Mittwoch, 27. März 2013
Michael Owen, Cool Britannia und die Trostpreise
Die einstige Teenage-Sensation beendet seine Karriere: Michael Owen (33, derzeit noch Stoke City) hört zum Saisonende auf. Der ehemalige englische Fußball-Nationalspieler hatte zuletzt wegen Verletzungen kaum noch gespielt.
Rückblick: Wir schreiben das Jahr 1997 und ich bin seit einiger Zeit so anglophil angehaucht wie noch nie. Zum Samstag gehört in der Regel die Rennzeitung Racing Post (und ich bin stocksauer, wenn diese mal nicht kommt oder beim Bookie bereits ausverkauft ist). Die Rennsportseiten lese ich bis zur letzten Form. Für den Sonntag habe ich die umfangreichen Sonntagszeitungen wie den Observer oder die Sunday Times entdeckt.
Es waren auch aufregende Zeiten im Vereinigten Königreich: Tony Blair kreierte „Cool Britannia“ und Fußball war auf einmal so sexy wie noch nie. Die mittleren und oberen Schichten hatten die einstige Hooligan-Sportart entdeckt, die Premiere League boomte wie noch nie, die Spitzenvereine schwammen dank eines lukrativen Fernsehvertrags mit Murdochs Sky regelrecht im Geld. Die Eintrittspreise schossen ebenfalls in die Höhe, den Leuten war es egal, sie zahlten diese Preise einfach.

Nicht nur Riedle war verzückt
Ausländische Stars wie Ruud Gullit oder der grandiose Gianfranco Zola prägten die Schlagzeilen. Selbst das einstige Sorgenkind Nationalmannschaft ließ auf einmal hoffen. 1996 verlor das Team bei der Heim-EM erst im Halbfinale (natürlich nach Penalties) gegen Deutschland, die Mannschaft um Paul Gascoigne glänzte nicht nur durch außersportliche Trinkgelage, sondern zeigte auch ordentliche Leistungen.
Das Beste schien noch zu kommen: In den Startboxen stand die talentierteste Generation seit Jahren mit etwa David Beckham, Paul Scholes oder Robbie Fowler. Selbst Nationaltrainer Glenn Hoddle symbolisierte den Aufbruch, zumal er schon als technisch versierter Mittelfeldspieler nicht gerade ein typischer Vertreter englischer Fußballkultur war. Die Nation hoffte: Irgendwann musste doch mal diese Seuche ein Ende haben und England wieder Fußball-Weltmeister werden.
1997 verbrachte ich meinen Urlaub auf der Insel, besuchte die Rennbahnen in Ascot, Chester, Newcastle und Newmarket, entdeckte, dass Fußball-Gucken im Pub richtig Spaß machen kann und las ausgiebig die britischen Fußballmagazine wie Four-Four Two. Ein Name tauchte immer auf: Michael Owen, ein Stürmer, der damals noch nicht mal 18 Jahre war. Im Mai 1997 gab er sein Premiere League-Debüt für den FC Liverpool.
„Es ist unglaublich, sich vorzustellen, dass er erst 17 ist, wenn du ihn spielen siehst“, sagte sein damaliger Mitspieler Karl-Heinz Riedle, der Owen vor seinem Wechsel nach Liverpool nicht kannte. „Er ist so ein guter Spieler, so schnell und für sein Alter schon so reif."



Ein Tor für die Ewigkeit: Owens Sturmlauf gegen Argentinien

Doch bereits im ersten Jahr erfüllte Owen alle Vorschusslorbeeren. 18 Tore schoss er in seiner ersten Premiere League-Saison und spätestens seit der Fußball-WM 1998 in Frankreich kannte ihn jeder Fußball-Fan. Dieses Tor gegen Argentinien verkörperte alle Qualitäten des Michael Owen: unheimlich schnell, unheimlich zielstrebig und eine exzellente Schuss-Technik. „Er war ein Killer mit Babyface. Sein Abschluss war erstaunlich“, urteilte Glenn Hoddle. Dennoch schied die junge englische Mannschaft gegen die abgezockten Argentinier aus – natürlich nach Elfmetern.

Trostpreise
Bis 2004 hatte Michael Owen sportlich seine beste Zeit beim FC Liverpool, traf in der Premiere League bei 216 Einsätzen 118 Mal. Doch die wichtigen Titel in England holten andere, besonders der Erzrivale Manchester United. Für die Reds blieben nur die „Trostpreise“ wie der FA-Cup oder der UEFA-Pokal. Und schon in dieser Zeit stoppten Knieverletzungen die Karriere des Stürmers.
Der erste richtige Karrierebruch kommt bei Real Madrid. Dort sitzt er meist nur auf der Bank. Die Heimkehr nach England zu Newcastle United sollte die Karriere wieder ankurbeln, doch verletzungsbedingt macht Owen in vier Jahren nur 71 Spiele, am Ende steigt Newcastle sogar aus der Premiere League ab. Auch die Zeiten bei Manchester United und zuletzt bei Stoke City waren nicht gerade von persönlichem Erfolg geprägt.
Der schnelle Angreifer teilte das Schicksal vieler Frühbegabter: Am Anfang großartig erfolgreich und irgendwann ebbt der Erfolg rapide ab. Was nicht verwundert – nur sind die Erwartungen so hoch, weil viele meinen, dass der Erfolg ewig bleibt. Da Owen aber sein Privatleben im Gegensatz zu anderen Mitspielern weitgehend unter Verschluss hielt, blieben die Negativ-Schlagzeilen weitgehend aus. Und im Gegensatz zu Cool Britannia hat Michael Owen wenigstens ansatzweise die Erwartungen erfüllt. Nur England zu einem Titel schießen – das konnte auch er nicht.
Was macht Owen danach? Gemeinsam mit seiner Frau besitzt er die Manor House Stables und lässt dort von Tom Dascombe Galopper trainieren. „Wird Michael Owen jetzt Galoppertrainer?“ rätselt schon die Turf-Times. In England ist das gar nicht so ungewöhnlich: Mick Channon war ein bekannter Fußballer in den 70er und 80er Jahren und ist jetzt ein erfolgreicher Trainer von Vollblütern. Jedenfalls zeigt Owen Geschmack, wie er seine Gagen anlegt.

Michael Owen bei wikipedia