Ihr müsst nach Hause fahren
Der erste Abend ohne Fußball seit über 14 Tagen, da kommt man sofort auf andere Gedanken. Zum Beispiel über die Enttäuschungen der Fußball-WM in Brasilien zu schreiben. Denn große Fußball-Nationen fehlen in den nächsten Wochen, wenn es ernst wird. Der noch amtierende Fußball-Weltmeister Spanien etwa. Oder Italien oder England. Die Flops dieser WM.

Spanien: Das Ende einer großen Generation. Der amtierende Welt- und Europameister verabschiedete sich schon nach zwei Niederlagen gegen die Niederlande und Chile in der Vorrunde. Beim 1:5-Debakel gegen Oranje stellte Taktikfuchs Louis van Gaal die Iberer ins Abseits, beim 0:2 gegen Chile scheiterte La Roja an der forschen und agressiven (aber nicht unfairen) Spielweise der Südamerikaner. Ob ob es jetzt Tiki Taka heißt oder nicht – das schnelle Passspiel vergangener Jahre funktionierte nicht mehr. Die Taktgeber vergangener Epochen wie Xavi, Xabi Alonso und Iniesta sind in die Jahre gekommen. Zudem patzten die einstigen Helden wie Torhüter Casillas und Innenverteidiger Sergio Ramos.
Was sich schon beim FC Barcelona in dieser Saison ankündigte, zeigte sich in Brasilien: Der Zauber ist vorbei. Wenn es ein Team wie Spanien schon mit langen Bällen probiert, dann ist das ein Akt der Verzweiflung.
Dazu passte der neu eingebürgerte Torjäger Diego Costa überhaupt nicht ins System. Zum einen war er nicht richtig fit, zum anderen ist er überhaupt nicht passkompatibel und lebt viel von langen Bällen in die Spitze. Und das kann das Team von Vicente del Bosque überhaupt nicht.

Italien: Natürlich war beim Scheitern der Italiener viel Pech dabei. Der Platzverweis von Marchisio im letzten Spiel der Vorrunde gegen Uruguay war eine viel zu harte Entscheidung des mexikanischen Schiedsrichters, auf der anderen Seite hätte Suarez nach seiner Beißattacke gegen Italiens Chiellini runter gemusst. Zudem ist der Einwand von Trainer Cesare Prandelli berechtigt, dass Italiens erst in Manaus und dann die nächsten Spiele im heißen Norden zur brasilianischen Mittagszeit bestreiten musste. Das kostete Kraft.
Der Auftakt gegen England war gut, doch danach ging es abwärts. Die Vorstellungen gegen Costa Rica und Uruguay waren „apathisch“ (kicker), nur zwei echte Torchancen in diesen Spielen sind eine beschämende Bilanz.
Am stärksten wirkte noch Altmeister Pirlo, dessen Pässe immer noch ein Gedicht sind. Aber sonst war Italien vielfach nicht mehr als Mittelmaß. Balotelli bleibt eine Wundertüte, „Meriten verdient man auf dem Platz, nicht mit großen Ankündigungen“, kritisierte Torhüter Gigi Buffon und nannte das Ausscheiden „verdient“.

England: Vielleicht ein Trost, liebe Freude aus England, auch wenn das Ausscheiden in der Vorrunde einer WM für das Mutterland des Fußballs eine Demütigung ist. Also ich fand, dass diese englische Mannschaft die beste war, die seit langen Zeit das Dress mit den drei Löwen trug.
Leider gehört dazu nicht viel. Die Vorstellungen seit 2002 bei Welt- und Europameisterschaften waren eine Katastrophe: Stereotyper Kraftfußball ohne Fantasie, dazu patzten regelmäßig die Torhüter.
Diesmal zeigte die Mannschaft spielerisch einige gute Ansätze, Typen wie Sturridge und Sterling machten das englische Spiel attraktiver. Wayne Rooney mag intellektuell keine große Leuchte sein, aber er ist immer noch ein fantastischer Fußballer. Dass er auf der Seite verschenkt ist, ist richtig. Und dass ihn der Boulevard immer besonders aufs Korn nimmt, ist traurig.
Die Niederlagen gegen Italien und Uruguay waren unglücklich, beide Spiele hätten auch anders ausgehen können. Aber mit dem Weltmeistertitel hat doch selbst die Boulevardpresse nicht gerechnet.

