Freitag, 8. Juni 2012
Solide kicker-Pflicht, leicht schwächelnde 11 Freunde-Kür
So richtig ist die schwarz-rote-goldene Stimmung noch nicht da, auch wenn Lidl-Real-Kaufland-Adler-Rewe etc. alle verstärkt die üblichen Scheußlichkeiten wie Hawai-Ketten anbieten. Nichtsdestotrotz: Die Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine beginnt heute und die Sonderhefte zum Ereignis sind schon längst auf dem Markt. nurpferdeundfussballbeschränkt sich wie in den Jahren zuvor auf die Exemplare vom kicker und den 11 Freunden.
„Tolle Tore und Triumphe“ titelt der kicker in unnachahmlicher Manier. Das bezieht sich aber auf eine DVD, die es zum Heft gibt (und die bei mir leider stumm blieb). Ansonsten ist das EM-Sonderheft der Nürnberger erst einmal verlässlich. Wer wie der Kolumnist die Hefte seit Urzeiten kennt, weiß, was ihn erwartet: Solide Berichterstattung zu den Mannschaften, fachlich ganz ordentlich, wenn auch nicht frei von Klischees. Die Stärken liegen eindeutig im sportlichen Bereich, die Diskussion um politische Probleme beispielsweise in der Ukraine findet nicht statt. Über Länder und Leute erfährt der geneigte Kicker-Leser sehr wenig.
Doch etwas ist neu: Zu jedem Spieler gibt es Kurz-Beschreibungen. „Dynamischer und kopfballstarker Innenverteidiger mit hervorragenden Zweikampfwerten. Auch als Aufbauspieler mit besonderen Qualitäten. Die zeigt er allerdings meist auf nationalem Niveau, in der Champions League und der Nationalelf noch nicht so“, heißt es beispielsweise über Innenverteidiger Mats Hummel vom BVB. Über die Einschätzung lässt sich diskutieren, dennoch ist das eine sinnige Ergänzung – auch wenn das Fachblatt den „Dortmunder“ Polen Lukas Pisczczek auf der falschen Seite postiert hat.

Schön pubertär

Irgendwie war ich etwas enttäuscht über das Heft der 11 Freunde. Das mag auch daran liegen, dass das Familienmagazin für Fußballkultur in den Jahren zuvor die Latte sehr hoch gelegt hatte. Inzwischen lese ich dort auch Geschichten
und Interviews, die auch im kicker hätten stehen können. So wie das fürchterlich lange Interview mit Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, das der kicker wenigstens auf zwei Seiten eingedampft hätte. Bei der Taktik-Story bin ich fast eingeschlafen.
Natürlich gibt es auch viele Höhepunkte, die sehr lesenswert sind. Zum Beispiel die Geschichte über die Zeit von Joachim Löw beim FC Schaffhausen, das Portrait der 80er Europameister oder der Roadtrip nach Polen und die Ukraine.
Natürlich darf der etwas pubertäre Humor des Magazins nicht fehlen. Den Brief an Franck Ribery fand ich ganz witzig, auch die Zimmerverteilung im deutschen Hotel. Suite Amselfelder, Suite Altendiez, Spielzimmer von Mario Götze – Geschmackssache, ich mag es.
Nur einer hat seine beste Zeiten leider hinter sich: Günter Hetzer, der trinkfreudige Kolumnist der vorletzten Seite, macht nur noch flaue Altherren-Witz. Und auch seine Kumpels Delle und Waldi haben schon bessere Zeiten erlebt. Ist es ihre letzte Europameisterschaft?

Fazit
Eigentlich kann ich das schreiben, was ich schon bei einigen Sonderheften der beiden geschrieben habe: Der
kicker ist die Pflicht und liefert die Daten; 11 Freunde ist zuständig für die die Kür und bietet die außergewöhnlichen Geschichten. Das trifft auch diesmal zu. Dabei gewinnt der kicker durch die Kurzbeschreibungen der Spieler fachlich weiter. Das 11 Freunde-Heft war etwas enttäuschend. Das ist aber Jammern auf hohem Niveau.

Nachtrag 9. Juni
Da habe ich dem kicker aber umsonst für eine Neuerung gelobt. Bereits 2008 hatte das Fachblatt die Kurz-Beschreibungen im Heft und ich habe das übersehen, obwohl das 2008 EM-Sonderheft griffbereit im Regal liegt. „Mea culpa“ sagt da der alte Lateiner, an der Einschätzung ändert sich aber nichts: Die Portraits ergänzen das kicker-Angebot sehr gut.



