Es ist nicht so, dass die
Bild am Sonntag, Deutschlands auflagenstärkste Sonntagszeitung, regelmäßig über Galopprennen berichten würde. Am letzten Wochenende gab es zum Beispiel das St. Leger in Dortmund, immerhin ein „klassisches“ Rennen. Davon stand keine Zeile im Blatt. Selbst das Deutsche Derby in Hamburg, das wichtigste Rennen des Turfkalenders, schaffte es nicht mehr in den fußball-dominierten Sportteil. Früher gab es mal eine manchmal unfreiwillig komische Derby-Vorschau von Klaus Göntzsche, aber diese Zeiten sind längst vorbei.
So ganz richtig ist das jedoch nicht. Am Sonntag hatte die
BamS (nicht online) auf Seite 35 einen Text mit der Überschrift „1,6 Mio. Euro-Pferd nach Beinbruch erschossen“ im Heft, dazu zeigte ein Foto, wie ein Mann dem Rennpferd
Wigmore Hall eine Pistole an den Kopf hält. Zum Glück relativ unscharf und etwas versteckt im Heft – aber das Bild ist dennoch schockierend genug.
Warum bringt das Blatt so ein Bild? Der übliche Boulevard-Voyeurismus, die übliche Sensationsmache? Bei den sogenannten Randsportarten zählt das sportliche nicht besonders, dann sind andere Dinge entscheidend. Wenn etwa der Trainer mit der Frau des Besitzers schläft oder eben ein Pferd, das erschossen wird. Und natürlich nennt die
BamS die Quelle nicht, wo sie die Geschichte her hat.
Es stammt aus einer Bilderserie der englischen Tierschutz-Organisation Animal Aid, die dann am letzten Samstag die englische Boulevardzeitung
Daily Mirror groß auf
seiner Titelseite brachte. Ein Mitglied der Animal-Aktivisten hatte die Bilder heimlich hinter der aufgespannten Leinwand gemacht und dann – eine Woche nach dem bedauerlichen Vorfall – an den Boulevard verhökert. Und dabei konnten die selbsternannten Tierschützer dann wieder ihre Mär vom angeblichen so gefährlichen Rennsport loswerden, der die Tiere leiden lässt und verboten gehört.
Brutale Wirkung
Im Text lässt dann der Mirror immerhin die Vertreter des Rennsportes ausführlich zu Worte kommen und jeder, der ein wenig lesen kann, wird zu der Erkenntnis kommen, dass Rennpferde im Vergleich zu anderen Tieren wie Hühnern oder Schweinen doch ein komfortables Leben führen. Zumal es manchmal nach
Verletzungen wie etwa Beinbrüchen leider keine Rettungsmöglichkeiten mehr für Pferde gibt.
Dennoch sind die Bilder schon von brutaler Wirkung. Und viele Leser, die nichts oder wenig mit dem Rennsport zu tun, gucken nur auf diese Bilder. Dabei ist, wenn man den
Experten glauben darf, der Tod mit der Pistole „kurz“ und „schmerzlos“, wobei ich es eigentlich widerlich finde, von „humanen Tötungsmethoden“ zu schreiben.
Was hat also den Mirror also angetrieben, diese Geschichte zu bringen? „Wir wollte eine Debatte entfachen“, sagt der Mirror offiziell. Debatte über was? Über einen bedauernswerten Todesfall oder die angebliche Brutalität im Rennsport? Animal Aid als Tippgeber gilt zudem nicht gerade als glaubwürdig, ich empfehle dazu
diesen sehr lesenswerten Text von Greg Wood vom
Guardian.
Nun ist der Wettbewerb zwischen den englischen Boulevardblättern immer noch knallhart, beharken sich
Sun, Mirror, Star oder
Daily Mail gewaltig mit sogenannten Exklusivgeschichten. Alle verlieren sie Auflage, der Mirror ist schon seit Jahren ein Krisengebiet, da ist man nicht besonders zimperlich. Aber welches Hirn ist so krank, dass man denkt, mit einem Pferd, das gerade erschossen wird, mehr Zeitungen zu verkaufen?
Der Mirror bringt übrigens jeden Samstag eine durchaus gut gemachte Rennsportbeilage, in der die großen Buchmacher regelmäßig inserieren. Tipster David Yates ist jemand, den ich schätze, weil er manchmal sehr interessante Tipps gegen die Favoriten hat. Aber von ihm kommt die Geschichte ja auch nicht.
Und natürlich bedauere ich den Tod von Wigmore Hall. Er war ein großartiges Pferd, sportlich sehr erfolgreich und ein wahrer Globetrotter. Aber egal wie gut er war – jedes tote Rennpferd ist eins zu viel.