hatte nur Remis gespielt, nach einem Erfolg gegen Levante, dem zweiten Team aus Valencia, hätte sich Atletico drei Spieltage vor Schluss an der Spitze der Primera Diversion absetzen können.
Doch es war einer dieser Tage, an dem alles daneben ging. Bereits nach 7 Minuten sprang Verteidiger Luis Filipe nach einer Levante-Ecke den Ball unglücklich an die Brust und zum Entsetzen der meisten rollte der Ball zum 1:0 für die Heimmannschaft ins Tor.
Das blieb der einzige Angriff von Levante in Halbzeit 1, doch Atletico fehlten die Ideen, um eine gut stehende gegnerische Abwehr zu knacken. Nach der Pause kamen Arda Turan, Adrian und später der Ex-Wolfsburger und Ex-Bremer Diego ins Spiel, die Madrilenen erarbeiteten sich jetzt Chancen um Chancen, doch der Ball wollte – auch dank Levante-Keeper Navas – nicht ins Tor.
Mit dem dritten Angriff machten die Hausherren nach 69 Minuten nach einem schönen Konter das 2:0. Und die Gesichter der vielen mitgereisten Atletico-Fans in ihren rot-weiß- gestreiften Trikots wurden immer länger.

Die beste Saison
Aber trotz dieser Niederlage: Atletico spielt unter Trainer Diego Simeone eine grandiose Saison, vielleicht die Beste der Vereinsgeschichte: Platz 1 in der spanischen Liga vor Barca und dem Lokalrivalen Real. Und als Krönung das Erreichen des Finales in der Champions-League, ausgerechnet ein Madrider Lokalduell gegen Real, sonst die klare Nummer 1 in der Stadt.
Das 3:1 im Halbfinal-Rückspiel bei Chelsea war vielleicht das Meisterstück des Simeone-Teams. Im Hinspiel hatte Coach Jose Mourinho quasi den Mannschaftsbus im Chelsea-Strafraum geparkt und so ein 0:0 ermauert. Es war eines dieser Fußballspiele, nach denen man froh war, sie nicht gesehen zu haben.
Doch im Rückspiel siegte das Gute. Die „Colchoneros“ drehten einen 0:1-Rückstand an der Stamford Bridge und zogen völlig souverän mit 3:1 ins Finale ein. Real mag zwar den tolleren Fußball gegen die Münchener Bayern gespielt haben, aber „mehr Eier“ zeigte Atletico.
Seit Dezember 2011 trainiert der ehemalige argentinische Internationale Diego Simeone Atletico und seitdem geht es mit dem einstigen Skandalclub aufwärts. Dabei spielt das Team nicht unbedingt wahnsinnig attraktiven Fußball, aber es ist eine gut abgestimmte Einheit, bei der ein Rädchen ins andere greift. Diese Einheit muss erst einmal besiegt werden. Und mit Diego Costa, Koke oder Arda Turan hat die Mannschaft auch einige starke Individualisten. Barca oder Real sind deutlich besser besetzt, aber als Underdog liefert Atletico den beiden Top-Teams einen heldenhaften Kampf und hat sie fast in die Knie gezwungen. Das gefällt mir. Zumal das Publikum im Estadio Vicente Calderon deutlich lebendiger wirkt als die Operetten-Kulissen im Camp Nou (Barca) und Santiago Bernabeu (Real).

Der Bürgermeister von Marbella
Natürlich hat Atletico immer noch einen Batzen Schulden, zum Beispiel beim Finanzamt. Es sind Spätfolgen: Einst hatten die Colchoneros mit Jesus Gil y Gil einen der beklopptesten Fußball-Präsidenten aller Zeiten, noch heute bestimmen einstige Weggefährten den Klub. Aber das ist in diesem Fall egal. Auch in der Vergangenheit von Borussia Dortmund gab es schlechten Zeiten und peinliche Gestalten – das negative Format des einstigen Bürgermeisters von Marbellas hatte aber bei weitem niemand.
Allerdings sind meine Zweitsympathien nicht unbedingt eine dauerhafte Sache. In den neunziger Jahren mochte ich besonders Newcastle United, weil diese Stadt ebenso fußballverrückt wie Dortmund ist, und Fulham, weil ich dort mal einen netten Fußball-Nachmittag erlebt habe. Später kam noch Greuther Fürth hinzu, als ich einige Zeit in Nürnberg lebte und dort die Fürther ins Herz schloss.
Heute sind mir die Klubs mehr oder weniger egal. Im Gegenteil: Fulham mit Felix Magath ist wahrlich nicht mein Fall.

