Sie marschieren durch die Handicaps und nach jedem Erfolg fragt sich der Beobachter, ob noch weiter Luft nach oben ist. Fünf Handicapper, die mit ihren Erfolgen für Aufsehen in England und Deutschland sorgten: King’s Advice, Timoshenko auf der Insel, Mockingjay, Bolt Phantom und Lover Boy in Deutschland.
King’s Advice (Trainer Mark Johnston)
Es war der achte Sieg beim neunten Saisonstart 2019:
King’s Advice triumphierte auch im mit 100000 Pfund dotierten Qatar Summer-Handicap über etwas mehr als 2800 Meter.
Outbox war ein hartnäckiger Gegner, der Rest des gutklassigen Feldes folgte schon mit etwas Abstand. Treue Leserinnen und Leser dieser Seiten
kennen dieses Pferd natürlich. Einst in Deutschland trainiert von Andreas Wöhler, hat der Wallach in der Obhut von Trainer Mark Johnston noch mal deutlich zugelegt. Der Frankel-Sohn läuft gerne von vorne und wenn erst mal an der Spitze sind, dann kommen die Gegner nur schwer vorbei. Besonders, wenn der grandiose Joe Fanning im Sattel sitzt. Jetzt geht er als Favorit in das Ebor-Handicap in York, ein Rennen dotiert mit sage und schreibe einer Million Pfund.
Timoshenko (Trainer Sir Mark Prescott)
Der Stall von Trainer Sir Mark Prescott, einem
Urgestein des britischen Turfs, startete in diese Saison sehr schlecht. Doch so langsam kommen die Pferde in Schwung. Eine der Hoffnungen der Saison heißt Timoshenko und der bestätigte dann auch im Goodwood Cup Handicap (Class 2, 50000 Pfund) über weite 4146 Meter diesen Status. Der vierjährige Archipenko-Sohn siegte mit sehr viel Stehvermögen, auf dem so kniffligen Kurs von Goodwood fand Jockey Luke Morris innen die entscheidenden Lücken. Es war der erste Saisonstart des Wallachs und der sechste Erfolg in Serie.
Zweijährig hatte
Timoshenko 2017 vier Starts ohne Erfolg absolviert. Doch damit konnte er ganz unten im Ausgleich beginnen und so marschierte er 2018 über Strecken ab 2400 Metern durch die Handicaps – Chepstow, Ayr, Lingfield, wieder Chepstow und zum Schluss Musselburgh. Da waren die Gegner schon deutlich besser, denn es war immerhin ein Class 2-Ausgleich. Und jetzt ein weiterer Schritt nach vorne: „Es gibt keinen besseren Trainer als Mark, ein Pferd auf den Tag topfit zu bekommen“, sagte Jockey Luke Morris. Dabei war diese Prüfung wie so viele in Goodwood gespickt mit Formpferden und noch nicht erfassten Kandidaten. Geht es noch weiter? Nächstes Ziel soll das Cesarewitsch Ende Oktober in Newmarket sein.
Mockingjay (Trainer Marco Angermann)
Über
Mockingjay und seine Besitzerin Steffi Schröder gibt es bei
Galopponline eine schöne Story, die beste Werbung für den Turf ist. Weil sie den Enthusiasmus gerade vieler kleiner Besitzer wunderbar schildert – und weil die Geschichte natürlich auch viele Herz-Schmerz-Momente hat. Lutz Pyritz hatte das Pferd für Steffi Schröder auf der Auktion in Iffezheim ausgesucht und sollte es auch trainieren. Doch dann starb Pyritz Anfang Juni 2018,
Mockingjay wechselte zu Frank Trobisch und gewann 2018 in Bad Harzburg und Leipzig seine ersten Rennen.
In diesem Jahr verbesserte sich
Mockingjay – nun im Training bei Marco Angermann – noch mal deutlich. Im Düsseldorfer Ausgleich 2 am Diana-Tag feierte der Soldier Hollow-Sohn mit Bauyrzhan Murzabayev in einem Herzschlagfinale Erfolg Nummer 5 in Serie. Der Wallach siegte in Hoppegarten, Hannover, Baden-Baden (alle Ausgleich 3), Hamburg und Düsseldorf (beides Ausgleich 2). Und so langsam gehen die Startmöglichkeiten in Deutschland aus. Weil es hier so wenige Ausgleich 1-Prüfungen gibt.
Bolt Phantom (Trainer Lucien van der Meulen)
Die letzte Form aus Deauville war nicht mehr so gut, die zweiten Plätze (unter anderem im Ausgleich 1) beim Hamburger Derbymeeting waren aller Ehren wert. Davor hatte
Bolt Phantom – der Top-Sprinter Usain Bolt stand offenbar bei der Namensgebung Pate – eine tolle Siegesserie hingelegt. Fünf Rennen nacheinander gewann das Pferd von Trainer Lucien van der Meulen 2018 und 2019 – Dresden, zweimal beim Meeting 2018 in Hamburg, Krefeld und dann im Juni 2019 in Baden-Baden. Aus dem Ausgleich 4 in den Ausgleich 1 auf Distanzen bis 1400 Metern, der England-Import zählt zur schnellen Brigade.
Auf der Insel kam
Bolt Phantom für Trainer Ismail Mohammed über Ansätze nicht hinaus, lief immerhin in den Windsor Castle Stakes während Royal Ascot. Doch er blieb zweijährig sieglos, pausierte 2017 und kam dann zu van der Meulen nach Rijkevoort in den Niederlanden. Der Mann hat ein Gespür für solche Kandidaten,
Bolt Phantom fand schnell zur Form und marschierte durch die Handicaps.
