Es muss so 2000 oder 2001 gewesen sein, als mir die Horde 1860-Fans im Stadtexpress zwischen Düsseldorf und Dortmund begegnete. Die Anhänger der Münchener Löwen waren auf dem Weg zum Auswärtsspiel nach Bochum – und ziemlich laut. Und am lautesten schmähten sie in ihren Liedern den damaligen Vereinspräsidenten Karl-Heinz Wildmoser, der jetzt im Alter von 71 Jahren gestorben ist.
Dabei hätte doch damals eigentlich die blau-weiße Welt in Ordnung sein müssen: Nach langen Jahren des Niedergangs hatten sich die 60er in der Ära Wildmoser wieder in der Bundesliga etabliert. 1992 übernahm der barocke Großgastronom, bei dem ich immer an Schweinebraten mit Klößen und die dazugehörige Maß denken musste, das Präsidentenamt bei den Löwen. Der deutsche Meister von 1966, der – was heute schwer vorstellbar ist – mal besser war als der große Lokalrivale FC Bayern, dümpelte zu dieser Zeit in der Bayernliga herum und füllte die Kassen von Vereinen wie Memmingen, Starnberg oder Landshut.
Die Wende hatte auch viel mit dem neuen Trainer Werner Lorant zu tun: Der stockautoritäre Bayer Wildmoser traf 1992 auf den ähnlich veranlagten Westfalen Lorant – und die Zusammenarbeit funktionierte. 1993 Aufstieg in die zweite Liga, nach nur einem Jahr Unterhaus gelang der Sprung in die Bundesliga.
Mit dem kauzigen Lorant etablierten sich die Löwen in der ersten Liga, wurden von Jahr zu Jahr besser und schafften beinahe den Sprung in die Champions League, als sie 2000 erst in der Qualifikation an Leeds United scheiterten. Besonders die Münchener Boulevardpresse liebte den jovialen Wildmoser und den mürrischen Lorant, weil sie beide immer für einen Spruch gut waren. „Die, die nicht zu den Bayern hielten, feierten die Sechziger. Und Wildmoser ließ sich feiern“, schrieb die Münchener Abendzeitung.
Verhasste Heimat
Doch schon zu diesem Zeitpunkt war die Löwen-Anhängerschaft gespalten: 1995 entschied der Präsident, dass die Löwen ins ungeliebte Olympiastadion des verhassten Rivalen FC Bayern umziehen und ihre eigentliche Heimat, das marode Stadion an der Grünwalder Straße, verlassen. „Verrat an den Wurzeln des Vereins“ warfen ihm damals viele 60er-Fans vor. Ein harter Kern von ihnen konzentrierte sich fortan auf die Unterstützung der zweiten Mannschaft, die an der Grünwalder Straße kickte, und auf die Auswärtsspiele.
2001 feuerte Wildmoser Lorant und danach war das Tischtuch zwischen beiden endgültig zerschnitten. 2004 stieg 1860 aus der Bundesliga ab. Vorher trat der ehemals allmächtige Präsidenten bereits selber ab. Grund war die Schmiergeld-Äffäre um die Allianz-Arena: Wildmoser senior wurde mitangeklagt und musste sogar einige Tage in Untersuchungshaft. Nachweisen konnte die Anklage ihm allerdings nichts – im Gegensatz zu Sohn Karl-Heinz junior, der zu viereinhalb Jahre Strafe verdonnert wurde.
„Meine G’sundheit hab i ruiniert. Meine G’schäft hab’ i vernachlässigt. Meine Familie ist auseinandergebrochen. Für diese Leistung, die ich da abg’liefert hab’. Und ehrenamtlich wohlgemerkt“, bilanziert er später
bitter in der Süddeutschen Zeitung.
Mit den Löwen wurde es nach Wildmosers Rücktritt nicht besser: Der Klub entwickelte sich schnell wieder zum Chaosverein vergangener Tage, ist heute finanziell ziemlich klamm und sportlich als Zweitligist der dritten Liga näher als der Bundesliga. Ein Grund, warum es dem Verein wirtschaftlich so schlecht geht, sind die hohen Kosten in der Arena. Und daher möchten die Verantwortlichen jetzt wieder ins Olympiastadion.
Nach seiner Zeit bei 1860 war Karl-Heinz Wildmoser wieder Wirt.