Montag, 30. September 2013
Nur Zidane spielte nie für OM
Es war ein schlichtweg „gebrauchter Tag“ – zumindest für alle, deren Herz Borussia Dortmund gehört. Am 28. September 2011 unterlag der BVB 0:3 in der Champions League bei Olympique Marseille. Das Ganze fiel dabei unter die Rubrik Lehrstunde.
Jetzt, zwei Jahre und ein paar Tage danach, kommt es zur Revanche. Die letzten Heimspiele des BVB in der Bundesliga waren grandiose Offensivspektakel gegen den Hamburger SV und den SC Freiburg. Aber Marseille ist doch deutlich stärker.
In Marseille im September 2011 stürmte die Borussia und vergab die besten Chancen, die cleveren Franzosen machten aber die Tore. Der kicker schrieb von „teuren Geschenken“, diese Kolumne berichtete von Dortmunder „Slapstick-Einlagen“. Beim 0:1 durch André Ayew rutschte Dortmunds Neven Subotic vorher aus, vor dem 0:2 köpfte Subotics Innenverteidiger-Kollege Mats Hummels den Ball maßgerecht in den Lauf von Remy, so dass dieser problemlos einnetzen konnte. Das 0:3 durch einen Foulelfmeter war nur noch statistisches Beiwerk.
Die Niederlage in Südfrankreich passte ins Bild: Vor zwei Jahren endete der Auftritt von Borussia Dortmund in der europäischen Königsklasse auf dem letzten Platz in der Gruppenphase. Es gab u.a weitere bittere 90 Minuten in Piräus und auch das Rückspiel im heimischen Stadion vergeigte der BVB gegen OM. Diese Spiele waren die einzigen bislang zwischen den beiden Rivalen – Borussia hat also noch etwas gut zu machen.
Die Franzosen schafften es 2011/2012 immerhin ins Viertelfinale, scheiterten dort aber am FC Bayern München. In der Liga belegte der Klub hingegen einen enttäuschenden 10. Platz.

OM aktuell
Der Start in die neue Saison verlief für Marseille erfolgreich: Nach acht Spieltagen liegt der Klub mit 17 Punkten hinter Monaco und Paris St. Germain (beide 18) auf Platz 3 der französischen Ligue 1. Zuletzt gab es ein 2:0 beim FC Lorient, allerdings schwächelte dort laut kicker die Hintermannschaft etwas. In der Champions League verpatzte OM den Auftakt mit 0:1 gegen Arsenal, steht nach dieser Heimniederlage auch schon etwas unter Zugzwang.
Von der Mannschaft, die vor zwei Jahren den BVB besiegte, sind noch Torhüter Mandanda sowie die Feldspieler Diawara, Nkolou, Morel, Valbuena sowie André und Jordan Ayew, die beiden Söhne des großen Abedi Pele, im Kader. Damalige Schlüsselspieler wie Lucho Gonzales, Remy oder Diarra haben den Klub verlassen.
Denn auch Olympiue muss sparen. Die Zeiten, in denen der Klub vom Mittelmeer den Geldprotz spielen konnte, sind vorbei. Immerhin gab es zuletzt Platz 2 in der Liga. Und diese Platzierung unter Trainer Elie Baup machte Verantwortliche und Fans glücklich – trotz zweier Niederlagen gegen Erzrivale Paris St. Germain und „unattraktiver Spielweise“ (kicker-Sonderheft Champions League).

Ein paar historische Fakten
Die französische Ligue 1 fristet in Deutschland nur ein Schattendasein, andere Ligen wie England, Spanien oder Italien interessieren eher. Olympique Marseille ist aber vielleicht der bekannteste französische Klub in Deutschland. Was auch an der Tatsache liegt, dass der Klub schon reichlich schillernde Schlagzeilen geliefert hat. OM hat eben ein sehr begeisterungsfähiges Publikum und Umfeld. Dieses neigt aber auch schnell zu Unruhe und Panik, wenn es einmal nicht so läuft. Und daher möchte man den Erfolg manchmal mit nicht so legalen Mitteln erreichen.
Zwei saftige Skandale prägen die lange Geschichte. Neun offizielle Meistertitel weist die Bilanz auf, aber eigentlich war der Klub zehn Mal französischer Champion. 1993 wurde ihnen der Titel aber wegen Bestechung aberkannt.
Dabei war das eine der erfolgreichsten Perioden der Historie: Mitte der achtziger Jahre hatte der Unternehmer Bernard Tapie das Präsidenten-Amt des damals arg kriselnden Vereins übernommen. Selfmade-Mann Tapie investierte kräftig in Spieler und lockte unter anderem die deutschen Alt-Internationalen Karlheinz Förster, Klaus Allofs und Rudi Völler ans Mittelmeer. Auch Franz Beckenbauer arbeitete eine Zeit als sportlicher Leiter für seinen Freund Tapie.



Toller Blick auf das Stade Velodrome in Marseille. Im Hintergrund sieht man eine der berüchtigten französischen Hochhaussiedlungen. Wuchs dort Zinedine Zidane auf?
Bild: Gequilacagouille/Wikipedia Commons


Vier Meistertitel in Folge waren das Ergebnis, Marseille liebte seine Helden in kurzen Hosen. Zudem sorgte die Mannschaft auch international für Aufsehen. 1991 erreichte OM das Finale gegen Roter Stern Belgrad im Europapokal der Landesmeister (für die jüngeren: so heiß die Champions League einst) und verlor nach Elfmeterschießen. Zwei Jahre später machten sie es im gleichen Wettbewerb besser und besiegten den AC Mailand in München 1:0. Mit dabei unter anderem Barthez, Desailly, Abedi Pele, Deschamps und Völler. Doch dann gab es die Affäre OM-VA, der Meistertitel wurde aberkannt und OM musste in Liga 2. Der Klub stand vor dem Ruin.
Doch Olympique erholte sich und schaffte wieder den Sprung an die nationale Spitze. Bis der nächste Skandal folgte: Es ging um illegale Transaktionen in Zusammenhang mit der Verpflichtung neuer Spieler, hinterzogene Sozialabgaben und ähnliches aus den Jahren ab 1997. Mehrere Vereinsfunktionäre wurden verurteilt.
Aber auch dieses Beben überstand Olympique Marseille. Angeblich ist der Klub der Beliebteste in Frankreich, aber solche Umfragen erscheinen mir immer ein wenig zweifelhaft. Fakt hingegen ist, dass Zinedine Zidane, zweifellos der größte fußballerische Sohn der Stadt, zwar in Marseille geboren wurde und aufwuchs, aber nie für seinen Heimatklub spíelte. Die Späher des AS Cannes waren hier etwas schneller.

Eine ausführliche Geschichte über die Zeit des Bernard Tapie bei OM gibt es bei 11 Freunde