Mittwoch, 18. Dezember 2013
Novellist, Nymphea und Our Conor
Schon wieder ist ein Jahr fast vorbei. Im Galopprennsport war es das Jahr nach Frankel. So ein Ausnahmepferd gab es 2013 zumindest in Europa nicht, aber wie immer war die Saison voller magischer Augenblicke. Das waren meine drei Top-Momente 2013.

Moment 1: Novellist in den King George Stakes
Diese Kolumne war ein wenig skeptisch im Vorfeld der King George VI Stakes in Ascot. Natürlich hatte Novellist beste Chancen, doch es gab durchaus Bedenken wegen des etwas festen Bodens. nurpferdeundfussball favorisierte den irischen Derbysieger Trading Leather. Doch an diesem 27. Juli machte nur ein Pferd Schlagzeilen.
Spätestens als Johnny Murtagh den Monsun-Sohn kurz antippte, war die Frage nach dem Sieger beantwortet. Novellist ließ Trading Leather und co. mühelos stehen, am Ende gewann der Hengst mit fünf Längen und brach den Kursrekord in Ascot. „It’s Novellist for Germany again“, kommentierte Rennsprecher Simon Holt. Damit folgte der Starter aus dem Stall von Andreas Wöhler Danedream, die 2012 gewann. Zwei deutsche Sieger hintereinander in dieser englischen Prestige-Prüfung – wer hätte das vor Jahren noch gedacht.
„Ich habe zuvor ein Listenrennen und einen Bumper (Hindernis-Flachrennen) in England gewonnen. Früher habe ich als Kind Urlaub in England gemacht und bin beim King George gewesen. Und nun bin ich hier als Trainer und gewinne dieses Rennen – unglaublich“, erzählte Andreas Wöhler später der englischen Presse.
Im Nachhinein mag es zwar nicht der bestbesetzte King George aller Zeiten gewesen sein, das aber schmälert den Triumph des Ersten überhaupt nicht. Es war die beste Leistung in der großartigen Rennkarriere von Novellist. Nur leider klappte es nicht mit dem Prix D’ Arc De Triomphe: Ein erhöhte Temperatur verhinderte den Start dort.
Das Rennen bei youtube

Moment 2: Nymphea im Großen Preis von Berlin
Kinder bekannter Eltern haben es manchmal nicht leicht. Zugegeben, manchmal öffnen ihnen sich Türen, die anderen verschlossen bleiben. Aber der Erwartungsdruck ist doch immens. Zu sehen etwa bei Joseph O’Brien, Sohn des führenden irischen Trainers Aidan O’Brien und jetzt Nummer 1-Jockey im Stall. Oder bei Dennis Schiergen, Sohn des ehemaligen deutschen Spitzenjockeys und jetzigem Top-Trainers Peter Schiergen. Aber offenbar hat Schiergen senior seinem Junior nicht nur das Talent, sondern auch diesen Schuss Unaufgeregtheit vererbt, der das Leben leichter macht.
Dieser 21. Juli auf der Rennbahn in Berlin-Hoppegarten war der Tag des „Amateurs“ Dennis Schiergen. Natürlich hatte sein Ritt Nymphea gute Chancen auf den Sieg im Großen Preis von Berlin, natürlich bestritt sie ihre Rennen gerne von der Spitze. Aber was dann an diesem sonnigen Nachmittag folgte, fällt auch heute noch in die Kategorie ganz großes Kino.
Denn Dennis Schiergen ließ die massige Fuchsstute richtig treten, teilweise betrug der Vorsprung 15 Längen. „Die Stute hatte so einen Spaß am Galoppieren. Das ist sie das Tempo einfach weitergegangen“, sagte Schiergen nach dem Rennen. So einfach war das – und es reichte. Der Vorsprung auf der Geraden verringerte sich zwar, am Ende siegte Nymphea aber sicher gegen Temida und Meandre. Die mutige Vorwärtstaktik des Schiergen-Teams ging auf.
„Diesen Rennen wird er sein Leben lang nicht vergessen“, sagte Rennkommentator Günther Barth. Recht hat er – ein Amateur siegt in einem Gruppe 1-Rennen. Eben ganz großes Kino.