Zwei durchaus kritische Artikel über Atletico vom Internetportal goal und aus dem Schweizer Tagesanzeiger.



Montag, 5. Mai 2014
Die Helden aus Köln, Kentucky und Newmarket
Kentucky, Newmarket und Köln – es war eine Wochenende der Höchstleistungen im Turf. Und es bestätigte sich mal wieder die Weisheit, dass die Leistungen von Pferden nur schwer vorhersehbar sind. Oder anders gesagt: Grau ist alle Theorie, entscheidend ist auf dem Platz.

Unsere Reise beginnt in der Heimat – in Köln, fußballerisch wieder erstklassig, Vize im Eishockey. Und Heimat der Rennbahn in Weidenpesch, immer noch meine deutsche Lieblings-Rennbahn.
Dort gab es am Sonntag eine sehr interessante Karte, in dessen Mittelpunkt der Gerling-Preis über 2400 Meter stand. Und der Sieger sah nach Rennpferd aus. Ivanhowe gewann sehr überzeugend.
Zugegeben, es war nur eine Gruppe 2-Prüfung, aber wie leicht der Hengst aus dem Gestüt Schlenderhan nach nicht optimalem Rennverlauf noch an den Konkurrenten vorbeizog, das stimmte den Beobachter froh. Vielleicht hat der deutsche Rennsport wieder einen Kandidaten der Kategorie Novellist oder Danedream, der in den europäischen Top-Rennen mitmischen kann.
Es war erst der vierte Start des Hengstes: Ivanhowe beeindruckte bereits im letzten Jahr mit dem leichten Erfolg im Union-Rennen, lief dann als Derbyfavorit schlecht und pausierte danach. Jetzt also folgte dieses vielversprechende Comeback.

Churchill Downs/USA
Zweite Station unserer Reise ist Kentucky, genauer die Rennbahn Churchill Downs/Louisville, die Heimat des berühmten Kentucky Derbys. Nun bin ich nicht gerade ein glühender Anhänger des US-Turfs, weil dort Apotheke gegen Apotheke läuft. Auch ansonsten plagen den Sport so seine Skandale.
Das ist aber alles vergessen am Tag des Kentucky Derbys: Zum ersten Mal schaue ich dieses Rennen live im Netz und bin zutiefst beeindruckt, wie die Amerikaner dieses Ereignis zelebrieren. Ganz großes Kino – und dazu passt auch, dass mit California Chrome der Favorit gewinnt. Grandios, wie er sich vom Feld löst. Die Freude bei allen Beteiligten ist immens, so wie beim Gewinn von Champions League und Meisterschaft im Fußball zusammen.
Der Trainer ist bereits 77 Jahre alt, trainiert gerade mal 20 Pferde und schlägt jetzt all die großen Namen. Die beliebte Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär gehört zum amerikanischen Mythos – und an diesem Tag wurde sie mal wieder Realität. Fast 165 000 Besucher waren auf der Rennbahn – Wahnsinn! Und auch die Homepage ist Weltklasse.

