„Wie brutal ist der Arbeitsalltag eines normalen Rennpferdes“ fragte sich das ARD-Politmagazin Report Mainz und schickte ein Team zur Derby-Woche nach Hamburg-Horn. Das
Ergebnis, das am Montag abend in der ARD lief, war tendenziös, fehlerhaft und nicht gerade ein Glanzstück öffentlich-rechtlichen Schaffens.
Schon die Anmoderation von Fritz Frey verhieß nichts Gutes: „Im Internet kursieren schreckliche Bilder von geschundenen Bildern…Schwerste Stürze, offene Brüche, schlimme Unfälle – furchtbar.“ In diesem Tenor machten dann die Autoren Thomas Reutter und Nicola Timm weiter. Galopprennen und Wetten sind aber offensichtlich ziemlich neu für das Autorenduo. Den Satz „Bei den Wetten geht es um 1,6 Millionen Euro“ habe ich jedenfalls nicht verstanden.
Es folgte der Auftritt des Experten Dr. med. Maximilian Pick, einst selbst Tierarzt auf der Rennbahn in München-Riem und
nach eigenen Angaben Gutachter für Pferde. Einige Vorwürfe des Beitrags:
• Der Zustand der Pferde nach dem Rennen: „Ausgequetscht bis zum Letzten. Erschöpft. Für mich als Pferdefreund ist es ein Bild des Jammers, so etwas zu sehen“, kommentierte Pick. Kein Wunder: Galopper sind Hochleistungsathleten, schon mal andere Leistungssportler nach dem Wettkampf gesehen? Die wirken danach nicht unbedingt, als wenn sie gerade frisch geduscht haben. Dazu war es an diesem Dienstag und den Tagen vorher ziemlich heiß in Hamburg.
• Peitschenmissbrauch: Ein durchaus ernstes Thema, das gerade bei Rennlaien oft große Emotionen aufwühlt. Ich bleibe aber dabei: Im deutschen Galopprennsport ist das nicht unbedingt ein Thema, ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich auf einer deutschen Rennbahn gesehen habe, dass ein Pferd quasi „ins Ziel geprügelt wurde.“ Zudem wird manchmal die Peitsche auch nur gewedelt. In England geht es da viel härter zu. Und natürlich zeigten die Autoren kein Beispiel aus dem Galopprennsport, sondern von den Trabern. Das sah dramatisch aus, allerdings: Ob der Fahrer das Pferd trifft oder nur wedelt, ist auf dem Bild gar nicht so genau zu erkennen. Sah jedenfalls schlimm aus, ist aber nicht typisch für einen Endkampf im Trabrennsport.
• Haltungsform der Pferde: Nicht nur Galopper stehen bis zu 23 Stunden am Tag in ihrer Box, das ist offensichtlich ein Problem des gesamten Pferdesports. Allerdings stelle ich mir das reichlich schwierig vor, wenn in einem großen Trainingsquartier eine Horde von Junghengsten auf der gleichen Koppel steht.
German Racing schweigt
Immerhin baten die Autoren Albrecht Woeste, oberster Repräsentant des Galopprennsports, um einen Kommentar. Woeste wirkte geschockt, unvorbereitet und konnte keinen der Vorwürfe mit Fakten widerlegen. Ein ganz schwaches Bild: Allerdings weiß ich nicht, was Woeste insgesamt alles gesagt hat, seine Äußerungen sind ja nur Ausschnitte.
Jedenfalls blieben die Autoren nicht fehlerfrei. Es gab an diesem Nachmittag keinen Todesfall auf der Rennbahn. Oder die zitierte
Rubrik „Tote Pferde“ aus dem Galopperforum. Dort tauchen auch Todesfälle von Pferden wie
Singspiel oder
Sternkönig auf: Vollblüter, die nach einer Karriere als Deckhengst und einem Leben voller Annehmlichkeiten das Zeitliche gesegnet haben. Die
Kommentare auf der Report-Seite zeigen weitere Ungereimtheiten.
Es sind diese kleine Schlampereien, die die Intention des Films belegen: möglichst viel Krawall, Vorurteile müssen bestätigt werden. Der Grund für diese „Tierquälereien“ seien die Wetten und damit die Gier nach Profiten, wollen die Autoren sagen. Da wissen sie aber wenig von den wirtschaftlichen Realitäten im deutschen Turf, wo die Entwicklung seit Jahren steil nach unten geht.
Und wie reagiert der Galopprennsport auf die Vorwürfe? Offiziell gar nicht, von German Racing als Sprecher des Rennsports gibt es auch vier Tage nach der Sendung keine Reaktion auf die Vorwürfe. Dort stehen
andere Themen im Vordergrund....
Nachtrag: Das soll hier kein Watchblog werden. Doch gerne weise ich auf eine treffende und sehr lesenswerte Analyse hin, die die Probleme im deutschen Galopprennsport wunderbar seziert. Diese erschien heute in der
Prisma, der TV-Beilage diverser Tageszeitungen.
Nachtrag 31.07.2010: Es gibt eine späte Reaktion des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen, Datum 28.7. und nachzulesen
hier.