Noch mal zum Genießen: Der Große Preis von Berlin 2013

Moment 3: Our Conor in der Triumph Hurdle
Magische Momente gibt es viele beim Cheltenham Festival im März, aber bei diesem Rennen läuft mir immer noch ein Schauer über den Rücken. Der irische Wallach Our Conor triumphierte in der Triumph Hurdle für den Hürden-Nachwuchs – und wie.
Das Pferd aus dem Stall von Dessie Hughes war im Vorfeld des Meetings schon hoch gehandelt. „Er hat alle Eigenschaften eines Klassepferdes“, sagte der erfahrene irische Trainer – und er hat schon einige gesehen. Er war auch einer meiner Banker für das Festival, aber diese gehen bei diesen intensiven Rennen sehr häufig in die Brüche.
Doch Jockey Bryan Cooper hatte das Pferd mit der markanten weißen Blesse immer gut im Vorderfeld platziert, hielt ihn klug aus allen Scharmützeln heraus. Als es dann ernst wurde, war das Rennen schnell entschieden. „Our Conor looms menacingly“, sprach Rennkommentator Mark Johnson mit lauter Stimme – und dann stiefelte der Jeremy-Sohn los. Zum Schluss waren es 15 Längen Vorsprung gegenüber Far West. Ein Sieg zum Entspannen – und so etwas gelingt nur herausragenden Pferden beim wichtigsten Festival der englisch-irischen Hindernissaison.
„Er ist sicherlich ein Pferd für die Champion Hurdle. Er hat Stehvermögen, hat das nötige Tempo und er springt gut“, so Trainer Dessie Hughes, übrigens Vater von Flach-Jockey Richard Hughes, nach dem Rennen. Mit Hardy Eustace trainierte er bereits einen zweifachen Champion-Hürdler. Und das soll auch Our Conor gelingen. Derzeit ist er jedoch verletzt.

Das Rennen bei youtube



Freitag, 13. Dezember 2013
Die Nicholls-Festspiele gehen weiter
Am Donnerstag triumphierte mit Kings Theatre ein alter Favorit dieser Kolumne in der Peterborough Case, am Wochenende geht es spannend weiter im englischen Hindernissport. Cheltenham veranstaltet unter anderem am Samstag, im sportlichen Mittelpunkt steht die stanjames.com International Hurdle. Dort kommt es zur Revanche zwischen The New One (der großen Hoffnung aus dem Stall von Nigel Twiston-Davies) und Zarkandar, der in Aintree knapp die Nase vorn hatte. Unser Wettrennen des Tages ist jedoch der Steward Family Thank You Gold Cup, ein Grade 3-Jagdrennen über die mittlere Distanz von rund 4400 Metern (15:25 deutscher Zeit). Und da es ein Handicap ist, ist es ein sehr offenes Rennen. Die Buchmacher werden sich freuen. Starter und Chancen in der Analyse.

1. Champion Court (Martin Keighley/Ian Popham): Donnerstag Zweiter hinter Riverside Theatre in der Peterborough Case, formbeständig, aber auch sehr hoch im Gewicht. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass er innerhalb dieser kurzen Zeit zwei Rennen dieses Kalibers bestreitet. Ist auch Nichtstarter.

2. Gauvain (Philipp Hobbs/Richard Johnson): Der Hobbs-Stall ist zwar gut in Form, aber wenn dieser Sternkönig-Sohn gewinnen würde, wäre das schon eine Überraschung. Die letzten Starts lief er durchaus akzeptabel über Hürden, aber auch in früherer Bestform derzeit schwer vorstellbar.

3. Cantlow (Paul Webber/Robert Thornton): Gut gesteigerter Steepler im zweiten Jahr, siegte zuletzt nach einem Glanzritt von Tony Mc Coy gegen Eastern Meteor und Grandioso in Newbury, gegen diese beide Kandidaten steht er jetzt natürlich deutlich schlechter im Handicap. Mc Coy hat sich für Colour Squadron entschieden.

