Das war ein wirklich gelungenes und sehenswertes Portrait, das der NDR letzte Woche über den deutschen Top-Jockey Andrasch Starke ausstrahlte. Vom „Hallodri“ zum verantwortungsvollen Familienvater – Starke kommt sehr ehrlich in diesem Film rüber und wirkt richtig eloquent. Ein Reiter der Extraklasse war er immer, auch in seinen „wilden Zeiten“ als Porsche-Fahrer.
Mein erstes „Starke-Erlebnis“ hatte ich noch in Studentenzeiten, Ende der achtziger Jahre, Anfang der neunziger Jahre. Das genaue Datum weiß ich nicht mehr, aber es war im Winter auf der Sandbahn in Dortmund. Es war schon dunkel und auf dem Programm stand ein Rennquintett-Rennen. Dort lief
Fletcher, ein schon etwas älterer Wallach und im Sattel saß ein junger Mann namens A. Starke, von dem ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Als die Jockeys aufsaßen, habe ich mir den Reiter mal genauer angeschaut. Der Eindruck: Sehr jung und damit noch reichlich grün.
Doch Starke steuerte Fletcher zum Sieg und wirkte so souverän, als wenn er sein ganzes Leben schon Rennen geritten hätte. Ich gewann über 100 DM, weil ich den Einlauf getroffen hatte und der Name Andrasch Starke war mir danach geläufig. Ein hochtalentierter Mann, den man sich merken sollte.
Starke machte nach seinem Dortmunder Glanzritt bekanntlich große Karriere. Erst bei Bruno Schütz, nach dessen Tod bei seinem Sohn Andreas Schütz und später dann bei Peter Schiergen. Alles Top-Adressen des deutschen Rennsports und eigentlich ist es kaum vorstellbar, dass so ein Hochbegabter durch die erste Rennreiter-Prüfung rasselte.
Natürlich habe mich als Wetter auch schon über manchen Ritt von Herrn Starke aufgeregt. Das ist normal und oftmals ist ein paar Minuten später die Aufregung vorbei. Weil eben nur einer gewinnen kann und auch ein Top-Mann auf einem unterlegenen Pferd keine Wunderdinge vollbringen kann.
Bei Andrasch Starke überwiegen aber ganz klar die positiven Erlebnisse. Nicht umsonst ist der Mann
mehrfacher Championjockey. Einer seiner größten Qualitäten ist es, dass er sein Pferd schon frühzeitig in eine gute Position steuert. Am liebsten direkt hinter der Spitze, da ist die Gefahr einer Behinderung geringer.
Der Derby-Erfolg mit Samum: Starke kommt außen. Genauso legendär ist die Reportage von Manfred Chapman.
Während zum Beispiel seine Kollegen Adrie de Vries oder noch extremer Jamie Spencer oder Richard Hughes gerne vom Ende des Feldes kommen, sieht man solche Rennen bei Andrasch Starke weniger. Die Taktik, mit viel Speed das Feld von hinten aufzurollen, sieht viel spektakulärer aus, kann aber auch häufiger in die Hose gehen.
Starke setzt eher auf Sicherheit. Zudem ist er ein hervorragender Finishreiter und im Endkampf nur schwer zu schlagen.
Danedream
Zudem reitet keiner den Derby-Kurs in Hamburg-Horn so gut wie der gebürtige Stader. Sechs Mal gewann er das Deutsche Derby, besonders mit Trainer Andreas Schütz bildete er im wichtigsten Rennen des deutschen Turfkalenders ein perfektes Team. Schütz schaffte es, seine Pferde punktgenau auf diese Prüfung vorzubereiten und Starke war dabei der geniale „Vollstrecker“. Sein letzter Derbyerfolg – der allerdings schon für Trainer Peter Schiergen – mit
Lucky Speed demonstriert exemplarisch das Händchen für den Derby-Kurs: Es war ein taktisch perfekter Ritt.
Später folgte dann der Erfolg auf
Danedream im Prix d’Arc de Triomphe, der sein internationales Renommee noch mal merklich verbesserte. Dabei haben es deutsche Reiter im Vergleich zur internationalen Jockey-Elite in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal richtig schwer. So gab es vor dem Start im King George 2012 in Ascot wahrlich Leute, die den Jockey Starke als Schwachpunkt identifizierten und lieber einen ausländischen Top-Jockey der Kategorie Dettori oder Peslier im Sattel sehen wollten. Zum Glück wussten Trainer und Besitzer, was sie an ihrem Stalljockey hatten. Das Ergebnis ist bekannt: Danedream triumphierte auch im King George.
Dennoch wäre es eine spannende Angelegenheit gewesen, wenn Starke mal über längere Zeit in England gegen die dortigen Top-Leute geritten wäre. Ich glaube, er hätte sich durchgesetzt, aber dazu gehört auch immer der Faktor Glück.
Jedenfalls ist es schön, dass er nach seiner ernsten Verletzung wieder fit ist und das
Comeback erfolgreich war. Denn Jockey sein heißt auch leiden: So ist ein Maximalgewicht von 55 kg bei einer Größe von etwa 1,70 Meter schon eine Tortur. In dieser Sache sind Jockeys bedauernswert, aber es zeugt von enormem Enthusiasmus, dass sich ein Andrasch Starke das immer noch antut. In der Dokumentation sagt er übrigens einen Satz, den finde ich besonders toll: „Ohne die Liebe zum Pferd könnte man diesen Job gar nicht machen.“
Ich stimme zu, das Porträt des NDR war - wenn ich so überlege, was in den letzten Jahren über den Rennsport im deutschen Fernsehen zu sehen war - herausragend. Ich persönlich habe ja nur den "späten Andrasch" mitbekommen. Wir können sicher froh sein, dass er uns noch ein wenig als Jockey erhalten bleibt. Danke daher auch für diesen Blogartikel, zumal Starke interessanterweise in den einschlägigen Foren seit einiger Zeit nicht mehr stattfindet. Scheint mir fast an mangelnder Polarisation zu liegen, wer hätte das gedacht?