Es naht die große Zeit der Youngster im Turf. Denn wenn sich die Galoppsportsaison – zumindest die auf dem grünen Rasen – dem Ende nähert, rücken die Zweijährigen in den Mittelpunkt des Interesses. Wobei es schon traditionell große Unterschiede zwischen Deutschland und England gibt: In unserem Land spielen die Prüfungen für den Nachwuchs eine eher untergeordnete Rolle, auf der Insel laufen die jungen Vollblüter ab dem ersten Renntag der grünen Saison – und diese beginnt im März. Ein Blick auf die wichtigsten Rennen des Herbstes für den Nachwuchs in Deutschland und England.
Früher war Frühreife kein Merkmal der deutschen Zucht, Deckhengste wie Big Shuffle, Dashing Blade und einige hochdotierte Auktionsrennen haben das ein wenig verändert. Dennoch ist der Unterschied zu England allein von der Zahl der Rennen gewaltig.
So haben nur vier Prüfungen für diese Altersgruppe in Deutschland Gruppen-Status. Und dann auch noch die niedrigste Einstufung, also Gruppe 3. Eine davon, das Zukunfts-Rennen in Baden-Baden, ist schon wieder Geschichte. Wie so häufig, gewann ein Gast aus dem Ausland. Mark Johnston, in diesem Jahr bei den Jüngsten offenbar gut aufgestellt, trainierte die Siegerin. Die drei wichtigsten Prüfungen auf deutschen Bahnen:
Preis des Winterfavoriten, Köln, 11.10., 1600 Meter, Preisgeld 155 000 Euro, Gruppe 3: Die wichtigste deutsche Zweijährigen-Prüfung für die Hengste. Der Sieger dieses Rennens erobert traditionell eine Top-Position in der Jahrgangs-Hierarchie. Zumindest über Winter, allerdings waren die Gewinner der letzten Jahre wie Brisanto, Born to Run und Limario dreijährig nicht unbedingt Top-Pferde. Zuletzt schaffte Precious Boy 2007/2008 den Sprung zum klassischen Mehl-Mülhens-Sieger. Das Doppel Winterfavorit – Derby holte sich zuletzt 1994/1995 Lavirco, auch Lando hatte 1992/1993 die Nase in diesen beiden Prüfungen vorn. Aber oftmals gewannen Pferde, die zweijährig ihre beste Zeit hatten. In diesem Jahr heißt der Favorit Noor Al Hawa, der im Düsseldorfer Junioren-Preis den Gegner davon eilte.
Der unvergessene Adi Furler kommentiert den Winterfavoriten aus dem 1983. Es muss ein Samstag gewesen sein, denn am Ende stellt Furler auch noch die Starter für den Kölner Preis von Europa am Sonntag vor. Ich weiß nicht, ob der Beitrag in der Samstags-Sportschau oder „nur“ regional im WDR lief. Sicher ist aber, dass der überlegene Sieger Lagunas ein Jahr später auch das Deutsche Derby gewann.
Preis der Winterkönigin, Baden-Baden, 18.10., 1600 Meter, Preisgeld 105 000 Euro, Gruppe 3: Das Pendant zum Winterfavoriten für die Stuten. Seit 2004 wird es in Baden-Baden gelaufen, davor rückten die Pferde in Mülheim in die Boxen. Das Rennen gibt es erst seit 1959. In den letzten sechs Jahren siegten entweder Trainer Andreas Löwe oder Trainer Andreas Wöhler, beide waren jeweils dreimal erfolgreich. Obwohl oft gute Pferde die Winterkönigin gewonnen haben, ist die klassische Ausbeute der Siegerinnen erstaunlich gering. Das letzte Double Winterkönigin – 1000 Guineas schaffte 1992/1993 Quebrada, trainiert vom großen Heinz Jentzsch. 1990/1991 triumphierte Martessa sowohl in Winterkönigin als auch Diana – trainiert von einem gewissen Andreas Wöhler. Immerhin schafften die Winterköniginnen 2013 (Diamond Dove) und 2010 (Djumana) ein Jahr später zweite Plätze in der Diana.