4. Eastern Meteor (Emma Lavelle/Aidan Coleman): Kontinuierlich verbesserter Sohn von Midnight Legend, unterlag zuletzt nur knapp gegen Cantlow, den er heute günstiger trifft. Formumkehr also möglich. Ein wenig stört mich, dass er immer noch den einen oder anderen Fehler macht. So stürzte er zuletzt in Führung in der Paddy Power Gold Cup Chase in Cheltenham.

5. Johns Spirit (Jonjo O’Neil/Richie McLernon): Doppelsieger zuletzt zweimal in Cheltenham, der letzte Erfolg im Paddy Power Gold Cup gegen Colour Squadron und Attaglance. Das war nach einem sehr gut dosierten Ritt von Richie McLernon. Mit Aufgewicht wird es noch mal schwerer, aber alle Reserven hat er noch nicht aufgedeckt. Der letzte Sieg war deutlicher als es schien.

6. Grandioso (Paul Nicholls/Daryl Jacob): Am letzten Samstag war großer Nicholls-Tag, als der Trainer die wichtigsten Prüfungen des Tages gewann. Grandioso kommt nach einer hervorragenden Novice Saison, wo er zu erweiterten Spitze zählte. Nach einer Kolik lieferte er ein starkes Saisondebüt hinter Cantlow und Eastern Meteor ab, hat mit Sicherheit noch Reserven.

7. Colour Squadron (Philipp Hobbs/Tony Mc Coy): noch ohne Erfolg in Jagdrennen, die letzten Platzierung hinter Johns Spirit liest sich aber gut. Auch der 5. Platz während des Cheltenhams-Festivals ist in Odnung. Mc Coys Wahl unter den Mc Manus-Pferden, die Hobbs-Stallform bleibt weiter heiß. Ein manchmal etwas fehlerhafter Springer.

8. Tap Night (Lucinda Russell/Peter Buchanan): Gast aus dem Norden Englands, ohne Möglichkeiten im Paddy Power, beste Form als Zweiter hinter Captain Conan im April in Aintree. Für ihn könnte der Boden etwas weicher sein.

9. Salut Flo (David Pipe/Tom Scudamore): Zuletzt gesehen im März 2012, als er beim Cheltenham Festival gut gewettet ein stark besetztes Handicap entschied. Durch die langen Pausen schwer einzuschätzen, hat aber frisch schon gewonnen. Das Überraschungspaket unter den Teilnehmern.

10. Silver Roque (Fergal O’Brien/Paddy Brennan): Die Stallform ist ausgezeichnet, der letzte Sieg war überlegen. Aber Sedgefield, wo der Lavirco-Sohn zuletzt gewann, ist nicht Cheltenham. Außenseiter.

11. Ma Filleule (Nicky Henderson/Barry Geraghty): Hat zweimal als junges Pferd in Frankreich über die schwere Sprünge gewonnen, in England ist sie bislang nur über Hürden gelaufen. Dort durchaus ordentliche Formen. Jockey Geraghty ist allerdings sehr optimistisch, zumal sie alles andere als ein Neuling über die großen Hürden ist. Sehr interessante Teilnehmerin.

12. Attaglance (Malcolm Jefferson/Brian Hughes): Nicht unbedingt ein Siegertyp über die schweren Sprünge, aber die letzte Form in Cheltenham hinter Johns Spirit war sehr ordentlich. Trifft die Gegner hier noch günstiger im Gewicht, vielleicht kommt er ja an seine gute Hürdenform heran.

13. Double Ross (Nigel Twiston-Davies/Sam Twiston-Davies): Interessanter Teilnehmer, zuletzt in Ascot aber als Zweiter schon deutlich geschlagen. Der Boden sollte zudem weicher sein, die Stallform hat aber deutlich angezogen.

14. Sew on Target (Colin Tizard/Brendan Powell): Ein weiterer Kandidat in guter Form, müsste seine Bestform noch etwas steigern. Das ist durchaus möglich.

