James Bowen: „Hirn und Mentalität eines Champions“
Manche sprechen schon vom neuen „AP McCoy“, andere bezeichnen ihn wenig bescheiden als „Wunderkind“: Der gerade mal 16jährige Jockey James Bowen sorgt für viel Wirbel im englischen Hindernissport. Weil er trotz seines jugendlichen Alters reitet wie ein mit allen Wassern gewaschener Routinier.
Es ist eine beachtliche Sieges-Serie: Zum dritten Mal in Serie gewann James Bowen an einem Januar-Samstag ein wichtiges Rennen über Hindernisse. An einem Tag, wenn viel mehr Leute zuschauen, weil in England auch noch Rennen im Frei-TV laufen. Der Kolumnist ist zudem Bowen zu Dank verpflichtet, denn in zwei der drei Fälle hatte er sein Pferd auf dem Wettschein.
Die Serie begann vor 14 Tagen mit Raz de Maree im Welsh National in Chepstow, einem dieser Handicaps-Marathons für Pferd und Reiter. Fast 6 km auf schwerem Boden fordern schon auf der Flachen eine Menge Stehvermögen, doch hier kommen auch noch 22 schwere Sprünge hinzu. Diesmal waren es aus diversen Gründen nur 18 Hindernisse, aber dennoch war es harte Arbeit. James Bowen hatte den schon 13jährigen Raz de Maree – trainiert in Irland von Gavin Cromwell – zuerst im hinteren Bereich des 20 Pferde-Feldes gehalten, dann langsam nach vorne bewegt. In der Kurve vor der Zielgerade hatte der Wallach einen kurzen Schwächemoment, doch in der langen Geraden in Chepstow beschleunigte Raz de Maree eindrucksvoll und gewann sicher vor dem tapferen, ebenfalls 13jährigen Alfie Spinner. Das war ein Meisterritt eines Youngsters, der nur drei Jahre älter ist als sein Pferd. Natürlich war Bowen der jüngste Jockey, der jemals das Welsh National gewonnen hatte.
Ganz anders war der Rennverlauf bei seinen Erfolgen mit William Henry und Jenkins in zwei gutdotierten Hürden-Handicaps in Kempton und Ascot: Beide Pferde ritt er aus dem Vordertreffen, besonders mit William Henry hatte er innenliegend ein sehr ökonomisches Rennen. Sowohl William Henry als auch Jenkins entlockte Bowen immer neue Reserven und wehrte so die Angriffe der Konkurrenz ab. Trainer Nicky Henderson dürfte zufrieden gewesen sein.
Aus einer Renn-Familie
In der englischen Hindernisszene fehlte es nie an talentierten Nachwuchsjockeys, aber in dieser Saison sorgen einige verstärkt für Aufsehen: Bryony Frost schrieb die Geschichte mancher Renn-Samstage entscheidend mit, Mitchell Bastyan feierte ebenfalls schöne Erfolge. Doch James Bowen toppt seine begabten Kollegen doch noch etwas.
„Er ist aufgeweckt und intelligent, voller Selbstvertrauen, aber ohne Arroganz, fokussiert, aber nicht engstirnig, hellwach, geerdet und weiß, wohin er gehen will und wie er da hinkommt“, charakterisiert ihn Marcus Armytage, Racing Korrespondent des Telegraph und einst siegreicher Jockey im Grand National. Selbst in einem so unberechenbaren Sport wie Hindernisrennen habe er das Hirn und die Mentalität eines potenziellen Champion Jockeys.
Gewaltige Vorschusslorbeeren, aber James Bowen kommt aus einem Umfeld, das den Sport und seine Unwägbarkeiten kennt. Peter Bowen, sein Vater, trainiert seit 1995 Hindernispferde im walisischen Haverfordwest/Pembrokeshire, Mutter Karen war eine erfolgreiche Amateurreiterin, Bruder Mickey betreut
Point-to-Point-Pferde und Sean, der andere Bruder, ist ein erfolgreicher Nachwuchsjockey, der für Top-Trainer Paul Nicholls arbeitet.
James, der Jüngste der drei Brüder, begann mit Ponyrennen, schaffte dort 90 Siege bei 150 Ritten und wechselte im März letzten Jahres zu den ländlichen Point-to-Point-Races. Dort wurde er schnell der führende Nachwuchsreiter.
Im Mai startete Bowen dann seine professionelle Ausbildung als Hindernisjockey bei Spitzen-Trainer Nicky Henderson. Inzwischen ist er auch dort führender Auszubildender, schaffte bislang (Stand 22.Januar) 41 Siege bei 231 Ritten (Siegquote 18 Prozent) und galoppierte mit seinen Schützlingen Preisgelder von fast 500 000 Pfund ein – Daten eines zukünftigen Meisters. Aber was ist schon berechenbar im Sport?
Ein Waliser siegt im Welsh National: James Bowen triumphiert mit Raz de Maree