Mittwoch, 10. Mai 2017
Keine Zukunft für Tuchel beim BVB
Offenbar kann sich Borussia Dortmund zur nächsten Saison einen neuen Trainer suchen. Das Verhältnis zwischen BVB-Chef Hans-Joachim Watzke und seinem Trainer Thomas Tuchel scheint nicht mehr zu kitten.

Eigentlich hätte die Welt sportlich beim Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund doch in Ordnung sein müssen. Platz 3 und damit die direkte Qualifikation für die Champions League nach dem 2:1 gegen den größten Konkurrenten TSG Hoffenheim in Reichweite, das DFB-Pokalfinale nach dem triumphalen Erfolg bei Bayern München erreicht. Und auch in der Champions League schlug sich der BVB als Viertelfinalist mit dem unglücklichen Ausscheiden gegen den starken AS Monaco durchaus achtbar.
Was also trieb BVB-Boss Hans-Joachim Watzke dazu, seinen Trainer Thomas Tuchel in einem Interview mit der WAZ anzuzählen? Zwar dezent, aber schon bestimmend – und das vor dem wichtigen Spiel gegen die TSG Hoffenheim. War es persönliche Eitelkeit, weil Watzke nach dem Anschlag auf dem BVB-Mannschaftsbus als herzloser Fußball-Kapitalist in der Öffentlichkeit galt? Denn er führte gemeinsam mit der UEFA das Viertelfinal-Hinspiel gegen Monaco planmäßig durch – am Tag nach dem Anschlag. Übungsleiter Tuchel hatte das heftig kritisiert, jedoch nur die UEFA genannt und nicht Watzke. Dafür bekam der oft reichlich verschroben wirkende Tuchel von den Medien große Anerkennung, Watzke war hingegen der Buhmann.
„Teilweise“ habe ihn das schon irritiert, sagte der BVB-Chef im WAZ-Interview. Intern sei alles besprochen worden und Tuchel informiert gewesen.
Der Konflikt liegt tiefer. Spannungen zwischen dem Borussen-Trainer und seinem Boss gibt es – wenn man den meisten Medien glauben darf – schon länger. Besser also zu diesem Zeitpunkt, die Trennung von Tuchel vorzubereiten. Denn wenn die Borussia das DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt gewinnt und Trainer und Mannschaft im Triumphzug durch Dortmund fahren, wird dieser Schritt in der Öffentlichkeit nur schwer zu verkaufen sein.


Betroffen: Thomas Tuchel auf der PK nach dem Anschlag auf den Bus und dem Heimspiel gegen Monaco

Licht und Schatten
Ich bin etwas zwiespältig in der Beurteilung von Thomas Tuchel. Sportlich war das erste Jahr ganz hervorragend, die fachliche Handschrift des Trainers und seines Teams waren deutlich erkennbar. Die Dortmunder steigerten sich spielerisch, nach den glorreichen Klopp-Jahren gab Tuchel neue Impulse. Wenn der FC Bayern im letzten Jahr nicht so gut gewesen wäre, wäre der BVB ein würdiger Deutscher Meister gewonnen.
Natürlich war der Schatten von Übertrainer Jürgen Klopp groß. Vom Typen sind die beiden eben grundverschieden – der „Menschenfänger“ Klopp, der offensiv auf die Leute zuging und damit schnell die Sympathien in Dortmund gewann, und der introvertierte Tuchel, der sich nie vor der Südtribüne feiern lassen würde.
In dieser Saison sieht die Situation anders aus. Das lag jedoch zum größten Teil nicht am Trainer, denn vor der Saison verlor der BVB mit Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Hendrikh Mkhitaryan drei wesentliche Stützen der Mannschaft an noch finanzkräftigere Klubs wie den FC Bayern, Manchester City und Manchester United. Dass diese drei Pfeiler wegbrachen, traf nicht nur Thomas Tuchel hart.
Zumal die teuersten Neuzugänge wie Heimkehrer Mario Götze und Andre Schürrle schon wegen andauernder Verletzungen blass blieben. Auch der von Bayern München geholte Sebastian Rode enttäuschte und war zudem lange verletzt. Emre Mor und Mikel Merino waren eh‘ Investitionen für die Zukunft. So prägten nur der hochtalentierte Ousmane Dembele, der portugiesische Europameister Raphael Guerreiro und der von Barca geholte Marc Bartra (nach verständlichen Anfangsproblemen) das BVB-Spiel.
Die aktuelle Dortmunder Mannschaft hat einfach nicht die Klasse des Vorjahres. Sie ist talentiert, aber eben auch jung und unbeständig. In der Rückrunde liegt sie immerhin im Soll – siehe oben. Das spricht für den Trainer, der wie jeder andere auch Fehler gemacht hat.
Aber offenbar eskalierte das Ganze jetzt. Erstaunlicherweise sind die Zeitungen, die ich regelmäßig lese (Ruhr Nachrichten, kicker und Süddeutsche Zeitung), alle gegen Tuchel und für Watzke. Besonders die sonst so hochgeschätzte Süddeutsche Zeitung fällt mir da besonders auf. Man lese nur einmal diesen Text von Freddie Röckenhaus. Da wird noch mal kräftig nachgetreten. Aber SZ und kicker machten zuletzt auch Stimmung gegen Klopp. Also nichts Neues.