Deutschsprachige Bücher über Pferderennen sind eine Rarität. Im Jahr 2000 beschäftigten sich immerhin zwei durchaus renommierte Journalisten mit dem Thema. Das Werk von
Stephan Lebert und
Harry Nutt mit dem simplen Titel Pferderennen erschien zum damaligen Zeitpunkt in der
dtv-Reihe „Kleine Philosophie der Passionen“.
Ich weiß gar nicht, wann ich das Buch erworben habe, muss so um das Jahr 2001 gewesen sein. Nach der ersten Lektüre war ich etwas enttäuscht. Weil die Leidenschaft beider Autoren die Trabrennen sind, die ich damals reichlich öde fand.
Beim Aussortieren ist mir das Buch mit dem grünen Einband mal wieder in die Hände gefallen. Und natürlich habe ich es noch einmal gelesen, sind ja auch nur etwas über 120 Seiten. Diesmal fällt das Urteil erheblich positiver aus. Weil ich als Wetter und Rennbahnbesucher (früher regelmäßig, heute eher sporadisch) viele Weisheiten der beiden Autoren nachvollziehen kann. „Warum zum Teufel machen wir das“, fragen Lebert und Nutt, beide passionierte Rennbahnbesucher und Wetter. Zumal in Deutschland, dem Land der Lottospieler, Pferdewetter immer noch diesen Hauch von Unseriosität und Verwegenheit haben. Denen traut man die eigene Tochter nicht an.
„Das ist wie ein Film, der immer läuft, parallel zu dem anderen Leben“, sagt Lebert. Keiner seiner Freunde geht auf die Rennbahn. „Ich glaube, dass es das nirgends sonst gibt: Einerseits die Anonymität, der Wunsch, völlig allein zu sein und andererseits die Möglichkeit eben nicht allein zu sein müssen, sich jederzeit öffnen zu können“, schreibt Nutt. Jemandem das Elend des knapp verpassten Riesengewinns mitzuteilen, könne in diesem Augenblick sehr wertvoll sein.
Die Autoren beschäftigen sich mit berühmten Rennpferde, waghalsigen Wetten oder den Typen, die die Rennbahn bevölkern. Manches wiederholt sich, alles ist aber sehr locker und anekdotenreich beschrieben. Seine besonderen Qualitäten zeigt das Werk, wenn es um Zockerphilosophien und die besondere Charaktere auf der Rennbahn geht. „Es gibt Tage, da kann man nicht verlieren. Tage, an denen das Geld in den Taschen nicht alle wird“ beschreiben sie ein Gefühl, dass jeder Zocker kennt. Noch mehr Tage gibt es allerdings, an denen es einfach nicht läuft – kennt auch jeder Wetter zu genüge.
Das Buch ist in den 90er Jahren entscheiden – einer Zeit, in dem es sowohl Galopp- als auch Trabrennsport relativ gut ging. Was würden Lebert und Nutt heute schreiben? Beide Sportarten befinden sich seit Jahren in einer Dauerkrise. Und die markanten Typen werden zumindest auf den Galopprennbahnen immer weniger. Immerhin: Menschen, die auf Rennbahnen gehen, bringen sich seltener um als „normale“ Menschen. Begründung: Sie hoffen auf das nächste Rennen, zitiert Stephan Lebert eine amerikanische Studie.