Der FC Arsenal aus London, am Mittwoch Gegner von Borussia Dortmund in der Champions League, steht nicht nur alphabetisch an der Spitze der englischen Profiklubs. Es ist auch der erste Verein aus dem Mutterland des Fußballs, an den ich mich erinnere. Anfang der siebziger Jahre muss es gewesen sein, die ARD-Sportschau zeigte Ausschnitte von Arsenal gegen Chelsea (glaube ich zumindest) und ich wunderte mich als Kind, dass die Torhüter kurze weißen Hosen trugen und nicht wie in Deutschland in schwarzen Hosen spielten.
1999 bin ich dann mal bei einem London-Besuch mit der U-Bahn zum Highbury Park, der damaligen Spielstätte des Vereins, gefahren. Hier in Deutschland kennen wir diese Stadien nicht: mitten in einem Wohnblock, nur dass in diesem Falle kein Spielplatz im Innenhof liegt, sondern ein komplettes Fußballstadien. Also quasi ein Spielplatz für die großen Jungs. Faszinierend, dachte ich.
Die Gegend um das Stadion sah nach unterer Mittelklasse aus. Die Preise für die Tickets waren jedoch Oberklasse und selbst im teueren England ganz vorne. Aber offensichtlich egal, das schmucke Stadion war so und so immer ausverkauft. Die Engländer haben eben eine ganz andere Einstellung zu Eintrittspreisen, auch auf Rennbahnen wird man mal schnell 40 Pfund Eintritt für einen ganz normalen Renntag los.
Hier geht es nicht in die Londoner Niederlassung von Eisen Karl. Hinter diesen Toren lag das Highbury Stadion des FC Arsenal.
Bildnachweis: Vicky Ayech/Wikipedia Commons
Aktuelle Lage
Was so ein wenig sportlicher Erfolg doch alles ausmacht. Im Sommer war die Stimmung bei Arsenal im Keller: Der letzte Titel schon ein paar Jährchen entfernt, die Zuschauer pfiffen regelmäßig nach den matten Vorstellungen, die Rivalen Manchester United, Manchester City und Chelsea meilenweit weg in der Premiere League und selbst der alte Nordlondoner Lokalrivale Tottenham war fast auf Augenhöhe. Da war es nicht verwunderlich, dass auch Kritik an Manager Arsene Wenger (seit 1996 bei den Gunners) auftauchte und der charismatische Franzose nicht mehr der große Mann war, der den Klub zu einer neuen Ära des Erfolges geführt hatte.
Und jetzt Anfang November 2013 sieht das Bild ganz anders aus. Arsenal führt nach zehn Spieltagen die Premier League an, hat erst einmal verloren und überzeugt durch höchst attraktiven Fußball. „Ein Schuss Genuss“, titelte der
Kicker in seiner Printausgabe am Montag nach dem 2:0 im Topspiel gegen Liverpool. „Da lief der Ball in den eigenen Reihen im höchsten Tempo, als ob die Kugel und die Akteure an der Playstation gesteuert würden“, heißt es im Text. „Genugtuung in der Besenkammer“, lautete die Überschrift in der
Süddeutschen Zeitung und es geht hier nicht um die amorösen Abenteuer eines ehemaligen Tennisspielers, sondern darum, dass die Pressekonferenzen des FC Arsenal in einem besenkammerähnlichen Raum stattfinden. „Am Samstag aber strahlte die Zufriedenheit geradezu aus dem Franzosen, und zum ersten Mal seit dem Umzug ins neue Stadion vor gut sieben Jahren lag ein Hauch von Meisterschaftsgefühl in der Besenkammer“,
schrieb Raphael Honigstein über Wenger und den Verein.
Es nicht nur der kluge Transfer des großartigen Mesut Özil, der die Gunners nach vorne brachte. Andere Leute haben sich ungemein gesteigert und selbst Tomas Rosicky glänzt fast wie in alten glorreichen Dortmunder Tagen. Und bekanntlich wird Deutsch bei Arsenal gesprochen: Özil, Mertesacker, Podolski oder die Nachwuchskräfte Gnabry und Eisfeld, der im übrigen aus der BVB-Jugend kommt.
Historie
Große Manager prägten schon immer die Arsenal-Geschichte. Herbert Chapman zum Beispiel –
Chapman kam 1925 aus Huddersfield, erfand unter anderem das
WM-System und war der Mann, der den Klub Anfang der 30er Jahre zum erfolgreichsten in England machte. Im Gegensatz zu den Managern der damaligen Zeit, die ihre Aufgabe eher im administrativen Bereich sahen, interessierte sich Chapman auch für Taktik, Transfers und Mannschaftsaufstellung. Auch andere Dinge verdankt ihm Arsenal: Zum Beispiel die weißen Ärmel, die den Kontrast zum roten Trikot bildeten und damit die Spieler leichter identifizierbar machten. Chapman verfolgte zudem intensiv den europäischen Fußball.