Dienstag, 5. Juni 2012
Hoffenheim: Vom Frosch zum Prinzen
„Früher waren es die Fans und die Spieler, heute sind es Kunden und Produkte“, sagt Torro und schaut dabei leicht resigniert. Die Welt hat sich verändert, auch im beschaulichen Hoffenheim – Torro ist Uraltfan der TSG 1899 Hoffenheim und einer der Hauptfiguren des Films „Hoffenheim – Das Leben ist kein Heimspiel“ von Frank Martin Pfeiffer und Rouven Rech.
Der Streifen begleitet den Verein von 2006 bis 2008: Es sind sportlich glorreiche Zeiten für den Klub des SAP-Gründers Dietmar Hopp. Vor nicht langer Zeit kickte der Verein noch in Bezirks- oder Kreisliga. doch Hopps Millionen tragen so langsam Rechnung. 2007 steigt 1899 in die 2. Liga auf, ein Jahr später folgt der Sprung in die Bundesliga. Zudem entsteht das neue Stadion in Sinsheim.
Der Film endet mit dem Spiel in die München, als Hoffenheim als Tabellenführer die Bundesliga rockte und zum Spitzenspiel bei den mächtigen Bayern gastierte. „Das Beste der Liga“, frohlockt Jochen A. Rotthaus über den DSF/Sport 1-Trailer – und kann den kometenhaften Aufstieg kaum fassen.

Gekränkt
An den besten Stellen fühlt sich der Zuschauer wirklich „mitten drin statt nur dabei“ – wenn die Geschäftsführung mit Sponsoren verhandelt, wenn sich die einzelnen Fangruppen über die zukünftige Entwicklung des einstigen Dorfklubs streiten und dieser Spagat zwischen Herz und Kalkül deutlich wird.
Natürlich spielt Dietmar Hopp – Hassobjekt vieler gegnerischer Anhänger – eine Rolle im Film, allerdings nicht die dominierende. „Dietmar Hopp, du Sohn einer H…“, skandieren die Gladbacher Fans – und aus Hopps Blick spricht das reine Entsetzen. Er ist offenbar tief gekränkt, es sieht so aus, als wenn er zum ersten Mal die Schmähungen der gegnerischen Anhänger mitbekommt - höchst eindrucksvoll.
Überhaupt keine Einblicke gibt es in den sportlichen Bereich. Trainer Ralf Rangnick äußert sich kurz im Auto, die Spieler erlebt man nur bei einem Besuch in der Tankstelle vor einem Auswärtsspiel, wo sie sich mit Süßigkeiten für die Fahrt eindecken. Darf man das als Profifußballer?
Und heute? Hopp ist immer noch sehr unbeliebt, auswärtige Fans werden allerdings per Lautsprecher übertönt und sportlich ist der Verein im Mittelmaß der Liga angekommen. Schon in der Rückrunde 2009 war der Höhenflug beendet, von den Helden von damals ist kaum noch einer im Verein. Die TSG auf dem Weg zu einem ganz normalen Bundesligisten?

Der Film lief am 4. Juni im ZDF und wie das leider auch so ist bei den Öffentlich-Rechtlichen: Gutes wird gerne sehr spät versendet. Das Ganze lief um 23.45. Zum Glück gibt es ja eine Mediathek, wo man diesen Beitrag ca. eine Woche lang noch einmal sehen kann.



Samstag, 2. Juni 2012
Unser Lied für Camelot
Bei Turf-Times gibt es immer eine schöne Rubrik, die heißt “Googeln Sie einen Sieger“. Das machen wir jetzt auch einmal und suchen nach Camelot, seit heute Nachmittag überlegener Sieger des englischen Derbys 2012 vor Main Sequence, dem Tipp dieser Kolumne. Nun muss sich jedoch das Team des Zweiten nicht schämen, denn offenbar könnte der noch ungeschlagene Schützling von Trainer Aidan O’Brien der nächste Superstar der Szene sein. Jedenfalls sah der Erfolg in Epsom mit Trainer-Sohn Joseph schon mal richtig nach Rennpferd aus – wie auch die Triumphe in den englischen 2000 Guineas oder in der Racing Post Trophy.
Nun aber zu unserer Suche: „Camelot ist der Hof des mythischen britischen Königs Artus. Die gleichnamige Sage benennt zahlreiche Personen, die an diesem Hof gelebt haben“, heißt es bei wikipedia. Da ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Filme, Bücher und Spiele das Thema vertiefen. Der witzigste und schrägste Film zum Thema kommt zweifellos von Monty Python, der englischen Komikertruppe, die sich in Ritter der Kokosnuss auf die Suche nach dem heiligen Gral begibt und natürlich auch in Camelot vorbei schaut. Und zu Ehren des neuen englischen Derbysiegers hat die wackere Truppe um König Artus, Sir Lancelot und Sir Robin ein Lied angestimmt.