Newmarket/GB
Im Vorfeld der englischen 2000 Guineas sprachen alle von Kingman. Der Galopper aus dem Stall von John Gosden hatte nicht nur alle seine Rennen leicht gewonnen, manche sprachen sogar schon von einem neuen Frankel – auch weil die beiden Pferde die gleichen Farben von Khalid Abdullah tragen. Ich bin bei diesen Vergleichen immer etwas skeptisch – und diese Skepsis bestätigte sich.
Kingman lief zwar ein gutes Rennen, doch im Ziel hatte der Außenseiter Night of Thunder mit einer halben Länge knapp die Nase vorn, obwohl er zum Schluss fast noch einmal quer über die Bahn schrammte. Ausgerechnet Night of Thunder, der in den Greenham Stakes noch chancenloser Zweiter und viereinhalb Längen hinter Kingman war. Ja, entscheidend ist immer auf dem Platz.
Der Sieger war auch nicht die erste Wahl aus dem großen Quartier von Richard Hannon. Die war Craven-Sieger Toormore mit Stalljockey Richard Hughes. Das war auch mein Tipp, doch er lief eher enttäuschend und endete im geschlagenen Feld. Eine gute Analyse des Rennens gibt es hier von Florian Christoph.
Auch Florian war beeindruckt von Australia aus dem Quartier von Aidan O’Brien. Der Hengst, dessen Abstammung (Vater Galileo, Mutter die mehrfache Gruppe I-Siegerin Quija Board) nobel zu nennen fast schon untertrieben ist, wurde Dritter und zog trotz aller Unreife noch mal gut an. Definitiv ein Pferd für weitere Wege – und O’Brien schickt ihn dann auch ohne Umwege ins englische Derby.
Der Sonntag begann schon vielversprechend. Andre Fabre im Interview bei Racing UK – das gibt es doch gar nicht. Ich dachte immer, der französische Meistertrainer spricht nicht mit den Medien. Von wegen, der Mann macht einen sehr freundlichen Eindruck und spricht sogar verständliches Englisch. Jedenfalls verdanke ich Fabre zwei Sieger an diesem Sonntag in Newmarket – zum einem schlug Esoterique in den Dahlia-Stakes (Gruppe 3) die Favoritin Integral nach Zielfoto, zum anderen triumphierte Miss France in den englischen 1000 Guineas.
Allerdings hätte ich die Stute aus Frankreich auch ohne die lobenden Einschätzungen ihres Trainers gespielt. Miss France enttäuschte zwar bei ihrem ersten Jahres-Start in diesem Jahr, doch die Formen aus 2013 waren gut genug. Bedenken bereitete mir nur ein wenig die Tatsache, dass französische Spitzenjockeys in England manchmal grottenschlecht reiten.
Aber dieses Mal machte Maxim Guyon alles richtig, auch wenn sein Trainer meinte, dass die Stute etwas früh an der Spitze gewesen wäre. Es reichte knapp und wieder war die tapfere Lightning Thunder knapp geschlagen gegen Miss France. Wie schon im September in Newmarket. Aber Trainer Olly Stevens war trotzdem glücklich.
Wenn mich übrigens jemand fragen würde, wem ich von den jungen Trainern eine große Karriere im englischen Turf zutraue, dann würde ich zwei Namen nennen: Roger Varian und eben jenen Olly Stevens.
Lobenswerte 80:10 gab es übrigens für die Siegerin Miss France, obwohl sie im Vorfeld als Mitfavoritin galt. Viel Geld floss auf Tapestry aus dem irischen O’Brien-Quartier. Doch die Stute endete weit geschlagen.



Freitag, 2. Mai 2014
Wenn Hoffenheim doch RWE wäre
Wer hat an der Uhr gedreht? Am Samstag gibt es schon das letzte Heimspiel von Borussia Dortmund in der Bundesliga-Saison 2013/2014. Der Gast ist die TSG 1899 Hoffenheim. Ein Portrait des Emporkömmlings.

Kaum eine andere Mannschaft verachtet der traditionelle BVB-Fan mehr als diese TSG 1899 Hoffenheim – abgesehen natürlich vom Erzrivalen FC Schalke 04. All diesen ganzen Ressentiments über die „Söldner vom Dorf“ wärmt der Vorbericht des Online-Fanzines schwatzgelb.de in bewährter Manier auf. Schon tausend Mal gelesen und daher einfach nur noch langweilig. RW Essen kommt davon auch nicht zurück in die erste Liga.
Jedenfalls hat sich Dietmar Hopp den Traum erfüllt, den jeder Mäzen eines Dorfvereins heimlich hat. Sein Verein spielt in der Bundesliga. Alles eben eine Frage des Geldes – und davon hat der Gründer eines Weltkonzerns namens SAP mehr als etwa BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und sein Heimatklub RW Erlinghausen. Deshalb spielt Hoffenheim in Liga 1, Erlinghausen hingegen in der westfälischen Landesliga Gruppe 2 und kämpft dort um den Ligaerhalt.
So werden wir am Samstag wieder die Beschimpfungen des Herrn Hopp erleben, werden Sechzehnjährige verstohlen über das H-Wort grinsen und werden 10jährige ihre Eltern fragen, was es denn bedeute.
Jedenfalls geht es für beide Teams sportlich um nichts mehr. Und da beide Mannschaften in der Offensive ihre Qualitäten haben, könnte es ein attraktives Spiel geben.

