Es waren magische zehn Minuten, die Zeit zwischen Spielminute 80 und 90 beim Bundesligaspiel zwischen Borussia Dortmund und der TSG Hoffenheim. In dieser Zeit drehte die Borussia noch die Partie gegen die tapferen Gäste und machte aus einem 0:1-Rückstand noch einen 3:1-Sieg. Es sind diese Momente, die eindrucksvoll beweisen, warum Fußball live vor Ort ganz was anderes ist als zuhause vor dem Fernseher.
Natürlich ist nicht alles toll an so einem Sonntagabend im Signal Iduna Park, dem einstigen Westfalenstadion. Aber wenn mich jemand fragen würde, was er unbedingt mal im Fußball erleben soll, dann würde ich antworten: Diese letzten zehn Minuten auf der Südtribüne, dieser gigantischen Kultstätte des Fan-Daseins. Es ist ein einzigartiges emotionales Auf- und ab, die ganze Tribüne möchte quasi den Ball ins Tor befördern.
Die Zuschauer feuern an, schreien, pfeifen, schimpfen und jubeln. Wildfremde Leute fallen sich in die Arme, die das im Leben außerhalb des Fußballs nicht machen würden. Die Heimspiele des BVB sind eine der wenigen Orte, an denen sich alle Schichten der Gesellschaft treffen. Und das ist schön so.
Für viele Bosse des Fußballs, die meinten, Steh- durch teuere Sitzplätze ersetzen zu müssen, muss das wie ein heftiger Schlag ins Gesicht wirken. Ohne die Südtribüne wäre das Dortmunder Stadion so öde wie viele englische Arenen. Fußball ist für alle da.
Dabei sah es am Sonntag gegen Hoffenheim lange nicht gut aus. Der Dorfklub, auf der Beliebtheitsskala vieler Dortmunder Fans ganz unten, präsentierte sich taktisch sehr ausgereift und wahrlich nicht wie ein Abstiegskandidat. Zur Pause führten die Gäste nicht unverdient, der BVB hatte aus dem Spiel in Halbzeit 1 keine einzige Torchance und wirkte müde.
Nach der Pause machte der eingewechselte Gündogan das Spiel der Borussia schwungvoller. Das Spiel kippte nach dem Platzverweis des Gäste-Kapitäns Rudy, Dortmund erarbeitete sich beim Sturmlauf auf das Tor vor der Südtribüne Chancen im Minutentakt. Und schaffte in den letzten Minuten die Wende.
Dieses Wochenende lief alles glatt für Ruby Walsh: Mit Boston Bob siegte er sogar in der Bobbyjo Chase in Fairyhouse, dem besten Rennen des Tages in Irland. Dabei profitierte der Reiter auch vom Sturz des Favoriten Mala Beach. Aber dennoch ist Walsh derzeit bei manchen Wettern nicht gerade beliebt. Der Grund: Der irische Top-Jockey fiel zuletzt mit einigen gut gewetteten Pferden am letzten Hindernis.
Schon schreien manche Zeitgenossen Betrug und Schwindel, denn ihre Wetten waren nun natürlich kaputt. Walsh arbeite ja auch als Kolumnist für einen großen irischen Buchmacher. Dieser sei natürlich froh, argumentieren die Walsh-Gegner, wenn er nicht auszahlen muss. Denn alle Walsh-Ritte, in der Regel klare Favoriten aus dem Willie Mullins-Stall, wurden vorher kräftig gewettet. Sind diese Verschwörungstheorien also Humbug oder steckt hinten ihn doch ein Stück Wahrheit?
Beginnen wir mit den Fakten: Das letzte Desaster passierte am Sonntag vor einer Woche in Navan, als er mit dem klaren Favoriten Black Hercules stürzte. In der Woche davor fiel Valseur Lido in bester Haltung am letzten Hindernis im großen Jagdrennen in Leopardstown. Beide Pferde wirkten hoch überlegen.
Viele Wetter erinnern sich noch an die Vorfälle mit Un de Sceaux und Annie Power. Auch diese Ritte standen in der Zockergunst ganz oben, auch sie waren auf der Siegerstraße, auch sie gingen am letzten Hindernis zu Boden. In jedem Fall sparten sich die Buchmacher große Auszahlungssummen.
Das Fachblatt Racing Postnennt Zahlen an: Mit Walsh im Sattel fielen mehr Pferde als etwa mit den Kollegen A P Mc Coy und Richard Johnson im Zeitraum 2005 bis heute. Allerdings: Das sind gerade mal ein Prozent aller Ritte von Ruby Walsh. Also eher Peanuts.
Nur Pech
Die Gründe für die Stürze sind vielschichtig, manchmal ist es einfach nur Pech. Sagt auch Ex-Jockey Peter Scudamore gegenüber der Racing Post. „Ruby ist einer der besten Reiter, die ich je gesehen habe“, meint der ehemalige Champion. Wenn er technisch etwas falsch machen würde, würde er (Scudamore) das bemerken. Aber das sei nicht der Fall.
Der Vater von Jockey Tom Scudamore nennt das Beispiel Annie Power im letzten Jahr in Cheltenham. Das sei einfach nur Pech gewesen, ein Schatten hätte die Stute irritiert. „Diese Dinge passieren in einem Jockey-Leben“. Wichtig sei es, nicht das Selbstvertrauen zu verlieren.
