Nica, Anapurna, Aidan O’Brien, Itobo – viermal ganz großer Sport
Warum wir den Turf lieben? Das lange Wochenende mit spannenden Rennen lieferte für diese Frage genug Antworten. Eine Chronik der tollen Tage in Deutschland und England, eine Tour von Dortmund über Epsom nach Iffezheim bzw. Baden Baden.

Donnerstag: Dortmund
Himmelfahrt-Renntag in Dortmund: 16000 Zuschauer sind laut Dortmunder Rennverein da, es ist so voll, dass es schon keinen Spaß mehr macht. Die Dortmunder Sparkasse verteilt zu diesem Renntag immer massenweise Freikarten, das Ergebnis: Menschentrauben überall. Auf dem Rasen, vor den Wettschaltern, vor den Imbissbuden. Die hohe Besucherzahl ist Fluch und Segen. Die Infrastruktur kommt an ihre Grenzen.
Doch es gab diese magischen Momente. Zum Beispiel im GP der Sparkasse Dortmund: In früheren Jahren war das Listenrennen mal eine schöne Derbyvorprüfung, aber seitdem Baden Baden meint, auch so etwas haben zu müssen, gibt es diese nicht mehr. Seit einiger Zeit treffen sich im Großen Preis ältere Stuten über 1600 Meter.
Madita mit Eddie Pedroza schien den Siegespreis schon in der Taschen zu haben, doch dann kämpfte sich die lange führende Nica mit Carlos Henrique noch mal mit viel Kampfgeist vorbei und gewann noch sicher. Herzschlagfinale und nicht nur weil der Kolumnist Nica gewettet hatte, ein großer Moment. Ihr Trainer Dr. Andreas Bolte ist jemand, der schon seit Jahren exzellente Arbeit leistet und der eigentlich mal ein richtig Top-Pferd verdient hätte. Obwohl Nica schon ordentliche Klasse – Listenrennen – hat.

Freitag: Epsom (Oaks)
Vielleicht hat Frankie Dettori ja am Donnerstag deutsche Rennen geguckt, wahrscheinlich aber nicht. Jedenfalls hatte sein Erfolg in den englisches Oaks (Gruppe 1, 2420 Meter) in Epsom schon gewisse Parallelen mit dem Dortmunder Sieg von Nica. Denn auch Anapurna schien schon von der Favoritin Pink Dogwood aus dem mächtigen Aidan O’Brien-Quartier geschlagen, doch dann zog die Frankel-Tochter auf der anstrengenden Epsom-Gerade noch einmal gewaltig an und hatte am Ende die Winzigkeit eines Halses Vorsprung. Siegentscheidend waren Wille, Kampfgeist und die grandiose Assistenz von Dettori, der auch mit 48 Jahren noch immer erste Klasse ist. Trainer John Gosden hat eine weitere großartige Stute im Stall und nicht immer siegt O’Brien, der die Plätze 2 und 3 belegte.
Anapurna war mein Sieg-Tipp und das war Balsam auf meine schlechte Epsom-Bilanz. Denn die englische Derby-Bahn war in den letzten Jahren wettmäßig eine meiner schlechtesten. Und der Tag begann auch fast wie gewohnt: Im Coronation Cup (Gruppe 1, 2420 Meter) lief Old Persian (auf den ich richtig Mumm hatte) auf dem hügeligen Kurs ziemlich blass und war früh geschlagen. Nach einem perfekt abgestimmten Ritt von Andrea Atzeni überrannte Defoe noch den Favoriten Kew Gardens (natürlich trainiert von O’Brien). Auch das war großes Kino.



Ein weiterer Meilenstein einer großen Karriere: Frankie Dettori triumphiert mit Anapurna in den englischen Oaks

Samstag: Epsom (Derby)
Der Derby-Tag begann wunderbar: Mein Tipp Le Don De Vie gewann leicht das Investec Private Handicap und ich hatte ihn nicht nur Sieg gespielt, sondern auch in eine Siegschiebe mit Bangkok im Derby platziert. Beide Pferde trainiert Andrew Balding und das ist jemand, dessen Pferde ich immer gerne spiele. Doch im Epsom Derby hatte Bangkok schon früh keine Chance, vorne bestimmte die Aidan O’Brien-Armada wie so oft das Geschehen. Am Ende kamen vier der ersten fünf von Ballydoyle – nur der Zweite Madhmoon des irischen Kollegen Kevin Prendergast durchbrach die Phalanx.
Es siegte Anthony van Dyck, der mit Wahnsinns-Stehvermögen die Zielgerade entlang marschierte und der alle Angriffe abwehrte. Im Sattel saß der famose Seamie Heffernan, der seit gefühlt 100 Jahren für Ballydoyle reitet und endlich seinen ersten englischen Derbyerfolg feiern durfte. Dahinter folgten Madhmoon und dann die O’Brien-Schützlinge Japan, Broone und Sir Dragonet, die ersten fünf Kandidaten trennten keine Länge. Es war der siebte Derbysieg für Aidan O’Brien, der Mann ist schon jetzt eine Legende. Seine Fähigkeit, Pferde in den wichtigsten Rennen in Bestform zu bringen, ist phänomenal.
Aber der beste Trainer ist ohne ein fähiges Team nichts – und das weiß der bescheidene O’Brien sehr genau. Und das betont er immer wieder. Die
Freude, die er für seinen siegreichen Jockey empfindet, wirkt aufrichtig.

Sonntag: Baden Baden
Der Sonntag lief dann bei mir eher auf Sparflamme. Obwohl noch ein interessanter dritter Tag in Baden-Baden mit dem Großen Preis der badischen Wirtschaft und dem Derby-Trial auf dem Programm stand. Im Derby-Trial fand ich besonders den hochgehandelten Peppone sowie Moonlight Man interessant. Beide enttäuschten mehr oder weniger, den Sieger Accon habe ich völlig unterschätzt.
Der Große Preis der Badischen Wirtschaft war für mich mehr ein Rennen zum Gucken. Es war ein toller Erfolg von Itobo, einen siebenjährigen Wallach von Trainer Hans Jürgen Gröschel. Das war sein bislang größter Erfolg und auch für Marco Casamento war es nach seinem Hoppegarten-Malheur ein großer Moment. Der Gröschel-Schützling hatte sich durch die Handicaps nach oben gekämpft, sein Trainer hat ihn geschickt aufgebaut. Ist doch schön, dass in der kurzlebigen Flachszene ein Pferd mit sieben so ein Rennen gewinnt.
Itobo schlug immerhin den hochgehandelten Royal Youmzain und den einstigen Derbysieger Windstoß, der einen etwas glücklosen Rennverlauf hatte.