Lover Boy (Trainer Pavel Vovcenko)
Es ist schön erstaunlich. Bei Anna Schleusner-Fruhriep zeigte
Lover Boy in sechs Starts noch nicht einmal einen Ansatz, doch beim ersten Start in Baden-Baden für Pavel Vovcenko war der Campanalogist-Sohn sofort – zu erstaunlich niedrigen Odds – erfolgreich. Der Sieg mit Bauyrzhan Murzabayev fiel überlegen aus und da konnte der Betrachter schon ahnen, dass Lover Boy mehr als nur Ausgleich 4 kann. Das zeigte er dann im Hamburger Ausgleich 3 mit dem Erfolg gegen
Anarchy. Und es kam noch besser: Zwei „Superhandicaps“ (dotiert mit jeweils 20000 Euro) holte sich der Wallach während der Harzburger Rennwoche. Mitbesitzer Stephan Ahrens wird das besonders gefreut haben, denn er ist Präsident des Harzburger Rennvereins und Heimsiege sind eben besonders schön. Und vielleicht kann
Lover Boy noch mehr als Ausgleich 2. Stephan Ahrens hofft das jedenfalls
Vorbereitungszeit im Fußball ist auch die Zeit der Sonderhefte zur kommenden Saison. nurpferdeundfussball hat die Sonderhefte von kicker und 11 Freunde gelesen.
Das Sonderheft des
kickers ist der Klassiker – „das Original seit 1963“ steht auf der Titelseite. Seit 1974 kaufe ich es und auch in Online-Zeiten nutze ich es regelmäßig in der Saison – dank Smartphone allerdings deutlich weniger als früher. Dennoch würde ich nie auf die Idee kommen, mir etwa das Sonderheft der
Sport Bild zu kaufen. Das
kicker-Sonderheft gehört zum Sommer.
Das Titelbild mit der Meisterschale ist immer das Gleiche, die Stecktabelle ist „Kult“ und schon seit Ewigkeiten im Heft. Jeder Bundesligist wird ausführlich mit Mannschaftsfoto vorgestellt, ähnliches gilt für die Teams der 2. und 3. Liga, die aber weniger detailliert präsentiert werden.
Doch die Heftstruktur ist diesmal neu. Früher kamen erst die Texte über alle Teams der ersten Liga, dann folgten die Fotos, Kader und Statistiken zu jedem einzelnen Bundesligisten. 2019 ist das anders: Jetzt sind Text, Foto, Kader und Statistik quasi ein Block. Das ist gut, erspart das Umblättern nach hinten und zurück, denn so habe ich früher das Heft gelesen. Ebenfalls sehr gut: Die Seite „Wir freuen uns“, wo sieben
kicker-Redakteure schreiben, worauf sie in der neuen Saison besonders gespannt schauen.
Ansonsten ist es
kicker-Standard: Die Texte sind meist ganz informativ, ohne in die Tiefe zu gehen. Etwas mehr Struktur wäre mir lieb, es gibt keine inhaltlichen Vorgaben. So kann jeder Redakteur eigene Schwerpunkte setzen – mal gelingt das gut, mal weniger.
Manche Geschichten hätten zudem etwas gestrafft werden können: So ein Exklusiv-Interview mit Bayern-Trainer Niko Kovac klingt zwar gut, allerdings gibt sich der Bayern-Trainer ziemlich zugeknüpft. Zwei Seiten hätten es auch getan.
Fazit: Gewohnt solide Arbeit mit einigen gelungenen strukturellen Veränderungen und kleinen Schwächen. Dennoch ein guter Begleiter mit allen Fakten zur Spielzeit.
Ist der
kicker sozusagen die Pflicht zur neuen Saison, sind die
11 Freunde quasi die Kür. Das Magazin für Fußballkultur hat einen speziellen Humor, den man mögen muss. Das Cover Balli Balli erinnert an die 70er Jahre-Quizsendung Dalli Dalli, nur statt Hans Rosenthal führt Uli Hoeneß durch die Sendung und sitzen dort Hans-Joachim Watzke, Jörg Schmadtke und Max Eberl als Kandidaten. Die Filmplakate mit den Fußballern und die TV-Vorschau sind nicht neu, ich finde sie aber immer noch gut.
Es gibt einige sehr gute Reportagen, allen voran das Portrait des neuen Schalker Trainers David Wagner. Die Interviews bei den
11 Freunden schlagen die im kicker immer um Längen. Die Themenmischung passt einfach: Hummels, der Bayern-Fanclub, die letzten Worte des Alf Mintzel vom SV Wehen – nur einige Höhepunkte.
Dazu gibt es wieder ein Extraheft „Alles zur Saison“, in dem Fans ihre Erwartungen schildern. Das Beste sind aber die alten Mannschaftsbilder inklusive der humorigen Bildunterschriften. Kostprobe zum Bild des FC Bayern aus dem Jahr 1971: „Die Auswahl der Gesamtschule Untergiesing vor dem funktionalen Oberstufentrakt. Links Schülersprecher Uli H., rechts der strenge, aber gerechte Physiklehrer Udo L., der in seiner Freizeit die lausbübischen Pennäler trainiert." Wie gesagt, den Humor muss man mögen.
Fazit: Zuletzt haben mich manche
11 Freunde-Hefte nicht so überzeugt. Zu sehr kennt man die Machart inzwischen. Aber hier passt die Mischung wieder: Sehr gute Geschichten, manchmal etwas pubertärer Humor, den ich aber mag. Und die
11 Freunde bringen Geschichten, an die
kicker und
Sport Bild nie rangehen. Das ist eine besondere Qualität.