Ein Lob der Stallform
Außenstehende schütteln darüber oft den Kopf, aber die These stimmt: Läuft eines oder laufen mehrere Pferde gut und gewinnen sogar, dann zieht das auch ihre Artgenossen mit. Diese siegen dann ebenfalls, auch wenn andere Mitbewerber vielleicht bessere Vorformen haben. Am letzten Wochenende gab es in England ein gutes Beispiel für gute Stallform: Sieben Pferde sattelte Trainer Gary Moore Freitag und Samstag in Sandown. Sechs Mal triumphierte das Quartier aus Lower Beeding, West Sussex.

Manchmal wären Tipps von außen ganz nützlich. Zum Beispiel am Samstag vor einer Woche. „Mein Freund“, hätten ihnen eine Stimme von außen zugeflüstert, als sie gerade das Rennprogramm des Tages begutachteten. „Wette die Pferde von Gary Moore in Sandown. Flute Bowl, Ar Mad und zur Krönung des Ganzen Sire De Grugy in der Tingle Creek Chase. Neben Siegwetten machst du noch eine Siegschiebe auf die drei. Der Trainer hat großartige Form, gestern hat er mit drei Startern drei Rennen gewonnen.“
Hätte man diese Tipps befolgt und eine Siegschiebe für fünf Euro gespielt, hätte man fast 1950 Euro gewonnen. Keine schlechte Rendite, aber natürlich blieb die Stimme von außen ungehört.
Weil es gegen jedes dieser Pferde auch Gegen-Argumente gab: Flute Bowl lief etwa in einem sehr ausgeglichen besetzten Stuten-Handicap, Ar Mad traf in der Henry VII Chase (Gr. 2) auf hoch eingeschätzte Kandidaten prominenter Stelle und Stallcrack Sire De Grugy enttäuschte beim Saisonauftakt wie in der Saison zuvor.

Familiensache
Trainer Gary Moore gilt als harter Arbeiter, zählt aber nicht zu den Großen der Branche. Der Stall ist ein Familienbetrieb – Vater Coach, die Söhne Jamie und Joshua reiten, ein weiterer Sohn ist der Top-Flachjockey Ryan Moore, trainiert werden sowohl Hindernis- als auch Flachpferde. Karinga Bay war zu Beginn der neunziger Jahre ein bekanntes Pferd, das unter anderen den Großen Preis der Dortmunder Wirtschaft gewann. Aber in der Regel betreute Moore schwächere Kandidaten, die Erfolge von Sire De Grugy in den Grade 1-Prüfungen waren die bislang größten seiner Karriere.
Aber am Samstag lief alles optimal: Flute Bowl gewann sicher, Ar Mad sprang und galoppierte die Kontrahenten von der Spitze aus müde und der Sire profitierte auch ein wenig vom Pech seines Rivalen Special Tiara, überstand zudem eine Überprüfung. Der Kolumnist hängte sich zumindest beim Sire mit einer Wette rein, obwohl Special Tiara sein Mumm war. Aber die Frage stellt sich dennoch: Hat der Moore-Schützling, das überragende Pferd der Saison 2013/2014 über die kurze Jagdstrecke, wieder an die Bestform anknüpfen können? Oder haben ihn die guten Leistungen seiner Kollegen beflügelt?

Spezialisten
Für Außenstehende ist das Thema Stallform schon ein Phänomen: Warum sollten Pferde auf einmal schneller als die Konkurrenz laufen, nur weil der Stallgefährte auf einmal siegte. Den Kollegen, den sie eigentlich gar nicht kennen?
Erklärungen sind schwer, doch Beispiele, dass sich Pferde eines Stalles beflügeln können, existieren viele. Die andere Seite: Alle Pferde eines Quartiers laufen schlecht. Dafür gibt es eher Gründe: Etwa ein Virus im Stall, der alle Insassen beeinträchtigt.
Beim Thema Stallform fällt einem der Begriff Meeting-Spezialist ein – etwas, das sich auch in Deutschland beobachten lässt. In Baden-Baden fällt da etwa der Name Hans Jürgen Gröschel, dessen Starter oft durch die Bank gut laufen. Vor ein paar Jahren räumten mal dort die Handicapper von Besitzer-Trainer Christian Peterschmitt, ebenso die Pferde von Nadine Verheyen vom Stall Molenhof. Die leider verstorbenen Dortmunder Trainer Uwe Stoltefuß und Norbert Sauer waren jahrelang ebenfalls Spezialisten, dessen Starter auf den Meetings in Baden-Baden und Hamburg zu beachten waren und oft sehr gut liefen.
Manche Trainer sind erwiesene Frühstarter, bei anderen kommen die Pferde erst im Herbst in Bestform. Und andere haben eben nur an einem Tag ihre Pferde in Top-Form. Jedenfalls hat es sich in den Jahren bewährt, bei Tipps die Stallform einzubeziehen. Manchmal funktioniert es nicht – in den meisten Fällen aber doch.
Alle kamen bei Trainer Moore übrigens auch nicht durch: Leo Lunar endete im letzten Rennen im englischen Sandown im geschlagenen Feld. Obwohl die Wetter das Pferd ziemlich runter im Kurs gewettet hatten, wurde es nicht mit dem vierten Sieg für das Quartier. Aber sonst war es ein Wochenende, dass der englische Hindernis-Trainer und sein Team ihr Leben lang nicht vergessen werden. „Sandown ist die beste Rennbahn der Welt – zumindest für uns“, sagte ein glücklicher Moore.