Nun wirkt Ruby Walsh immer für den Kolumnisten wie jemand, der Selbstvertrauen ohne Ende besitzt. So viel, dass das für den Beobachter schon fast arrogant wirkt. Jedenfalls gehen viele Pferde für Walsh optisch immer sehr gut, sitzt er lange still und ist oft der Letzte, der sich im Sattel bewegt. Cool bis zum Limit. Das mag natürlich an der Klasse seiner Ritte liegen, aber bei Ruby sieht Rennreiten nie nach Arbeit aus. Auch das mag die Häme mancher Kritiker hervorrufen. Walsh ist eben Champions League.
Damit sind wir bei der Frage, ob irgendwelche Manipulationen im Spiel seien? Ich bin nicht naiv und glaube schon lange nicht mehr an den unbelasteten Sport. Aber ein Hindernisjockey, der freiwillig vom Pferd fällt und für Geld schwere Verletzungen riskiert, muss schon reichlich dämlich sein. „Fallen mit Absicht ist Schwachsinn“ meint der ehemalige Kollege Robbie McNamara, der nach einem schweren Sturz nicht mehr aktiv sind. Leider ist diese Meinung nur für registrierte Nutzer der Zeitschrift Irish Field nachlesbar. Aber dennoch ist dem nichts hinzufügen. Ruby Walsh hat so etwas doch auch gar nicht nötig – bei seinen vielen Erfolgen.
So geht es auch: die wunderbare Auferstehung von Killultagh Vic und Ruby Walsh
Es gibt Pferde, die vergisst man sein ganzes Leben nicht. Flakey Dove ist so eine Kandidatin. Eine Stute, die sehr erfolgreich über Hindernisse lief und als Krönung 1994 die Champion Hurdle in Cheltenham gewann. Sie bleibt dem Kolumnisten auch ewig im Gedächtnis, weil sie eine der ersten Wett-Treffer beim Cheltenham Festival war. Spätestens seitdem grassiert an vier (bzw. früher an drei) Tagen im März ein gewisser Wahnsinn, der alle anderen Dinge in den Hintergrund stellt. Flakey Dove starb jetzt im hohen Alter von 30 Jahren.
1994 – lang ist es her. Persönlich ging es mir damals nicht so gut, zwei Jobs nach erfolgreichem Studium erwiesen sich als der berühmte Griff ins Klo. Jedenfalls hatte ich damals viel Zeit, aber leider auch wenig Geld.
Immerhin hatte ich einen neuen Zeitvertreib: englische Pferderennen. Die liefen seit etwa zwei Jahren beim Buchmacher meines Vertrauens. Der Kommentator war eine Wucht: Sätze wie „Finger in der Nase“ und „….sitzt noch wie im Kino“ wurde schnell zu Insidergags. Ich war fasziniert.
Im Winter gab es fast ausschließlich Hindernisrennen. Eine neue Welt: Zu dieser Zeit sah es im deutschen Hindernissport zwar besser als heute aus, dennoch spielte er nur eine kleine Rolle. Auf der Insel aber, da liefen Top-Pferde mit großartigen Jockeys wie Peter Scudamore und Richard Dunwoody.
Zudem konnte man beim Bookie die Racing Post kaufen, eine ganz andere Liga als die damals textlich und gestalterisch reichlich angestaubte Sport-Welt.
Jedenfalls konnte ich 1994 das Cheltenham-Festival in voller Breite erleben. Die Champion Hurdle wurde zum ersten Höhepunkt. Flakey Dove gewann mit Mark Dwyer letztlich souverän gegen Oh So Risky und Large Action. Der Kolumnist freute sich über 50 DM, seine Stimmung stieg merklich.
David schlägt Goliath
„Als die kleine Stute inmitten ihrer nobleren und solideren Rivalen paradierte, sah sie aus wie ein unwürdiger Teilnehmer. Auf der Bahn aber war das eine andere Geschichte”, schrieb 1994 der Independent. Es war die klassische Außenseiter-Geschichte: Ihr Trainer war ein Farmer aus Leominister in der englischen Grafschaft Herefordshire, der Rinder und Schafe besaß und nebenbei ein paar Pferde trainierte.
Die „schuppige Taube“ (frei übersetzt) war das beste Pferd, das Richard Price je besaß und betreute. „Sie nahm uns mit zu all den Top-Rennbahnen und lief immer sehr ordentlich“, erinnerte sich Price.
Insgesamt lief Flakey Dove 44 mal sowohl über die Hürden als auch über die Flachbahn, siegte in 14 Rennen und verdiente fast 250 000 Pfund Preisgeld.
Doch dieser 14. März 1994 war der Tag ihres größten Triumphs. Sie war die erste und letzte Stute nach der legendären Dawn Run im Jahre 1984, die sich die Champion Hurdle sicherte.
Ein Jahr später beendete Flakey Dove ihre Laufbahn. Natürlich bleib sie bei Richard Price in der Zucht, doch keiner ihre Nachkommen hatte ihr Format auf der Rennbahn. Flakey Dove starb am 13. Februar im Alter von 30 Jahren.
Der Buchmacher-Vertreter hatte die richtige Vorahnung: Flakey Dove schlägt Oh so Risky in der Champion Hurdle 1994