Portugal: Wenn Cristiano Ronaldo nicht richtig fit ist, verkörpert die portugiesische Nationalmannschaft höchstens Durchschnitt. Und wenn dann Pepe, der andere Weltklasse-Spieler, mal wieder den Psycho mimt, dann ist das Scheitern bei einer WM nicht zu vermeiden. Deutschland bestrafte die Fehler der zehn Portugiesen höchsteffizient, auch weil Pepe früh die rote Karte sah. Gegen die USA war das Remis sehr schmeichelhaft, der Erfolg gegen Ghana zudem sehr glücklich.



Fußball und Lego – originelle Idee des englischen Guardians. Hier gibt es noch einmal eine Zusammenfassung des Spieles Deutschland gegen Portugal, ein Höhepunkt ist die Attacke von Pepe gegen Thomas Müller. Man beachte zudem die putzige Aussprache der deutschen Spielernamen: Hammels, the big defender…

Russland: Fabio Capello mag einer der bestbezahlten Nationaltrainer der Welt sein, aber als russischer Nationaltrainer ist er sein Geld definitiv nicht wert. Seine Mannschaft wirkte in Brasilien weitgehend leblos, gestopft in ein wenig flexibles Defensiv-Konzept. Nun war Capello immer ein Freund der gepflegten Abwehr, aber früher trainierte er auch Teams mit viel besseren Individualisten. Jedenfalls blamierte sich der Ausrichter der WM 2018 gegen Belgien, Südkorea und Algerien gewaltig. Der russische Fußball bleibt ein Rätsel – auch wenn Fabio Capello andere Dinge für das Scheitern verantwortlich macht.

Japan und Südkorea: Beide Länder dominieren seit Jahren das Geschehen in Asien, qualifizieren sich regelmäßig und ohne große Probleme für Weltmeisterschaften. Doch Brasilien war sowohl für Japan als auch Südkorea ein Desaster.
Besonders Japan hatte sich im Vorfeld einiges ausgerechnet – auch weil viele Spieler sich in Top-Ligen durchgesetzt haben. In Dortmund gucken wir seit den glorreichen Tagen des Shinji Kagawa im BVB-Dress verstärkt auf das Team, doch Kagawa blieb wie bei Manchester United auch im Nationaldress blass. Japan zeigte zwar einige Ansätze, doch wenn es zur Sache ging, hatte das Team nichts zuzusetzen.
Nicht ganz so hoch waren die Erwartungen bei Südkorea. Doch auch der WM-Vierte von 2002 – gespickt mit vielen Spielern aus der der Bundesliga – blieb sieglos und zeigte besonders in der Abwehr eklatante Schwächen.

Kamerun: Die „unbezähmbaren Löwen“ blamierten sich in Brasilien gewaltig. Mit null Punkten und 1:9-Toren war Kamerun das schlechteste Team der Vorrunde, alte Helden wie Roger Milla rufen nach einem Neuanfang. Dabei hat die Mannschaft von Volker Finke starke Individualisten, aber als Gruppe versagten die Spieler. Das erste Spiel verlor man verdient gegen starke Mexikaner, im zweiten Spiel war die Mannschaft gegen Kroatien gleichwertig, bevor Alexandre Song mit seinem Platzverweis das Team dezimierte. Danach brach Kamerun völlig auseinander, der negative Höhepunkt war der Kopfstoß von Assou-Ekotto gegen einen Mitspieler. Gegen den Top-Favoriten Brasilien wehrten sich die Löwen zumindest eine Hälfte, doch auch danach fiel man auseinander. Erbärmlich.