Erfolge feierte Arsenal zudem unter
George Graham. Der Schotte, der selber für Arsenal gespielt hatte, setzte auf Disziplin und baute Leute wie Tony Adams, David Seaman, Nigel Winterburn, Paul Merson oder später Ian Wright ins Team ein. Der Stil war nüchtern und erfolgsorientiert, das böse Wort von „Boring Arsenal“ machte die Runde, aber was kümmert es die stolze Eiche, wenn… George Graham holte Titel.
Und dann kam im November 1996 die French Revolution in Form von Arsene Wenger – und kein Stein blieb auf dem anderen. Die Zeiten waren vorbei, in denen nach dem Morgentraining Tony Adams und Co. den Rest des Tages im Pub bei Bier und Burgern verbrachten. Es dauerte etwas, bis die Geschichte lief. Doch 1998 holte Wenger das Double Meisterschaft und FA-Cup nach eher schwachem Saisonstart und spätestens danach liebten alle den freundlichen Mann aus dem Elsass.
Er hatte aber auch eine aufregende Mannschaft, die einen sehr attraktiven Fußball spielte: Dennis Bergkamp, Patrick Vieira, Marc Overmars oder natürlich Thierry Henry waren nur einige Namen. Die Duelle mit Manchester United zählten zu den Höhepunkten des europäischen Fußballs. Doch der letzte Meistertitel war 2004, der letzte FA-Cup-Erfolg 2005. Andere Clubs wie Chelsea oder Manchester City zogen an den Gunners vorbei. Dafür ist diese Saison wieder gut – bis auf das 1:2 gegen den BVB im Emirates Stadium, dem Nachfolger von Highbury Park.
Arsenal bei
wikipedia
In der Serie "Rivalen des BVB" wird immer der Verein portraitiert, der am nächsten Spieltag in Dortmund gastiert. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich.
Am Freitag gastiert der VfB Stuttgart bei Borussia Dortmund. Das hatten wir doch schon mal, auch am Freitag unter Flutlicht. Erinnerungen werden wach an einen Freitag im März 2012, an ein großartiges Fußballspiel zwischen beiden Klubs. „März-Wahnsinn im Signal Iduna-Park“, titelte diese Kolumne nach dem 4:4 zwischen BVB und VfB. „Das war ganz großer Fußball und wenn ich einem Unbeteiligten die Faszination der Sportart erklären müsste, dann würde ich ihm dieses Spiel zeigen“, hieß es auf diesen Seiten.
Der BVB führte 2:0, spielte großartig. Doch Stuttgart gab sich nie geschlagen, suchte immer wieder die Offensive und schoss von der 70. bis zur 80. Minute drei Tore. Das Publikum trieb Borussia nach vorne wie noch nie erlebt, bis zur Nachspielzeit hieß es 4:3, ehe der VfB noch egalisierte. Natürlich hatte Dortmund die besseren Chancen, doch die Stuttgarter verdienten sich das Remis durch ihr mutiges Auftreten.
Zweimal traf Julian Schieber für die Gäste. Heute spielt er beim BVB, so eine Sternstunde hatte er im gelb-schwarzen Dress aber noch nie.
Die Heimbilanz gegen die Schwaben ist aus Dortmunder Sicht in den letzten Jahren nicht besonders gut. Da denke ich gerne an zwei großartige Spiele aus den neunziger Jahren zurück, die 5:0 und 6:3 für die Borussia endeten. Thomas Schneider, der heute Trainer der Stuttgarter, wirkte in beiden Spielen als Spieler mit.
Die Hymne des VfB mag ja nicht unbedingt den aktuellen Musikgeschmack treffen, aber vorher gibt es erhellende Worte des Abwehrspielers Klaus-Dieter Sieloff. Optisch erfüllt dieses Video so und so die höchsten Ansprüche
Aktuelles
Der Start in die Saison ging für den VfB daneben: Drei Niederlagen in der Bundesliga folgte das Aus in der Euro League-Qualifikation gegen den slowenischen Außenseiter NK Rijeka. Und was macht ein Profi-Klub in so einer Situation nach den Regeln der Branche? Richtig, er entlässt den Trainer und genau dieses machten die Stuttgarter. Bruno Labbadia – eh’ umstritten – durfte nach den drei Niederlagen gehen, Thomas Schneider übernahm den Posten. Der Neue ist ein
Mann aus den eigenen Reihen, trainierte zuletzt die B-Junioren des VfB.
Unter Schneider siegten die Stuttgarter dreimal und spielten vier Mal unentschieden. Nur im Pokal in Freibug gab es eine Niederlage. Schneider vertraut dem Rumänen Alexandru Maxim, der im 4-4-2 des VfB hinter Stürmer Vedad Ibisevic agiert, und Maxim dankt das Vertrauen mit sehr guten Leistungen. Zudem verhalf er dem dänischen Nationalspieler William Kvist zum Comeback im defensiven Mittelfeld. Dazu zählt der erst 17jährige Stürmer Timo Werner jetzt fest zum Profikader.
