Mittwoch, 4. November 2015
Australischer Glamour und Dortmunder Sand
Am Dienstag trafen zwei Turf-Welten aufeinander: Frühmorgens der Melbourne Cup in Flemington/Australien, abends der PMU-Renntag in Dortmund-Wambel. Einerseits das Rennen, bei dem ein ganzer Kontinent stillstehen soll – andererseits neun Prüfungen auf der Sandbahn mit überwiegend Pferden der unteren Leistungsklasse. Aber was sind Millionen mitfiebernde Zuschauer Down under gegen vielleicht 600, 700 Unentwegte in Wambel? Deshalb fängt dieser Text auch erst einmal mit den Lehren des Renntages in Dortmund-Wambel an.

Erstaunliche Quote im ersten Rennen: Da waren offensichtlich die berühmten „Langmacher“ am Werk. Was ist damit auf sich hat, wird hier gut erklärt. Jedenfalls dürfte einige Wetter sich gefreut haben: Los Cerritos, Vega und South Carolina waren die drei meistgewetteten Kandidaten im Preis der Besitzervereinigung und liefen genau in dieser Reihenfolge ein. Am deutschen Toto gab es dafür Platzquoten von 21, 22 und 17, der Drilling (bei dem man nur diese drei Pferde auf dem Schein haben musste) zahlt erstaunliche 420:10. Zum Vergleich: die viel schwierigere Dreierwette Quote 74:10, die PMU-Platzquoten waren 12, 14 und noch mal 14, für den Drilling gab es dort gerade mal 59:10.

Erstaunliche Abstände: Am meisten an den Winterrennen in Dortmund und Neuss nervt mich, dass die Rennen oft früh entschieden sind und nur selten mal Pferde von hinten ins Geschehen eingreifen. So packende Endkämpfe mit drei oder mehr Vollblütern und das Feld knapp dahinter, so etwas gibt es im deutschen Rennwinter leider ganz selten.
So war es auch gestern in Dortmund: Die Abstände waren gewaltig, in der Regel wurde von vorne gewonnen. Manchmal gab es immerhin so etwas wie einen Zweikampf.
„Jetzt kommen die Speedpferde“, rief Bahnsprecher Pan Krischbin beim siebten Rennen ganz aufgeregt. Er muss eine Fata Morgana gehabt haben – Speedpferde auf Sand? Dabei war das Gros der Prüfungen Handicaps und eigentlich müssten die Pferde quasi so einlaufen, dass unter eine „Decke passen“. Ist aber nicht so – nächste Woche laufen wieder die selben Kandidaten, die Abstände sind wieder groß, nur diesmal gewinnt ein anderer.

Persönlicher Frust: Die erfahrene Leserin bzw. der erfahrene Leser wird jetzt vielleicht feststellen, dass der Kolumnist ein wenig frustriert ist. Das ist durchaus richtig, denn wettmäßig stand er sich diesmal selbst im Weg. Zuerst verpasste er die Siegwette auf Nottingham Forest im zweiten Rennen, weil er sich entschied, nicht zu wetten. Es folgte eine Siegwetten-Bilanz des Grauens: Shalin (Re. 3), Sitaro (Re.4), Abstynencja (Re.5), Smart Shuffle (Re. 7), Hippocrene (Re. 8), Fantastic Lips (Re. 9).
Die Krönung war das fünfte Rennen: Eigentlich wollte ich Valeron wetten, änderte aber dann diesen Tipp, weil mir die Startbox außen nicht gefiel. Also tippte ich b>Abstynencja aus der Startbox 1. Dieser verschlief den Start, lag hinter dem Feld und machte zum Schluss noch Boden gut. Aber da war Valeron mit Eddy Pedroza schon längst im Ziel. Pedroza gewann dreimal an diesem Abend, aber ich treffe mit ihm nie. Auch so eine Geschichte.

Schocksieg
Damit wären wir in Australien beim Melbourne Cup. Mit Prince of Penzance siegte ein großer Außenseiter, mit Michelle Payne gewann erstmals eine Reiterin diese Monster-Prüfung. Zweiter wurde Max Dynamite, Nachkomme einer deutschen Stute, aus dem irischen Stall von Willie Mullins und Dritter Criterion, der im Sommer auch in Europa lief. Im Mittelfeld endeten der ex-Schlenderhaner Our Iwanhoe und das Pferd mit meinem Lieblingsnamen Who Shot Thebarman.
Zum Glück ist die Verletzung des großartigen Red Cadeaux nichts Ernstes. Das Bild seines weinenden Jockeys Gerald Mosse machte die Runde. Da befürchteten viele das Schlimmste für diesen eisenharten Globetrotter, der 2014, 2013 und 2011 jeweils Zweiter im Melbourne Cup war.
2011 triumphierte bekanntlich Dunaden in Australien. Und damit haben wir eine Gemeinsamkeit zwischen Flemington und der Dortmunder Sandbahn: Denn der Wallach lief in jungen Jahren zweimal im Wambeler Winter – erfolglos.



Michelle Payne nach ihrem grandiosen Sieg: Sie sei überglücklich und dann folgt deutliche Kritik am Chauvinismus im Männer-Sport Galopprennen. Frauen können es genauso gut, sagt sie.