Mittwoch, 24. Januar 2018
James Bowen: „Hirn und Mentalität eines Champions“
Manche sprechen schon vom neuen „AP McCoy“, andere bezeichnen ihn wenig bescheiden als „Wunderkind“: Der gerade mal 16jährige Jockey James Bowen sorgt für viel Wirbel im englischen Hindernissport. Weil er trotz seines jugendlichen Alters reitet wie ein mit allen Wassern gewaschener Routinier.

Es ist eine beachtliche Sieges-Serie: Zum dritten Mal in Serie gewann James Bowen an einem Januar-Samstag ein wichtiges Rennen über Hindernisse. An einem Tag, wenn viel mehr Leute zuschauen, weil in England auch noch Rennen im Frei-TV laufen. Der Kolumnist ist zudem Bowen zu Dank verpflichtet, denn in zwei der drei Fälle hatte er sein Pferd auf dem Wettschein.
Die Serie begann vor 14 Tagen mit Raz de Maree im Welsh National in Chepstow, einem dieser Handicaps-Marathons für Pferd und Reiter. Fast 6 km auf schwerem Boden fordern schon auf der Flachen eine Menge Stehvermögen, doch hier kommen auch noch 22 schwere Sprünge hinzu. Diesmal waren es aus diversen Gründen nur 18 Hindernisse, aber dennoch war es harte Arbeit. James Bowen hatte den schon 13jährigen Raz de Maree – trainiert in Irland von Gavin Cromwell – zuerst im hinteren Bereich des 20 Pferde-Feldes gehalten, dann langsam nach vorne bewegt. In der Kurve vor der Zielgerade hatte der Wallach einen kurzen Schwächemoment, doch in der langen Geraden in Chepstow beschleunigte Raz de Maree eindrucksvoll und gewann sicher vor dem tapferen, ebenfalls 13jährigen Alfie Spinner. Das war ein Meisterritt eines Youngsters, der nur drei Jahre älter ist als sein Pferd. Natürlich war Bowen der jüngste Jockey, der jemals das Welsh National gewonnen hatte.
Ganz anders war der Rennverlauf bei seinen Erfolgen mit William Henry und Jenkins in zwei gutdotierten Hürden-Handicaps in Kempton und Ascot: Beide Pferde ritt er aus dem Vordertreffen, besonders mit William Henry hatte er innenliegend ein sehr ökonomisches Rennen. Sowohl William Henry als auch Jenkins entlockte Bowen immer neue Reserven und wehrte so die Angriffe der Konkurrenz ab. Trainer Nicky Henderson dürfte zufrieden gewesen sein.

Aus einer Renn-Familie
In der englischen Hindernisszene fehlte es nie an talentierten Nachwuchsjockeys, aber in dieser Saison sorgen einige verstärkt für Aufsehen: Bryony Frost schrieb die Geschichte mancher Renn-Samstage entscheidend mit, Mitchell Bastyan feierte ebenfalls schöne Erfolge. Doch James Bowen toppt seine begabten Kollegen doch noch etwas.
„Er ist aufgeweckt und intelligent, voller Selbstvertrauen, aber ohne Arroganz, fokussiert, aber nicht engstirnig, hellwach, geerdet und weiß, wohin er gehen will und wie er da hinkommt“, charakterisiert ihn Marcus Armytage, Racing Korrespondent des Telegraph und einst siegreicher Jockey im Grand National. Selbst in einem so unberechenbaren Sport wie Hindernisrennen habe er das Hirn und die Mentalität eines potenziellen Champion Jockeys.
Gewaltige Vorschusslorbeeren, aber James Bowen kommt aus einem Umfeld, das den Sport und seine Unwägbarkeiten kennt. Peter Bowen, sein Vater, trainiert seit 1995 Hindernispferde im walisischen Haverfordwest/Pembrokeshire, Mutter Karen war eine erfolgreiche Amateurreiterin, Bruder Mickey betreut
Point-to-Point-Pferde
und Sean, der andere Bruder, ist ein erfolgreicher Nachwuchsjockey, der für Top-Trainer Paul Nicholls arbeitet.
James, der Jüngste der drei Brüder, begann mit Ponyrennen, schaffte dort 90 Siege bei 150 Ritten und wechselte im März letzten Jahres zu den ländlichen Point-to-Point-Races. Dort wurde er schnell der führende Nachwuchsreiter.
Im Mai startete Bowen dann seine professionelle Ausbildung als Hindernisjockey bei Spitzen-Trainer Nicky Henderson. Inzwischen ist er auch dort führender Auszubildender, schaffte bislang (Stand 22.Januar) 41 Siege bei 231 Ritten (Siegquote 18 Prozent) und galoppierte mit seinen Schützlingen Preisgelder von fast 500 000 Pfund ein – Daten eines zukünftigen Meisters. Aber was ist schon berechenbar im Sport?