Aktuelle Lage
Da muss ich den Freunden von schwatzgelb mal Recht geben: Der BVB leistete im letzten Jahr seinen Beitrag dazu, dass Hoffenheim weiter in der Liga spielt. 1:2 unterlag die Borussia, war zwar hoch überlegen, doch zwei berechtigte Foulelfmeter in der Schlussphase brachten 1899 den Sieg, den Sprung auf Rang 16 und die erfolgreiche Relegation gegen den Traditionsclub Kaiserslautern.
2013/2014 stabilisierte sich der Club nach der chaotischen Vorsaison mit den vier Trainern Markus Babbel, Frank Kramer, Marco Kurz und Markus Gisdol. Gisdol setzte wieder mehr auf den Nachwuchs, teuere Spieler wie Tim Wiese, Edson Braafheid oder Matthieu Delpierre wurden aussortiert.
Mit 41 Punkten befindet sich Hoffenheim aktuell jenseits von Gut und Böse in der Bundesliga. Das Torverhältnis von 67:66 zeigt eindrücklich sowohl offensive Stärke als auch defensive Schwäche.



Das ist nicht Hoffenheim zur Schützenfest-Zeit, sondern das Rathaus mit Vereinsfahnen. Triumphe werden woanders gefeiert. (Bild: Badener/Wikimedia Commons)

Ein wenig Historie
Von großer ruhmreicher Vergangenheit kann man natürlich beim Dorfverein TSG Hoffenheim nicht sprechen. Meist kickte der Club in den Niederungen der badischen Kreis- und Bezirksligen. 1990 konnte Joachim Hopp, Mitbegründer der Softwareschmiede SAP, das Elend seines Heimatklubs nach einem weiteren Abstieg in die A-Liga nicht mehr anschauen und unterstützte den Verein fort als Mäzen. Der Aufstieg begann, 2000 gelang der Sprung in die damalige Oberliga Baden-Württemberg. Danach qualifizierte man sich für die neue Regionalliga Süd, spielte dort – unter anderem mit Trainer Hansi Flick – lange Zeit, ehe mit Trainer Ralf Rangnick 2007 der Sprung in Liga 2 gelang. 2008 war Hopp am Ziel aller Träume – mit Trainer Rangnick stieg Hoffenheim in die Eliteliga auf.
Dort rockte die TSG mit attraktivem Offensivfußball ein halbes Jahr die Liga; Spieler wie Andreas Beck, Marvin Compper, Tobias Weis, Chinedu Obasi, Demba Ba und besonders Vehad Ibisevic spielten die Saison ihres Lebens. In der Winterpause war das kleine Hoffenheim Herbstmeister.
Dieses Tempo konnte die Mannschaft nicht halten, am Ende war es Platz 7 – dennoch eine sehr gute Leistung des Aufsteigers. Danach hielt sich Hoffenheim ein paar Jahre im Mittelfeld der Liga, ehe es dann zur Katastrophen-Saison 2012/2013 kam.
Das Konzept, auf große Namen zu setzten, ging völlig in die Hose. Diese Zeit war auch ein Armutszeugnis für die Trainer Markus Babbel und Marco Kurz, die hier ziemlich versagten und eine zerstrittene Mannschaft ohne Mumm, aber mit vielen Stars hinterließen. Vom einstigen Konzept Rangnicks, eine junge Mannschaft mit durchaus teueren Akteuren aufzubauen, war nichts mehr zu sehen.
Erst als Hopp die Notbremse zog und Markus Gisdol wieder installierte, gelang die Rettung. Zumindest in dieser Saison sorgte der Klub wieder für positivere Nachrichten – außer bei den Fans der sogenannten Traditionsvereine. Die wünschen ihm weiter – siehe oben – alles erdenklich Schlechte.

Die Bilanz BVB – Hoffenheim

Eine interessante Dokumentation über den Klub, die wir auf diesen Seiten auch schon begutachtet haben.

In der Serie "Rivalen des BVB" wird immer der Verein portraitiert, der am nächsten Spieltag in Dortmund gastiert. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich. Und da die Saison so langsam zu Ende geht, endet unsere Serie mit diesem Text.