Herzog von Ratibor-Rennen, Krefeld, 8.11., 1700 Meter, Preisgeld 55 000 Euro, Gruppe 3: Eine richtige Traditionsprüfung, seit 1949 in Krefeld beheimatet. Terminlich fast am Ende der Saison, zieht es häufig die etwas späteren Zweijährigen an. Wenn man durch die Liste der Sieger und Platzierten schaut, tauchten dort in letzter Zeit Namen auf, die später große Karriere machten: Protectionist (Zweiter 2012), der spätere Melbourne Cup-Sieger. Oder Pastorius, Gewinner 2012 und ein Jahr später Derby-Held in Hamburg. Noch ein paar gute Namen in der Siegerliste: Der beim Winterfavoriten schon erwähnte Precious Boy (1992), Alkalde (1987), Zampano (1986) oder Lirung (1984).
Die Top-Rennen in England Middle Park Stakes, Newmarket, 26.9., 1207 Meter, Preisgeld 180.000 GBP, Gruppe 1: Die Gruppe 1-Prüfung für die schnelle Brigade der Zweijährigen. Klarer Favorit für das Rennen am Samstag ist Shalaa aus dem Stall von John Gosden, bereits ein Gruppe 1-Sieger in Deauville und davor ein leichter Gewinner in den Richmond Stakes (Gr. 2) in Goodwood. Klassische Hinweise sollte der Beobachter nicht erwarten, Rodrigo de Trianos Double mit den 2000 Guineas 1992 war eine Ausnahme. 1600 Meter sind für das Gros der Starter in der Regel viel zu weit. Viele Sieger der Middle Park Stakes waren später erfolgreiche Deckhengste, die besonders schnelle Zweijährige produzierten: Dark Angel, Dutch Art, Oasis Dream, Bahamian Bounty oder Diesis sind nur einige Beispiele. Letzterer gewann übrigens auch die Dewhurst Stakes.
Ein seltenes Doppel: Diesis war 1982 sowohl in den Middle Park Stakes als auch im Dewhurst (siehe Video) vorne
Dewhurst Stakes, Newmarket, 10.10, 1408 Meter, Preisgeld 360 000 GBP, Gruppe 1: Die Dewhurst Stakes auf der Rowley Mile in Newmarket sind das prestigereichste Rennen für Youngster auf der Insel. Die Siegerliste ist voller herausragender Pferde, die später in klassischen und Gruppe 1-Prüfungen vorne waren. Nur einige Namen der letzten 15 Jahre: Dawn Approach (2012), New Approach (2007), Teofilo (2006), Sir Percy (2005), Sharmardal (2007), Rock of Gibraltar (2001). Und natürlich Frankel (Erster 2010), das beste englische Vollblut der letzten Jahre. Für ihn war es der Auftakt zu noch größeren Taten.
Racing Post Trophy, Doncaster, 24.10., 1600 Meter, Preisgeld 200 000 GBP, Gruppe 1: Die Racing Post Trophy ist das zweite wichtige Rennen für Youngster mit klassischen Ambitionen. Im Gegensatz zu den Dewhurst Stakes fehlt jedoch die Tradition, erst 1961 wurde die erste Trophy gelaufen. Seit 1989 sponsert die bekannte englische Rennzeitung das Rennen. Ende Oktober kann in Doncaster der Boden schon mal ziemlich schwer sein, da wird von den Youngstern einiges an Stehvermögen verlangt. Immerhin fünf Pferde schafften das Doppel Racing Post Trophy – Epsom Derby, das wären Camelot, Authorized, Motivator, High Chaparral und als erster Reference Point. Der letztjährige Gewinner Elm Park enttäuschte allerdings dreijährig, der Boden für ihn war 2015 nie weich genug.
Quellen: Galopp-Sieger, Wikipedia, eigene Recherchen