Ein Waliser siegt im Welsh National: James Bowen triumphiert mit Raz de Maree



Dienstag, 16. Januar 2018
Auf Wiedersehen Pierre-Emerick Aubameyang
Alle sprachen über den fehlenden Pierre-Emerick Aubameyang, das Spiel Borussia Dortmund gegen den VfL Wolfsburg wurde zur Nebensache. Willkommen im Profifußball, der inzwischen einer Daily Soap in Endlos-Schleife gleicht.

Was bleibt nach dem doch etwas enttäuschenden 0:0 von Borussia Dortmund gegen den VfL Wolfsburg zum Auftakt der Bundesliga-Rückrunde? Am Ende gab es laute Pfiffe für die Vorstellung, aber so schlimm fand ich die Leistung des BVB nicht. Ich habe auch in dieser Saison schon viel schlimmere Spiele gesehen. Hätte die Borussia einige ihrer klaren Torchancen genutzt, hätte sich keiner beschwert. Allerdings hatte der VfL Wolfsburg auch seine Chancen, so ging das 0:0 durchaus in Ordnung.
Weil Christian Pulisic verletzt war und Pierre-Emerick Aubameyang (siehe unten) mal wieder suspendiert war, schickten die Dortmunder mit Alexander Isak (18) und Jadon Sancho (gerade mal 17 Jahre, wird im März 2018 18) quasi den Baby-Sturm auf den Rasen. Beide bewiesen am Sonntag, dass sie hochtalentiert sind, aber sie sind eben Nachwuchskräfte. Gerade dem schon vorschnell als neuen „Zlatan“ gefeierten Schweden Isak war anzumerken, dass ihm regelmäßige Spielpraxis gut tun würde. An den Nachwuchskräften lag es allerdings nicht, die besten Chancen vergab Andrey Yarmolenko. Der Ukrainer arbeitete zwar unermüdlich, aber im Abschluss versagte er dann doch. Die Leiden eines Stürmers.

Söldner
Und damit sind wir mal wieder bei Pierre-Emerick Aubayemang. Der BVB-Torjäger war zum wiederholten Mal suspendiert, weil er bei einer wichtigen Teamsitzung, in der es ausgerechnet um Teamgeist ging, fehlte. Den Termin habe er vergessen, sagte „Auba“ süffisant. Das glaubte niemand und damit war Aubayemang für das Wolfsburg-Spiel nicht im Kader.
Sein Verhalten hat andere Gründe: Der exzentrische Stürmer will weg – Arsenal oder China oder Mailand oder Madrid. Er ist sauer, weil der BVB ihn nicht zu anderen Ufern ziehen lässt. Darum zickt der Aston Martin- und Lamborghini-Fahrer – ungeachtet der Tatsache, dass auch Borussia Dortmund ihm ein sattes Honorar überweist und er doch eigentlich Angestellter des Vereins mit entsprechenden Pflichten ist.
Kein Grund ist zu abwegig: Jetzt fühlt sich Aubameyang auch noch rassistisch verfolgt. Leute, die andere wegen ihrer Hautfarbe diskriminieren, sind hirnlose Idioten, aber in diesem Fall ist der Vorwurf des Rassismus doch reichlich obskur.



Aubameyangs neues Glück? Beijing Guoan aus China ist angeblich ein Interessent, der dem Dortmunder Stürmer viel, viel, viel Geld überweisen möchte, wenn er denn zu ihnen wechselt. Ihr Trainer ist der ehemalige Leverkusener Roger Schmidt, ein Freund des brachialen Pressings (Foto: China Life)

Mich stört das Söldner-Verhalten vieler Fußball-Profis inzwischen kolossal. Gut, das war früher nicht anders. Ein begabter Fußballer ging auch in den angeblich guten alten Tagen dorthin, wo es das meiste Geld gab. Aber heute ist alles noch schlimmer – zumal die Gehälter-Spirale immer weiter nach oben geht.
Der BVB sollte Aubameyang schleunigst verkaufen. Schon wegen des Friedens in der Mannschaft, auch wenn das sportlich eine deutliche Schwächung wäre. Aubameyang ist nach Robert Lewandowski der beste Stürmer der Liga und mit 18 Punkten (13 Toren, 5 Vorlagen) der Top-Scorer der Bundesliga. Aber irgendwann ist die Schmerzgrenze erreicht.
Da die Bundesliga schon seit Jahren an der Spitze stinklangweilig ist, dürfte das für den BVB verkraftbar sein. Denn der FC Bayern München thront auch aufgrund seines vielen Geldes hochüberlegen an der Spitze, die Verfolger sehen ihn höchstens mit dem Fernglas. Wenn sie mal eine Krise haben wie unter Carlo Ancelotti, holen sie den guten Jupp Heynckes und schon gewinnen sie wieder alles. Geld schießt eben doch Tore und Heynckes versteht leider viel zu gut sein Handwerk. Dem BVB bleiben da nur die Krümel – mit oder ohne „Auba“.