Urteil
Johns Spirit dürfte noch etwas im Tank haben und kann das Double mit dem Paddy Power Gold Cup schaffen. Doch Grandioso aus dem Nicholls-Stall könnte ihm die Party verdienen, auch er sollte noch Reserven haben. Die Pferde für die Überraschung sind Salut Flo und Ma Filleule, besonders Letztere finde ich zu einem hohen Kurs sehr interessant.

Die Einschätzungen einiger Trainer



Donnerstag, 12. Dezember 2013
Erlöser Großkreutz
Was für eine Zitterpartie gestern zwischen Olympique Marseille und Borussia Dortmund. Je länger die Partie am letzten Spieltag der Champions League-Vorrunde dauerte, desto größer wurden meine Befürchtungen. Weil Borussia zwar hoch überlegen gegen zehn Franzosen war, sich beste Chancen erarbeitete, aber Pfosten, französische Abwehrbeine und Torhüter Mandanda verhinderten gemeinsam den Erfolg.
Als dann noch Robert Lewandowski in allerbester Lage das leere Tor nicht traf, Napoli im anderen Spiel gegen Arsenal in Führung ging, dachte ich, jetzt geht sie hin, die Qualifikation für das Achtelfinale der europäischen Königsklasse. Jetzt bleibt nur noch das Trostpflaster Euro League – und die ist sportlich deutlich geringer einzustufen. Besonders, weil in der Champions League gescheiterte Mannschaften in die entscheidenden Phase dieses Wettbewerbs einsteigen und damit die anderen Mannschaften abqualifizieren. „Cup der Verlierer“, höhnte schon früher Franz Beckenbauer – und zu dieser Zeit war der damalige UEFA-Cup noch ein anerkannter Wettbewerb.
Das Gefühl wurde nicht besser, als der Schiri Dortmund einen klaren Elfmeter verweigerte, nachdem OM-Keeper Mandanda einen BVB-Spieler fällte. Alles Elend eines Fanlebens schien an diesem Abend geballt aufzutreten. Doch dann kam die 87. Minute: Der wie in den Spielen zuvor etwas unglücklich agierende Mkhitaryan spielte auf den eingewechselten Julian Schieber, der passte präzise zurück auf Kevin Großkreutz. Der traf den Ball nicht richtig, doch dieser trudelte ins Tor. 2:1 für den BVB – und nicht nur ich hatte das Gefühl, dass an diesem Abend Murphys Gesetz außer Kraft trat.

Erleichterung
Borussia hatte an diesem Abend eine tadellose Leistung geboten. Besonders die zweite Halbzeit gegen nur zehn Franzosen war richtig stark. 11:2 zugunsten von Schwatzgelb lautete am Ende die Chancenbilanz nach meiner Zählung – und das ist noch schmeichelhaft, weil ich in den turbulenten Schlussminuten nicht jede Möglichkeit notiert habe. Garantiert!
Es war ein Erfolg, der den personell arg gebeutelten Dortmundern gut bekommen wird. Denn in der Bundesliga lief es zuletzt wahrlich nicht gut: Es gab bittere Niederlagen. Besonders das 0:1 gegen – zugegeben gute – Leverkusener frustrierte, weil der BVB überhaupt keine Antworten gegen einen taktisch blendend aufgestellten Gegner fand. Beim 0:3 gegen die Bayern stimmte nur das Ergebnis nicht; Dortmund war auf Augenhöhe gegen die beste Mannschaft der Liga.
Aber nur ein Fußballwunder hilft im Kampf gegen die Meisterschaft. Zehn Punkte Rückstand auf die überragenden Bayern scheinen nur schwer zu kompensieren, Leverkusen ist mit fünf Punkten Vorsprung auch schon relativ weit weg; die starken Gladbacher sitzen punktgleich im Nacken. Aber vielleicht strahlt der Erfolg in der Königsklasse ja auf die heimische Liga. Wer sich gegen Arsenal, Napoli und Marseille in dieser schweren Gruppe durchsetzt, der sollte seine sportliche Qualität kennen.