Keine große Rolle spielen derzeit die Neuverpflichtungen Konstantin Rausch und Mohammed Abdellaoue (beide von Hannover 96) sowie auch der vom BVB gekommene Moritz Leitner.
Historisches
Eigentlich hätte der VfB mehr aus seinen Möglichkeiten machen müssen. Aber es fehlte lange Zeit immer ein sportlich starker und kompetenter Mann im Verein, der die oft ein wenig ahnungslose Führung auf die richtige Bahn führte.
Dabei sind die Voraussetzungen für sportlichen Erfolg in der Schwaben-Metropole hervorragend: Die „Roten“ kommen aus einer der wirtschaftlich stärksten Regionen Deutschlands mit vielen hocherfolgreichen Unternehmen. Zudem hat der Verein die vielleicht beste Nachwuchsarbeit in der Liga, immer wieder drängen hochtalentierte Spieler in den Profikader.
Dennoch spielt der Klub höchstens um die Europa League denn die Champions League. Auch nach Meisterschaften konnte sich Stuttgart nicht an der Spitze festsetzen. So war es zumindest nach den letzten drei Titeln 1984, 1992 und 2007.
Die Gründe für den Absturz im Jahr danach sind vielfältig. Aber es mag auch daran liegen, dass der VfB immer ein „Überraschungsmeister“ war, der von den Schwächen anderer profitierte. Auch die Verantwortlichen traf der Erfolg reichlich unvorbereitet.
Aus Dortmunder Sicht tut natürlich der Titelgewinn 1992 weh, als sich BVB, VfB und Eintracht Frankfurt ein Dreier-Rennen lieferten und die Meisterschaft erst am letzten Spieltag entschieden wurden. Das Tor von Guido Buchwald in Leverkusen traf die Schwarz-Gelben in der Seele, zumal Stuttgart auch den wenig attraktivsten Fußball aller Titel-Aspiranten spielte. Sie hatten aber mit Fritz Walter einen Stürmer, der immer gegen die Borussia traf und von dem ich zeitweise schlecht träumte.
Meine Lieblingsanekdote über den VfB stammt jedoch aus dem Jahr 2005: Damals entließ der Klub Trainer Matthias Sammer wegen seiner unattraktiven Spielweise. Nachvollziehbar, wer an die letzten Trainerjahre Sammers in Dortmund denkt. Als Nachfolger holten die Verantwortlichen aber ausgerechnet Giovanni Trapattoni. Natürlich ein hocherfolgreicher Trainer, aber auch einer der größten Philosophen des Defensivfußballs. Das zum Thema sportliche Kompetenz der VfB-Führung.
Das Letzte
Ein Teil der Stuttgarter Fans wird den Anpfiff im schönsten deutschen Stadion schon etwas angeheitert erleben. Voraussetzung: Sie reisen mit dem
Partyzug aus dem Schwabenland an.
Die
Bilanz Dortmund – VfB Stuttgart
Fokus-Fußball
In der Serie "Rivalen des BVB" wird immer der Verein portraitiert, der am nächsten Spieltag in Dortmund gastiert. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich.
Schöner 2:1-Erfolg von Borussia Dortmund beim FC Arsenal in der Champions League. Gut, diesmal war etwas Glück dabei, aber andere nennen das Effektivität. Kein Zweifel – Arsenal ist stark angezählt. Das meinen auch die englischen Kollegen des
Fiver, dem Blog des englischen
Guardian. Den ersten Absatz habe ich mal frei übersetzt.
„Gut euch wieder zu haben, Arsenal. Ihr habt uns für kurze Zeit verwirrt mit all den ganzen Siegen. Aber kein Grund zur Panik: Das normale Leben ist wieder da und es kann mit keiner geringen Sicherheit gesagt werden, dass sich Arsenal nach dieser unglücklichen, chaotischen und unverzeihlichen 1:2-Niederlage gegen Borussia Dortmund in einer Krise befindet. Auch steigen die Zweifel, ob Arsene Wenger in seinem 65. Lebensjahr seinen Job noch beherrscht.
Diese Ein-Spiel-Negativserie ist nicht das, wofür die Fans viel Geld bezahlen. Und die Frage ist jetzt nicht so sehr, ob Arsenal sich erholen kann vor dem furchterregenden Auswärtsspiel bei Crystal Palace. Die Frage ist, ob der Klub Mitte November noch besteht, so wie es jetzt nach unten geht. Erwartet, dass das Emirates Stadium im Januar von einem großen schwarzen Loch geschluckt wird. Und dann gibt es eine neue Möglichkeit für jeden klugen Immobilien-Entwickler.“
Und so geht es dann weiter, den Rest gibt es
hier in englischer Sprache. Tomas Rosicky hat übrigens mitgespielt. Und sogar sehr ordentlich, vom
kicker gab es die Note 2. „Rosicky erinnerte an seine besten Dortmunder Tage", schrieb das Fachblatt.