Donnerstag, 14. Dezember 2017
Schuld hat nicht nur die Politik
Die nächste Rennbahn in Deutschland macht voraussichtlich die Lichter aus: Ab 2019 soll es keine Galopprennen mehr in Neuss mehr geben – wenn es nach der lokalen Politik geht. Einen großen Anteil an der Misere trägt aber auch der Neusser Reiter- und Rennverein. Weil er schlichtweg nichts gemacht hat, um die Bahn für den Besucher attraktiv zu machen. Galopprennen sind eben kein Wintersport.

Am Samstag war mal wieder ein typisches Neusser Renntag der letzten Jahre: Acht Rennen für Pferde der unteren Leistungsklassen auf einem Geläuf, das eher einem Sandkasten als einer vernünftigen Allwetterbahn gleicht. Den Beginn um 18:15 haben die Franzosen von der PMU bestimmt, für das schlechte Wetter können die Neusser zwar nichts, aber Regen, Kälte und Schnee sind im deutschen Dezember nun mal keine Seltenheit.
Die Besucher konnten wahrscheinlich per Handschlag begrüßt werden. Wer tut sich so einen Renntag ein, wenn man nicht gerade Besitzer, Trainer oder Jockey ist? Zumal es in Neuss keine Tribüne gibt, nur so einen komischen Bau, dessen Zweck auf einer Rennbahn sich mir verschließt. Auch sonst wirkt die Umgebung nicht gerade einladend, selbst die Bratwurst-Versorgung stockt.
In Neuss laufen die Pferde in der dunkleren Jahreszeit von Ende Oktober bis Mitte März. Alles abgesichert durch die PMU, der Neusser Reiter- und Rennverein trägt dabei kein Risiko. Kein Wunder, dass kaum Zuschauer da sind. Renntage an einem Wochentag im Winter sind Wettfutter für die PMU-Annahmestellen – bestenfalls.
Die Prüfungen im Neusser Winterprogramm sind auch ein Indiz für den Niedergang im deutschen Turf. Früher gab es mal sportliche Höhepunkte, aber die Zeiten sind längst vorbei. Ohne PMU würde gar nichts laufen, immerhin sind die Felder noch einigermaßen voll.

Aussitzen
Wenn ich mir die dreckverschmierten Pferde und Jockeys nach dem Rennen anschaue, dann dürften die Prüfungen kein Vergnügen sein. Das Programm in Dortmund ist zwar sportlich nicht besser, aber da gibt es wenigstens vernünftige Plätze für die Besucher.
Warum veranstalten die Neusser nicht im Sommer? Ein lauschiger Abend auf der Rennbahn bei gutem Wetter, das würde lokale Besucher anziehen. After-Work-Renntage? Haben sie nie versucht. Zumal ja auch eine Grasbahn mit Flutlicht zur Verfügung steht – die allerdings derzeit nicht nutzbar ist. Das passt zum schlechten Management.
Der Niedergang der Neusser Bahn ist eklatant. Aber die Verantwortlichen haben in den letzten Jahren nichts gemacht. Vielleicht sehe ich das aus der Distanz (Dortmund) falsch, aber Marketing und Öffentlichkeitsarbeit fanden nicht statt. Der Neusser Reiter- und Rennverein hat einfach nur verwaltet. Konzepte, um aus der Krise zu kommen? Neue Zielgruppen erreichen? Fehlanzeige. Einfach die Probleme aussitzen, mag mal früher erfolgreich gewesen sein. Heute geht das in die Hose.
Natürlich ist es schade, wenn eine Rennbahn dichtgemacht wird. Viele Turf-Fans, die ich kenne, sind wie ich durch eine Rennbahn in ihrer Nähe zum Sport gekommen. Dazu hat Galopp in Neuss eine lange Tradition, das erste Rennen wurde 1875 gelaufen. Aber Historie ist nicht ewig. Und Düsseldorf ist nicht weit. Für die Winterrennen kann Dortmund einspringen.